6 Minuten Lesezeit 2 Juli 2017
young man taking notes journal

Wie man junge Talente gewinnt, die aus dem digitalen Potenzial konkrete Ergebnisse generieren

Von George Atalla

EY Global Government & Public Sector Leader

Working with governments to address complex issues and build a better working world.

6 Minuten Lesezeit 2 Juli 2017

Mit diesen vier Strategien kann der öffentliche Sektor im Kampf um die besten Talente im Digitalbereich mithalten.

Die Anforderungen von staatlichen Behörden haben sich verändert, daher braucht es eine neue Form der Talentgewinnung. Die Digitalisierung fordert Regierungen weltweit heraus, staatliche Behörden müssen nach Wegen suchen, sich an digitale Modelle anzupassen. Hinzu kommt, dass der Anteil an jungen Mitarbeitern im öffentlichen Sektor immer mehr abnimmt. Angesichts der bevorstehenden Welle von Renteneintritten wird es Zeit, den Talentpool aufzufüllen.

Ein Mangel an Talenten ist für den öffentlichen Sektor ein großes Risiko

Kompetenzumfragen, einschließlich derer für mehrere gewichtige Regierungen, zeigen einen beträchtlichen Mangel an Digitalisierungsspezialisten  – sowie große Probleme bei ihrer Anwerbung. Der amerikanische Rechnungshof (U.S. Government Accountability Office  – kurz GAO) stellte 2015 fest, dass in diversen staatlichen Handlungsfeldern wie Cybersecurity und Informationstechnologie Mitarbeiter mit entsprechenden Fachkenntnissen fehlen.

Auch die australische Regierung hat den Mangel an Datenkompetenz erkannt und im Jahr 2016 einen Datenkompetenzplan veröffentlicht, der Maßnahmen für eine digitale Zukunft aufführt.

Der öffentliche Sektor ist im Rennen um junge Talente weit abgeschlagen

Die Lücken im Bereich digital versierter und junger Talente verdeutlichen die absolute Notwendigkeit im öffentlichen Sektor, so viele begabte und erfahrene Kandidaten wie nie zuvor von außen zu gewinnen. Der Wettbewerb um Digitalisierungsspezialisten sowie um junge Talente und insbesondere die für eine „Regierung der Zukunft“ notwendigen jungen, spezialisierten Talente stellt jedoch ein schier unüberwindbares Hindernis dar.

Wichtige Geschäftsfaktoren und eine weit verbreitete Nachfrage nach diesen Kompetenzen befeuern den Wettstreit. Daten von LinkedIn zu Anwerbungs- und Einstellungsaktivitäten belegen, dass der öffentliche und der private Sektor um dieselben Talente konkurrieren. Die meistgesuchten Kenntnisse sind neben Datenspeicherung, Datenabruf und Datenanalyse vor allem Cloud Computing und verteiltes Rechnen, engl. Distributed Computing.

In diesem hart umkämpften Bereich verlieren staatliche Behörden oft bei der Talentakquise. US-Behörden berichten von 800 Stellen für Systemingenieure und weitere Positionen im Bereich der MINT-Fächer sowie Cybersecurity, die seit mindestens 90  Tagen unbesetzt sind. Solche Ergebnisse zeigen deutlich, dass bei der Anwerbung junger Talente, besonders derjenigen mit gefragten Digitalisierungskompetenzen, im öffentlichen Sektor großer Nachholbedarf besteht.

Der öffentliche Sektor benötigt eine neue Strategie zur Talentgewinnung, mit der er seine Wunschkandidaten – junge und digital versierte Menschen – direkt anspricht.

Im Wettbewerb benötigt der öffentliche Sektor eine neue Strategie für die Talentgewinnung

Als neue Talente im öffentlichen Sektor sind heute zweifellos immer stärker Digitalisierungskompetenzen, junge Menschen im Allgemeinen und ganz besonders junge Talente gesucht, die sich auf die Bereiche Digitalisierung oder Daten spezialisiert haben. Dafür benötigen Behörden einen neuen Ansatz für die Talentgewinnung, mit dem sie ihre Wunschkandidaten – junge und digital versierte Menschen – direkt ansprechen.

