Überblick über die Gesetzgebung
Die Taxonomie-Verordnung der EU (EUTR) etabliert ein Klassifizierungssystem zur Definition nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten. Sie ist am 12. Juli 2020 in Kraft getreten, und die ersten Berichte wurden 2022 veröffentlicht. Die Verordnung legt die Kriterien fest, nach denen eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft wird. Darüber hinaus enthält sie konkrete Definitionen für Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger. Sie findet derzeit auf Unternehmen Anwendung, die gemäss der EU-Richtlinie über nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) nichtfinanzielle Abschlüsse veröffentlichen müssen, so etwa Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten und bestimmte Finanzmarktteilnehmer. Darüber hinaus sind EU-Unternehmen, die unter die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen, verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsleistung im Einklang mit EUTR offenzulegen. Der Anwendungsbereich dieser Verordnung wird derzeit im Rahmen des EU-Omnibus-Vereinfachungspakets («Omnibus-Vorschlag») überarbeitet.
Nach der EUTR müssen diese Unternehmen den Anteil ihrer Tätigkeiten offenlegen, der taxonomiefähig und taxonomiekonform ist. Während sich die Taxonomiefähigkeit auf potenziell umweltverträgliche Tätigkeiten bezieht, bezeichnet die Taxonomiekonformität Tätigkeiten, die tatsächlich umweltverträglich sind, indem sie zu einem der sechs in Artikel 9 der EUTR genannten Umweltziele beitragen1.
Im Rahmen des ersten Omnibus-Vereinfachungspakets legte die Europäische Kommission (die Kommission) im Februar 2025 einen Entwurf eines delegierten Rechtsakts vor, mit dem Vereinfachungsmassnahmen eingeführt werden sollen, die den Verwaltungsaufwand für berichtende Unternehmen (Unternehmen) verringern und die Benutzerfreundlichkeit verbessern und gleichzeitig die Integrität des Taxonomie-Rahmens wahren.
Am 4. Juli 2025 verabschiedete die Kommission nach einer einmonatigen Rückmeldungsfrist, die im März 2025 endete, einen neuen delegierten Rechtsakt. Mit diesem neuen delegierten Rechtsakt werden die bisherigen delegierten Rechtsakte zur Taxonomie-Offenlegung sowie zu Klima- und Umweltzielen durch gezielte Änderungen angepasst.
Vereinfachungsmassnahmen im Rahmen des Omnibus-Vereinfachungspakets der EU («Omnibus-Vorschlag») und des endgültigen delegierten Rechtsakts zur EU-Taxonomie
Zu den wichtigsten Vereinfachungsmassnahmen des endgültigen delegierten Rechtsakts der EU-Taxonomie gehören:
Wesentlichkeitsschwellen für Fähigkeits- und Konformitätsanalysen:
- Unternehmen sind von der Prüfung der Taxonomiefähigkeit und -konformität für wirtschaftliche Tätigkeiten befreit, die für ihre Geschäftstätigkeit finanziell nicht wesentlich sind. Bei Nicht-Finanzunternehmen gelten Tätigkeiten als unwesentlich, wenn der kumulierte Umsatz, Investitions- oder Betriebsaufwand, der sich aus diesen wirtschaftlichen Tätigkeiten ergibt, unter 10% des jeweiligen KPI-Nenners liegt.
- Umsatz, Investitions- oder Betriebsaufwand im Zusammenhang mit den unwesentlichen Tätigkeiten sind separat als immaterielle Umsätze, Investitions- oder Betriebsaufwand auszuweisen. In den Kontextinformationen der EU-Taxonomie-Offenlegungen muss das Unternehmen auf individueller Ebene klar angeben, welche Wirtschaftstätigkeiten als nicht wesentlich eingestuft werden, um die Transparenz dieser Tätigkeiten zu gewährleisten. Dazu können die berichtenden Unternehmen die NACE-Codes verwenden.
