4 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020
Roboter warten auf Arbeit

Transfer Pricing und Zoll: Keiner weiß was, keiner sagt was?

Von Gerhard Steiner

Partner, Steuerberatung | Österreich

Ist als Teamleiter für das Thema Verrechnungspreise in der Steuerberatung bei EY Österreich zuständig. Bereist in seiner Freizeit mit seiner Familie gerne die Welt.

4 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020

Wie wird dem Spannungsfeld zwischen Transfer Pricing und Zoll in der Praxis begegnet? Und sind sich Unternehmen der damit einhergehenden Risiken bewusst? Wird gehandelt?

Der Konflikt zwischen Zoll und konzerninternen Verrechnungspreisen ist nicht neu: Die Warenbepreisung bei konzerninternen Transaktionen unterliegt sowohl der zollrechtlichen als auch der ertragsteuerrechtlichen Prüfung – diese basieren jedoch auf voneinander unabhängigen Bestimmungen und widersprüchlichen Interessen. Insbesondere die zollwertrechtliche Behandlung von Transferpreisanpassungen stellt in diesem Zusammenhang ein höchst aktuelles und relevantes Thema dar. Aber: Wie wird dem Spannungsfeld zwischen Transfer Pricing und Zoll in der Praxis begegnet? Und sind sich Unternehmen der damit einhergehenden Risiken bewusst? Wird gehandelt?

EuGH-Urteil erteilt Pragmatismus Absage

Im Dezember 2017 traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein viel diskutiertes Urteil zur Schnittstelle zwischen Verrechnungspreisen und Zoll. In einer Konzernkonstellation lieferte eine japanische Muttergesellschaft Produkte an ihre deutsche Tochtergesellschaft, die diese lokal vertrieb. Basierend auf den Intercompany-Rechnungen bzw. den jeweils ausgewiesenen Rechnungsbeträgen der einzelnen Produkte wurden entsprechende Zollwerte angemeldet.

Im besagten Fall sollte die deutsche Gesellschaft am Geschäftsjahresende in einer steuerlich angemessenen Bandbreite einen letztlich moderaten Gewinn ausweisen. Die zugrunde liegende Transferpreismethodik war zudem in einem Advance Pricing Agreement (APA) zwischen Japan und Deutschland abgesichert. Als die Vertriebsgesellschaft jedoch unterhalb der Zielmarge lag, entschied man sich für eine Jahresendanpassung, also für eine Gutschrift. Mithilfe dieses Instruments wurde das negative Ergebnis der Gesellschaft in die angestrebte Bandbreite bewegt. Da die Preise auf den einzelnen Rechnungen der Muttergesellschaft rückblickend „zu hoch“ waren, hatte eine Gutschrift im Grunde die Wirkung einer nachträglichen (pauschalen) Preisminderung und indiziert naheliegend eine Minderung der zollrechtlichen Bemessungsgrundlage. Vermeintlich sachlogische Konsequenz: Zollerstattung aufgrund nunmehr verringerter Zollwerte. Nachdem das deutsche Hauptzollamt den Erstattungsantrag mit der Begründung ablehnte, dass der Anpassungsbetrag nicht (wie notwendig) auf die einzelnen importierten Produkte aufgeteilt worden sei, hat der EuGH nun geurteilt: Unterjährig berechnete und bei der Einfuhr angemeldete Transferpreise gelten als Zollwert. Der Unionszollkodex kennt keine vorläufigen Preise und lässt so keinen Preis als Transaktionswert zu, bei dem später und noch nicht vorhersehbar eine nachträgliche Preisanpassung nach oben oder unten erfolgt. Rückwirkende Verrechnungspreis- bzw. „Jahresendanpassungen“ sind folglich – trotz APA - aus zollrechtlicher Perspektive irrelevant.

Transfer Pricing und Zoll, wie läuft die Praxis?

Spätestens seit der Entscheidung des EuGH scheint es unvermeidlich, dass die Anwendung von Jahresendanpassungen im Transfer Pricing (TP) durch höhere Zollabgaben finanziellen Schaden für Unternehmen zur Folge haben kann. Das Spannungsfeld zwischen TP und Zoll verdient zweifellos mehr Aufmerksamkeit. Aber: Setzen sich Unternehmen in der Praxis hinreichend intensiv mit der Schnittstelle zwischen TP und Zoll auseinander? Und wie hoch ist das Bewusstsein für dieses Thema tatsächlich? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die zweite EY-Studie zum Thema „Herausforderungen im Operational Transfer Pricing 2018“ im deutschsprachigen Raum. Die Studie soll einen Einblick in aktuelle Themen und Schwierigkeiten rund um die operative Implementierung von Verrechnungspreissystemen geben. Unternehmensvertreter unterschiedlichster Funktionen wurden und werden dabei u. a. wie folgt befragt:

  • Wurde bzw. wird in Ihrem Unternehmen im Zuge von Ausgleichszahlungen jeder Einfuhrvorgang/jede Zollanmeldung detailliert berichtigt?
  • Führten der Zollverwaltung gemeldete Jahresendanpassungen zu Nacherhebungen bzw. Erstattungen von Zoll?
  • Falls es bei Zollprüfungen zu einer oder mehreren Nachzahlungen kam, hätte aus Ihrer Sicht ein unterjähriges IC-Preis- bzw. -Margenmanagement diese zumindest reduzieren können?
  • Gab es bereits in einzelnen Ländern Zollprüfungen, bei denen Prüfer auch tief in die TP-Systematik Ihres Konzerns eingestiegen sind?
  • Wurden vom Zoll Feststellungen getroffen, die aus Ihrer Sicht unvereinbar mit Ihrem bestehenden TP-System und –Management sind?
  • Wird die Zoll-/Exportabteilung eingebunden, falls Ausgleichzahlungen vorgenommen werden?

Fazit

Besonders auffallend ist bei der Auswertung der bislang eingegangenen Rückläufer, dass ein Großteil der zollrelevanten Fragen mit „Keine Angabe“ oder „Weiß nicht“ beantwortet wurde. Im Vergleich zu anderen Fragen der Studie ist dies extrem ungewöhnlich, Zurückhaltung zeichnet sich an anderen Stellen auch bei konkreten Detailfragen nicht ab. Wird aus unternehmenspolitischen Gründen bewusst keine Angabe gemacht oder wussten die Befragten in ihrer individuellen Funktion schlicht nicht, ob es z. B. in ihrem Unternehmen infolge von Anpassungen zu Nacherhebungen oder Erstattungen kam? Nur selten ist die Zollabteilung der Steuerabteilung angegliedert. Ob dies als Erklärung dienen kann, ist nur schwer einzuschätzen.

Über diesen Artikel

Von Gerhard Steiner

Partner, Steuerberatung | Österreich

Ist als Teamleiter für das Thema Verrechnungspreise in der Steuerberatung bei EY Österreich zuständig. Bereist in seiner Freizeit mit seiner Familie gerne die Welt.