1. Operative Risiken im Zielunternehmen identifizieren
Während in einer Operational Due Diligence typischerweise potenzielle Risiken, sogenannte Red Flags, entlang der internen Wertschöpfungskette je Unternehmensfunktion identifiziert werden, empfiehlt es sich aktuell, Schwerpunkte auf ausgewählte, oftmals kritische Bereiche zu legen.
Angesichts globaler Wertschöpfungsketten liegt ein Fokus auf der Bewertung der Resilienz von Lieferketten und der Schlagkraft der Einkaufsorganisation des Zielunternehmens:
- In welchen Ländern unterhalten kritische A-Lieferanten eigene Produktionsstandorte, und sind diese Länder künftig von Handelszöllen betroffen?
- Wie hoch ist die Abhängigkeit von einem oder einigen wenigen Lieferanten, und gibt es auf dem Weltmarkt alternative Zulieferer, die kurzfristig qualifiziert werden können?
- Wie professionell ist das Lieferantenmanagement im Einkauf organisiert? Wie werden wichtige A- und B-Lieferanten gemanagt?
- Wie gut waren bisher Lieferperformance und Termintreue?
Bei Unternehmen mit Produktionsstandorten in den USA, Kanada, Mexiko und China stellen sich darüber hinaus aktuell weiterführende Fragen: Wie werden mögliche Risiken durch die Erhebung von Einfuhrzöllen bewertet? Gibt es gegebenenfalls alternative Lieferquellen?
Um mögliche Ansatzpunkte für weitere Kostensenkungspotenziale zu identifizieren wird parallel bewertet, wie erfolgreich der Einkauf in den letzten Jahren Preiserhöhungen von Lieferanten abgewehrt und Einkaufskosten, insbesondere nach oftmals temporären Kostenanstiegen während der Coronapandemie, gesenkt hat.
Darüber hinaus ist eine Einschätzung des Professionalisierungsgrads des Einkaufs von Bedeutung:
- Wie ist der Einkauf organisiert (zum Beispiel nach Beschaffungsgruppen zugeordnet zu strategischen Einkäufern)?
- Über welche Ausbildung, Berufserfahrung und (technische) Fähigkeiten verfügen die Mitarbeitenden?
- Wie erfolgt die Messung von Einsparungen im Einkauf? Wird zwischen Kostensenkung und -vermeidung unterschieden? Gibt es sogar eine dedizierte Rolle für das Einkaufscontrolling zur Nachhaltung des Einkaufserfolgs?
- Wie sind die Anreizsysteme für Einkaufsmitarbeitende ausgestaltet?
- Ist die Einkaufsorganisation ausreichend besetzt oder gibt es vakante Schlüsselpositionen?
Die Risikobewertung für globale Unternehmen erfolgt mit einem ganzheitlichen Blick auf das Netzwerk der operativen Standorte:
- Wo unterhält das Zielunternehmen eigene Produktionsstandorte, und an welche Standorte der eigenen Kunden wird geliefert? Wie komplex sind die daraus resultierenden Lieferketten?
- Wie beeinflusst der operative Fußabdruck die Kostenbasis des Zielunternehmens?
Aktuell lässt sich gut beobachten, dass Unternehmen industrieübergreifend den Aufbau eigener Produktionsstandorte in den USA analysieren. Zudem erfolgt aufgrund teilweise deutlich gestiegener Kosten eine Verlagerung von Produktionskapazitäten aus Osteuropa nach Nordafrika. Industrien mit hohem Energiebedarf (zum Beispiel die Chemieindustrie) vermeiden den Aufbau weiterer Produktionskapazitäten in Mitteleuropa und weichen auf Regionen mit günstigeren Energiekosten aus. Im Kontext dieser und weiterer Trends gilt es zu bewerten, wie sich der operative Fußabdruck entwickelt hat und welche Strategie das Zielunternehmen verfolgt.