- Darüber hinaus sind Nicht-Finanzunternehmen von der Prüfung der Taxonomiefähigkeit und -konformität ihrer Betriebsausgaben befreit, wenn diese für ihr Geschäftsmodell als unwesentlich angesehen werden, sofern sie den Gesamtwert des KPI-Nenners für Betriebsausgaben offenlegen und erklären, warum die operativen Ausgaben für ihr Geschäftsmodell nicht wesentlich sind.
Vereinfachung der verpflichtenden Berichtsvorlagen:
Die Berichtsvorlagen der EU-Taxonomie werden verkürzt und gestrafft, indem die Anzahl der gemeldeten Datenpunkte für Nicht-Finanzunternehmen um 64% reduziert wird, ohne dass wesentliche Informationen verloren gehen. Vorlagen werden wie folgt überarbeitet:
- Zusammenfassende KPI-Vorlage (Vorlage 1): eine neue Übersichtstabelle für die drei KPIs, in der der Anteil an Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben aus Produkten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten dargestellt wird (eine Zeile pro KPI). In der Vorlage wird eine neue Spalte für den Anteil der Wirtschaftstätigkeiten eingeführt, die nicht bewertet wurden, weil sie als unwesentlich eingestuft werden.
- Vorlage für die Aktivitätsauflistung (Vorlage 2): enthält eine Auflistung der bewerteten Wirtschaftstätigkeiten und die Vorlage muss für jeden KPI repliziert werden. In Vorlage 2 wird eine neue Kennzahl eingeführt, die den Anteil der taxonomiekonformen KPI innerhalb der taxonomiefähigen KPI widerspiegelt.
- Die vollständigen Vorlagen in Anhang XII für die Anteile der Wirtschaftstätigkeiten mit Bezug zu Gas und Kernenergie werden gelöscht.
Vereinfachung der generischen DNSH-Kriterien zur Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Anhang C):
- Klarstellung, dass Ausnahmeregelungen gemäss den geltenden EU-Umweltrechtsvorschriften in Bezug auf Ozon abbauende Stoffe und gefährliche Stoffe im Rahmen der RoHS-Richtlinie2 gültig sind.
- Streicht den zusätzlichen Absatz nach Buchstabe f von Anhang C betreffend «andere Stoffe»: die zusätzliche Anforderung zur Bewertung von Stoffen, die nach der CLP-Verordnung selbst eingestuft sind3, wurde gestrichen. Jetzt sind nur noch Stoffe erfasst, die auf der REACH4-Kandidatenliste aufgeführt sind. Dadurch verringert sich die Zahl der von den Unternehmen zu prüfenden Stoffe erheblich.
Finanzinstitute:
- Zweijährige Entlastungsmöglichkeit zur Nichtbekanntgabe der Taxonomie-Vorlagen: Solange die Kommission ihre eingehende Überprüfung der EU-Taxonomie-Offenlegungsvorschriften und der technischen Prüfkriterien nicht abgeschlossen hat, dürfen Finanzinstitute keine detaillierten Taxonomie-Offenlegungsvorschriften mehr veröffentlichen. Voraussetzung ist, dass sie in ihrem Lagebericht eine entsprechende Erklärung veröffentlichen, aus der hervorgeht, dass sie nicht behaupten, dass ihre Tätigkeiten im Rahmen der Taxonomie-Verordnung mit umweltverträglichen Tätigkeiten verbunden sind.
Weitere erwartete Änderungen
Als Nächstes wird die Kommission eine systematische und gründliche Überprüfung der Berichtspflichten sowie aller technischen Prüfkriterien – insbesondere aller DNSH-Kriterien – vornehmen, um zu ermitteln, wie diese einfacher, besser anwendbar und besser mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden können.