Ihr Leistungsversprechen an die Spitzentalente von heute sollte die Entfaltung ihrer Fähigkeiten sowie den übergeordneten Sinn ihrer Arbeit betonen. Auf diesem Markt gilt das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis als vergänglich, der Fokus liegt auf einer Allianz beider Seiten für ein gemeinsames Ziel. Die Tage von Dauerbeschäftigung und Altersvorsorgeleistungen sind gezählt. An ihre Stelle getreten sind Unternehmertum und Anpassungsfähigkeit – heute unerlässlich für eine erfolgreiche Laufbahn. Für den öffentlichen Sektor bedeutet das, die Strategie zur Talentgewinnung am gegenseitigen Gewinn auszurichten, anstatt auf langwährende Loyalität zu setzen.

Eine veränderte Talentgewinnung benötigt auch neue Methoden, etwa den Wechsel zu einer digital inspirierten Strategie und digitalen Plattformen. Die LinkedIn Global Recruiting Trends Survey von 2016, eine Umfrage zu Einstellungstrends, zeigt die Bedeutung von Netzwerken auf. Unter den 4.000 Befragten rangierten soziale Netzwerke mit beruflichem Schwerpunkt auf Platz eins der wichtigsten Rekrutierungsquellen, noch vor Online-Jobbörsen (Platz zwei) und Arbeitnehmerempfehlungen (Platz drei). Arbeitgeberinvestitionen in die Marke sind ebenfalls wieder im Kommen und werden jetzt als Schlüsselfaktor in einem erfolgreichen Einstellungsprozess angeführt.

Dies ist aufschlussreich, da es den wechselnden Pool an gesuchten Talenten ebenso widerspiegelt wie die Verfügbarkeit der neuen Medien als Motor für den Anwerbeprozess. Im Großen und Ganzen besitzen die Millennials die gesuchten Fähigkeiten, weshalb auch das Jobsuchverhalten der Spitzentalente aus dieser Generation unbedingt berücksichtigt werden sollte. US-amerikanische Umfragen weisen darauf hin, dass sich 60 % der Millennials bei der Jobsuche direkt bei einem Unternehmen bewerben. Diese Art der Bewerbung liegt damit noch deutlich vor der Stellensuche über Netzwerk- oder Rekrutierungsveranstaltungen (45 %) und universitätseigene Stellenvermittlungen (42 %). Daher ist der „Pull-Faktor“ für die Akquisition sozialer und digitaler Talente - sowohl durch die Marke als auch durch persönliche Beziehungen – von entscheidender Bedeutung.

Vier Kernbereiche der Talentgewinnung für den „öffentlichen Sektor der Zukunft“

1. Nutzen Sie soziale Plattformen zur Markenbildung und Kommunikation

Im direkten Vergleich mit herkömmlichen Anwerbungsmethoden gewinnt die Talentakquise über soziale Plattformen wegen ihrer unmittelbaren Kostenersparnisse, ihrem großen Einflussbereich und ihrer Transparenz. Eine Chance für den öffentlichen Sektor, den Talentpool zu erweitern, besteht darin, die Fühler weiter auszustrecken und auch Kandidaten anzusprechen, die nicht aktiv auf Stellensuche sind, aber dennoch für eine Position infrage kämen.

Die digitale Mitarbeitersuche über soziale Plattformen zeichnet sich zudem durch die Möglichkeit aus, eine persönliche Beziehung zu den potenziellen Kandidaten aufzubauen. Die öffentlichen Arbeitgeber können mit Spitzentalenten in den Dialog treten und den sinnstiftenden Charakter der Arbeit in den Fokus rücken. Die Gelegenheit, direkt mit jungen Talenten und Digitalisierungsspezialisten zu kommunizieren, eröffnet staatlichen Behörden den Weg, ihre eigene Marke auszubauen, die die Karrierechancen mit gesellschaftlicher Tragweite und die Möglichkeit „etwas zu bewirken“ betont. Die ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des öffentlichen Sektors, das strategisch ausgebaut werden sollte.