Schlussendlich werden historische und geplante Investitionsausgaben (CapEx) analysiert. Bei produzierenden Unternehmen stellt sich nach Jahren der begrenzten Verfügbarkeit von Material und Ersatzteilen sowie Lieferverzögerungen oftmals die Frage, ob notwendige Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen in der Vergangenheit getätigt wurden – oder ob diese verschoben werden mussten und als Folge ein Investitionsstau vorherrscht.
Auch bei der Bewertung der nötigen Investitionen über die Business-Plan-Periode ist Vorsicht geboten. Erfolgt die Abschätzung des Finanzierungsbedarfs für neue Maschinen durch das Management auf Basis von historischen Preisen für vormals angeschafftes Equipment, so werden die Investitionsbedarfe unterschätzt, da teilweise signifikante Preiserhöhungen nicht berücksichtigt werden, oder damalige Teile heute nicht mehr lieferbar sind oder nur durch teurere Nachfolgeprodukte ersetzt werden können. Gleichzeitig berücksichtigen historische Preise nur die ihnen zugrundeliegenden technischen Spezifikationen, sodass etwa technologische Fortschritte mit wesentlichen Vorteilen für den Produktionsprozess nicht eingepreist werden können. Darüber hinaus verzerrt unter Umständen in Jahren der Krise bewusst kostengünstig spezifiziertes Equipment die Abschätzung der zukünftigen Investitionsbedarfe.
2. Skalierbarkeit von Organisation und operativen Prozessen im Zielunternehmen bewerten
Nach mehreren Jahren mit moderater Nachfrage planen viele Unternehmen aktuell mit ambitionierten Wachstumszielen, die in der Regel nur mit einer optimal aufgestellten Organisation und gut skalierbaren Produktions-, Liefer- und Lagerungsprozessen erreichbar sind. Gleichzeitig haben viele produzierende Unternehmen ihren Personalbestand durch Restrukturierung an die veränderte Situation angepasst, frei gewordene Stelle nicht extern nachbesetzt oder Produktionslinien vorübergehend stillgelegt.
Standardmäßig wird im Rahmen einer Operational Due Diligence die Verfügbarkeit von Personal bewertet und aktuell konzentriert sich der Fokus auf folgende Leitfragen:
- Wie kann bei einer anziehenden Nachfrage im Markt kurzfristig eine höhere Anzahl von Arbeitskräften eingestellt und geschult werden, um die Produktion zügig wieder hochfahren zu können?
- Besteht die Möglichkeit, sowohl über Fremdvergabe von Arbeit als auch durch die vorübergehende Einstellung von Zeitarbeitskräften den Hochlauf der Produktion und Bedarfsspitzen abzudecken?
- Besteht das Risiko, dass das Unternehmen wertvolles Know-how durch den Weggang erfahrener Arbeitskräfte verliert? Und wie schnell kann dieses Wissen gegebenenfalls intern wieder aufgebaut werden?
- Welche Möglichkeiten gibt es, Mitarbeitende im Unternehmen flexibler einzusetzen, zum Beispiel durch die Schulung von Anlagenfahrern auf mehreren Produktionslinien, um eine flexiblere Einsatzplanung zu ermöglichen?
Bei der Einschätzung der Vorlaufzeit für die Wiederaufnahme von stillgelegten Produktionslinien sind Standortbesuche unerlässlich. Neben dem direkten Austausch mit Chief Operations Officer (COO) und Produktionsleitung ermöglicht dies eine genauere Einschätzung der Situation vor Ort:
- Wie lange stand die Produktion still und wie wurden über diesen Zeitraum notwendige Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt?
- Wie lange dauern notwendige Reinigungs- und gegebenenfalls Renovierungsmaßnahmen, bevor die Produktion wieder aufgenommen werden kann?
- Sind Ersatzinvestitionen in den Maschinenpark notwendig, und wie lange dauert die Beschaffung und Installation des benötigten Equipments?
- Können bei der Neuanschaffung von Maschinen und Equipment technologische Neuerungen berücksichtigt werden, um beispielsweise einen höheren Automatisierungsgrad in der Produktion zu erreichen?