Mit der noch im Rahmen des ersten Omnibus-Vereinfachungspakets erörterten CSRD-Inhaltsrichtlinie sind darüber hinaus weitere Änderungen zu erwarten. Der ursprüngliche Vorschlag für die CSRD-Inhaltsrichtlinie beinhaltete eine Überarbeitung des Geltungsbereichs der EU-Taxonomie-Verordnung, wobei die obligatorischen Taxonomie-Offenlegungen auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von EUR 450 Mio. beschränkt wurden. Für Unternehmen unterhalb der Schwellenwerte würde eine «Opt-in»-Regelung zur Verfügung stehen, die den Unternehmen eine freiwillige Berichterstattung ermöglicht.
Darüber hinaus wurde mit der vorgeschlagenen CSRD-Inhaltsrichtlinie das Konzept der «teilweisen Konformität» eingeführt, welches es Unternehmen ermöglicht, Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit offenzulegen, auch wenn die vollständige Konformität noch nicht erreicht wurde. Diese zusäzlichen geplanten Änderungen müssen noch festgelegt und angenommen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben sie keine Auswirkungen auf den Geltungsbereich und die Anwendung der Taxonomie-Verordnung.
Zeitplan
Die in diesem delegierten Rechtsakt vorgesehenen Vereinfachungsmassnahmen gelten ab dem 1. Januar 2026 und beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2025. Den Unternehmen wird jedoch die Möglichkeit eingeräumt, die Massnahmen erst ab dem Geschäftsjahr 2026 anzuwenden, sofern sie dies für zweckmässiger halten und gleichzeitig unangemessene Befolgungskosten vermeiden möchten.
Der delegierte Rechtsakt wurde dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU zur Prüfung vorgelegt. Die Änderungen treten nach Ablauf der viermonatigen Kontrollfrist, die um zwei Monate verlängert werden kann, in Kraft.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Die Vereinfachungsmassnahmen wirken sich in erster Linie auf die Berichtsfristen und -pflichten der Unternehmen aus. Eine Vereinfachung der Bewertungskriterien (mit Ausnahme von DNSH Anhang C) ist noch nicht vorgesehen.
Einige Unternehmen müssen einen vorgeschriebenen Weg zur Konformität nach der EUTR einhalten, andere hingegen hätten potenziell die Möglichkeit, diese auf freiwilliger Basis als Rahmen für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung, Bewertungen und strategischen Prioritäten zu nutzen und ihre Konformität darzustellen. Im Einzelnen heisst das:
- Nach CSRD berichtspflichtige börsenkotierte Grossunternehmen der «Welle 1» setzen die Berichterstattung im Einklang mit der EUTR fort und profitieren dabei von vereinfachten Vorlagen und Wesentlichkeitsschwellen.
- Von nicht börsenkotierten Grossunternehmen, die unter den aktualisierten Anwendungsbereich der CSRD fallen, wird erwartet, dass sie den Weg zur Konformität weiterverfolgen. Sie können den vorgeschlagenen Aufschub jedoch nutzen, um sich auf ihre Pflichten im Rahmen der Taxonomie vorzubereiten
- Unternehmen, die sich freiwillig für ein «Opt-in» entscheiden würden, könnten prüfen, ob die EUTR für sie eine Chance darstellt und sie von der Möglichkeit profitieren können, über teilweise Konformität5 Bericht zu erstatten. Sie können die EUTR-Kriterien allgemein als strategisches Instrument nutzen, um einen schrittweisen Übergang zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit in ihren Tätigkeiten herbeizuführen.
Da die Bewertungskriterien noch nicht überarbeitet oder geändert werden6, können Unternehmen ihre früheren Investitionen nutzen, um Konformität zu erzielen, da sie weiterhin den Anforderungen des regulatorischen Rahmens entsprechen. Unternehmen können somit sicher sein, dass ihre Bemühungen um Konformität weiterhin die Berichtsanforderungen erfüllen – auch wenn sich die Berichtspflichten weiterentwickeln.
Schliesslich kann im Fall von Schweizer Unternehmen – wie bei allen in Drittstaaten ansässigen Muttergesellschaften – der Umfang der Berichtspflichten die Entscheidung beeinflussen, ob auf konsolidierter (Schweizer) Konzernebene oder auf Ebene der EU-Tochter berichtet wird.