Wenig Kapital für Gründerinnen – Frauenanteil bei Gründung doppelt so hoch wie bei Investment
Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des WU Gründungszentrums im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft sind in Österreich 36 Prozent aller Start-ups von Frauen oder mit Co-Founderinnen gegründet worden, was den höchsten Wert in der EU darstellt. Der Austrian Startup Monitor verzeichnet für das Jahr 2022 einen Anteil von knapp 39 Prozent an Female Start-ups – und damit knapp mehr als im Vorjahr mit 36 Prozent. Allerdings erhielten Female Start-ups, also Jungunternehmen mit mindestens einer Frau im Gründungsteam, wie schon 2022 nur 18 Prozent der Investments in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023.
Noch größer ist das Ungleichgewicht beim Finanzierungsvolumen: 89 Prozent des investierten Kapitals – und damit noch einmal mehr als 2022 mit 87 Prozent – flossen in Start-ups und Scale-ups, bei denen das Founding Team nur aus Männern besteht. Das liegt im langfristigen Durchschnitt von 88 Prozent zwischen 2010 und 2021.
„Investments in Female Startups mit zumindest einer Frau im Founding Team bleiben die Ausnahme in Österreich. Wie schon 2022 gehen rund neun von zehn investierte Euros an rein männlich besetzte Gründungsteams. Insgesamt waren bei weniger als einem Fünftel der Finanzierungsrunden Gründerinnen im Team. Es wird noch Jahre dauern, bis sich dieses Ungleichgewicht verringert und sich die Entwicklungen bei den Gründungen mit einem steigenden Anteil von Start-ups mit gemischten Gründungsteams auch bei Finanzierungsrunden niederschlagen. Um diese Entwicklung zu beschleunigen braucht es gemeinsame Initiativen für Female Entrepreneurship und Female Investors, denn wie viele Studien unterstreichen, sind gemischte Teams wirtschaftlich erfolgreicher, erwirtschaften höhere Umsätze und haben die zufriedeneren Mitarbeiter:innen“, so Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich.
„Die Good News: Wenn wir die Rekordjahre 2021 und 2022 ausblenden, gibt es in Österreich einen sehr positiven Trend hinsichtlich der Finanzierungsvolumina. Das ist ein wichtiges Signal für unser Ökosystem. Die Bad News: Female (co-) founded Unternehmen können offensichtlich nicht von diesem Trend profitieren. Sogar ganz im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2023 ist weniger Kapital an Unternehmen mit mindestens einer Gründerin geflossen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber nicht nachvollziehbar, da die Performance von gemischten Teams nachweislich besser ist. Das zeigt uns auch eindeutig die Auswertung des Gründerinnenanteils nach Höhe der Finanzierungsrunden: Den höchsten Anteil an Gründerinnen sehen wir bei den wenigen Unternehmen, die es geschafft haben, zwischen zehn und 50 Millionen Euro einzusammeln und entsprechend fortgeschritten in ihrer Unternehmensentwicklung sind. Wirtschaftlicher Erfolg und Diversität gehen also nachweislich Hand in Hand “ sagt Lisa-Marie Fassl, Managing Partner bei Fund F und Co-Gründerin von Female Founders.
Nur jede:r zehnte Gründer:in von Start-ups mit Investment ist weiblich
Insgesamt waren 153 Gründer:innen im ersten Halbjahr 2023 an zumindest einer Finanzierungsrunde beteiligt. Nur 15 dieser 153 Gründer:innen und damit rund jede:r zehnte Gründer:in war weiblich. Damit liegt der Anteil an Gründer:innen mit einer Investitionsrunde deutlich unter dem jährlichen Durchschnitt (17 %). Am höchsten ist der Frauenanteil mit 50 Prozent im Bereich Professional Services, in dem es allerdings auch nur eine Finanzierungsrunde gab. In den Sektoren Health (25 %; 7 Start-ups mit Finanzierungsrunden), ClimateTech (25 %, 4 Start-ups) und Education (20 %; 3 Start-ups) liegt der Anteil an Gründerinnen ebenfalls überdurchschnittlich hoch. In neun der 14 untersuchten Sektoren bestanden die Gründungsteams der Start-ups mit Finanzierungsrunden im ersten Halbjahr 2023 ausschließlich aus männlichen Gründern, darunter FinTech, Energy oder Mobility.
„Ich glaube wir kennen mittlerweile alle die notwendigen Maßnahmen, um mehr Kapital für gender-diverse Teams zu mobilisieren. Aber leider passiert hier von politischer Seite noch immer wenig bis nichts, das tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Um es auf den Punkt zu bringen: ‚Women are over-mentored and underfunded‘. Und das gilt nicht nur für die Start-up-Welt, sondern beinahe jeden Bereich der Wirtschaft“, so Fassl.