Darüber hinaus sollte weitergedacht werden, damit potentizielle Engpässe (‚Bottlenecks‘) entlang der Wertschöpfungskette identifiziert werden können:
- Sind die vorhandenen Kapazitäten in Produktion, Lager und Logistik ausreichend, um den Business Plan des Managements umzusetzen?
- Gibt es ausreichend freie Kapazitäten, um weiteres Wachstum zu ermöglichen?
- Können Auslastungsspitzen durch die Verschiebung von Produktionsvolumina zwischen mehreren Standorten des Zielunternehmens ausbalanciert werden? Und falls ja, wie werden Produkte beziehungsweise Kunden priorisiert und welche Kosten fallen dafür an?
- Können in der Nähe des Produktionsstandorts kurzfristig externe Lagerkapazitäten hinzugemietet werden?
Diese und weitere Fragen lassen sich am besten vor Ort diskutieren, nachdem im Rahmen einer Standortbesichtigung ein genaues Verständnis über Produktionsabläufe, Engpässe, Kapazität und Auslastung in Produktion und Lager sowie wesentliche Kennzahlen gewonnen wurde.
3. Value Creation-Potenziale zur operativen Leistungssteigerung quantifizieren
Nach Jahren starker Material- und Personalkosteninflation birgt die Kostenbasis des Zielunternehmens oftmals signifikante Potenziale zur Optimierung. Management-Teams und Investoren haben dies erkannt und bringen daher im Vorfeld eines Verkaufs häufig umfangreiche Maßnahmenpakete zur Kostensenkung auf den Weg, um die EBITDA-Margen kurzfristig zu steigern.
In der Operational Due Diligence wird dann genau hingeschaut:
- Wie robust sind die getroffenen Planungsannahmen, und wie ambitioniert sind die Einsparziele?
- Wurden die Maßnahmenpakete bereits in Vorkrisenzeiten erarbeitet, jedoch nicht konsequent umgesetzt und nur für den Zweck des Verkaufsprozesses aufbereitet? Basieren sie somit auf einer veralteten Kostenbasis (‚Baseline‘) und überholten Annahmen?
- Ist die geschätzte Dauer für die Implementierung der Maßnahmen realistisch?
- Welche Einmalkosten fallen bei der Umsetzung an, zum Beispiel für externe Beratung?
Es gilt zu bewerten, ob es sich bei den Maßnahmen lediglich um inkrementelle Verbesserungen mit zwei bis vier Prozent Einsparpotential pro Jahr durch klassische Wertsteigerungshebel handelt, oder ob transformative Veränderungen des Zielunternehmens einen wirklichen Unterschied machen und die Kostenbasis deutlich und nachhaltig senken können, zum Beispiel durch Verlagerung der Produktion, Outsourcing von Support-Funktionen oder Automatisierung von Prozessen durch KI. Und kann auf diese Weise ein Kostenniveau der Vorkrisenzeit erreicht und eventuell sogar unterschritten werden?
Daneben wird in der Operational Due Diligence das Working Capital Management des Zielunternehmens bewertet. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einen zusätzlichen Sicherheitsbestand an Rohmaterialien aufgebaut, um Produktionsausfällen durch Verzögerungen bei den eigenen Lieferanten vorzubeugen. Darüber hinaus lagern produzierende Unternehmen teilweise hohe Bestände an fertigen Erzeugnissen ein – das Resultat von überschätzter Nachfrage oder auch stornierten Bestellungen von Kunden, die teilweise in die Insolvenz gerutscht sind. Bereits in der Due-Diligence-Phase wird geprüft, ob durch einen Abbau der Bestände kurzfristig liquide Mittel freigesetzt werden können. Außerdem ist die Frage zu beantworten, ob durch eine optimierte Produktions- und Absatzplanung – flankiert von einem engmaschigeren Lieferantenmonitoring, um Ausfälle frühzeitig vorherzusehen – unter individueller Risiko- und Chancenbewertung langfristig der Aufbau unnötiger Sicherheitsbestände vermieden werden kann.