Aufsichtsrat als Teil eines integrierten Risikomanagements
Der Aufsichtsrat sollte daher einen vollständigen und integrierten Blick auf die Risiken eines Unternehmens haben, um sich auf Basis belastbarer Informationen mit Themen wie Nachhaltigkeit, Compliance und mit der entsprechenden Berichterstattung befassen zu können, zu der Unternehmen künftig viel stärker verpflichtet sind, fordert Uher. Dafür müsse er sich intensiv mit dem Risikomanagement im Unternehmen verzahnen. Ziel: Ein integriertes Risikomanagement. Bis dahin ist der Weg bei vielen Unternehmen allerdings noch weit: Nur 57 Prozent der Aufsichtsräte treffen sich mindestens quartalsweise mit dem CRO, dem Chief Risk Officer.
Neue Risiken auf der Agenda
Im Vergleich zur Vorgänger-Befragung haben die meisten der 13 abgefragten Risiken für die Unternehmensüberwachung an Bedeutung gewonnen. Besonders stark gewachsen ist das Risiko, dass neue Marktteilnehmer entstehen und dem Unternehmen Marktanteile abnehmen könnten: von 22 auf 42 Prozent. Genauso stark an Bedeutung gewonnen hat das Risiko einer falsch ausgerichteten Unternehmenskultur. „Es ist erfreulich, dass auch Themen immer stärker als potenzielle Risiken wahrgenommen werden, die früher kaum beachtet oder gar belächelt wurden“, sagt Uher. „Denn tatsächlich sehen wir immer wieder, dass eine problematische Unternehmenskultur – teils sogar trotz etablierter Compliance-Systeme – erhebliche Folgen haben kann. Abgesehen von der Verantwortung, die die Unternehmensleitung hat, solche Vorfälle zu verhindern – sie schaden dem Arbeitgeber-Image massiv, führen zu Traumata bei den Betroffenen und können dazu führen, dass Talente das Unternehmen verlassen. Themen wie Talent Management und auch „Diversity, Equity and Inclusion“ (DE&I) sollten daher bei jedem Aufsichtsrat auf der Agenda stehen“, stellt Uher daher fest.
Allerdings: 60 Prozent der Befragten geben an, dass derartige neu aufkommenden Risiken bislang in ihrer Arbeit unzureichend berücksichtigt werden. Und während zwei Drittel zustimmen, dass ihre Unternehmen in dieser Hinsicht vor erheblichen Veränderungen stehen, sind nur ein Drittel zufrieden mit den eigenen Fähigkeiten, die DE&I-Bemühungen des Managements effektiv zu überwachen.
Aktivere Rolle für Aufsichtsräte
„Früher verstanden Aufsichtsräte ihre Aufgabe primär als beobachtend und reaktiv, sie wurden also erst tätig, wenn im Unternehmen etwas schiefgelaufen war“, beobachtet Uher. „Der Aufsichtsrat von morgen sollte stattdessen von sich aus Impulse für das Unternehmen setzen und damit auch aktiv auf die Unternehmenskultur einwirken.“
Der Aufsichtsrat als Kontroll- und Überwachungs- aber auch als Beratungsgremium müsse gerade in volatilen Zeiten eine deutlich aktivere Rolle einnehmen, sagt Uher. „Arbeitsaufwand und Intensität steigen, ein guter Einblick in die Arbeit des Unternehmens ist unerlässlich.“ Bei vielen Konzernen besteht diesbezüglich allerdings noch Handlungsbedarf. So geben 40 Prozent der Befragten weltweit an, dass sie sich nicht öfter als zweimal im Jahr mit den Vorstandsmitgliedern des Unternehmens austauschen.