Mit der Nutzung maßgeschneiderter digitaler Kommunikationskanäle kann der öffentliche Sektor seine Marke in puncto Vielfalt und Flexibilität stärken. Dies unterstützt die Übermittlung einer wesentlichen Botschaft – nämlich dass der öffentliche Sektor ein attraktiver Arbeitgeber ist – an Kandidaten der jüngeren Generation oder jene mit technischen bzw. digitalen Fachkenntnissen, die an unternehmerische Arbeitsstrukturen gewöhnt sind.

2.Nutzen Sie Datenanalysen um vorne dabei zu sein

Mit Datenanalyse kann der öffentliche Sektor den Bedarf an bestimmten Kompetenzen einschätzen und vorhersagen. Eine Möglichkeit besteht darin, eine gründliche Bestandsaufnahme der Belegschaft zu machen, in der Kompetenzen, Lücken, Überschneidungen und Risiken untersucht werden, um die Ergebnisse anschließend mit Markt- und Wirtschaftsdaten abzugleichen. Auf diese Weise können Behörden zukünftige Anforderungen und Engpässe vorhersagen. Dabei könnten auch Instrumente zum Daten-Mapping eingebunden werden, um das Umfeld verfügbarer Kandidaten besser zu kennen. Diese Informationen können Regierungsbehörden und Unternehmen in öffentlicher Hand zur Zukunftsplanung nutzen, wozu auch der frühzeitige Kontakt zu den gesuchten Talenten gehört.

Digitale soziale Kanäle sind ein wertvoller Zugewinn – nicht nur für die Umsetzung der Talentstrategie, sondern auch zur Informationsgewinnung. Die Fähigkeit, Markt- und Wirtschaftsdaten mit internen Strategien und Vorhersagen  – etwa über Predictive-Analytics-Methoden – zu verknüpfen, ist eine erfolgsversprechende Grundlage, um seine Talentplanung und Entscheidungsfindung in Bezug auf Haushalte und Ressourcen zu verbessern. Diese neuen Daten und Tests sollten bei Planungs- und Leistungsfaktoren auf Führungsebene und in Personalabteilungen berücksichtigt werden.

3. Akquisitionsfähigkeiten für Talente steigern und ausbauen

Der dringende Bedarf nach jungen Kandidaten mit den jeweils gesuchten Kompetenzen zeigt die Wichtigkeit der Talentakquise im öffentlichen Sektor. Die Akquise von Talenten sollte zu einer strategischen Priorität auf der Ebene der organisatorischen Führung werden, indem sie die Unterstützung der Geschäftsführung erhält, während die Strategieplanung bei der Personalabteilung bleibt.

Die wachsende Bedeutung sozialer Talentgewinnungsstrategien birgt auch Chancen für Regierungen, den Anwerbungsprozess in ihren Behörden neu auszurichten und Anwerbungskompetenzen flächendeckend zu modernisieren. Die soziale Komponente in diesem Prozess bedeutet nichts anderes, als dass jeder Einzelne, ganz gleich auf welcher Ebene, die Behörde nach außen repräsentiert und in der Talentgewinnung einen Beitrag leisten kann.

4. Testen, auswerten, nachjustieren und wiederholen

Soziale Talentgewinnung benötigt schnelles Feedback in einer unruhigen Umgebung. Unternehmen müssen langfristige Ziele im Blick behalten und innerhalb der Grenzen formaler Kontrollen, Bewertungsprozesse und Investitionen erarbeiten. Hierfür sind stabile Investitionen in Strategien zum Testen, Auswerten und Nachjustieren erforderlich.

Gleichzeitig benötigen Behörden spezielle Kriterien, um Bedarfslücken zu kontrollieren und Einschätzungen darüber abzugeben, wie gut Bewerber zum jeweiligen Arbeitsplatz „passen“, die zuvor über soziale Kanäle, einschließlich individueller Aktionspläne, -ziele und -ergebnisse, angeworben wurden. Die entsprechenden Informationen müssen der Personalabteilung und der Führungsebene regelmäßig in einer Übersicht mitgeteilt werden.

Fazit

Der öffentliche Sektor braucht digitale Spitzentalente um seine digitalen Technologien erfolgreich auszubauen. Da er aber nicht die Gehälter der Privatwirtschaft zahlen kann, benötigt er alternative Strategien zur Anwerbung und Mitarbeiterbindung.

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