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Geopolitik, Steuerreform und Regulierung: Ist der Wirtschafts-Standort Schweiz in Gefahr in unruhigen Zeiten?


Welche Auswirkungen haben geopolitische Unsicherheiten auf die Schweizer Wirtschaft, Investitionen, Steuern und Unternehmen?


Im Überblick

  • Über 70% der Schweizer Unternehmen haben Investitionen generell wegen geo- und handelspolitischer Unsicherheiten gestoppt oder verschoben
  • Schweiz bleibt als Wirtschafts-Standort attraktiv, wird aber durch geopolitische Unsicherheiten gebremst, wie bei M&A
  • Knapp die Hälfte der Schweizer Unternehmen (46%) planen M&A-Aktivitäten in den nächsten 12 Monaten
  • Gerade in volatilen Zeiten ist für (multinationale) Konzerne das liberale, vorhersehbare Schweizer Rechtssystem ein relevanter Standortvorteil
  • USA investieren 69% mehr in der Schweiz

Welche Auswirkungen haben die globale Mindestbesteuerung und geopolitischen Unsicherheiten - und wie meistert die Schweiz den Balanceakt zwischen Offenheit und regulatorischer Souveränität? In einer Zeit wachsender Unsicherheit durch geopolitische Spannungen, protektionistische Tendenzen im Welthandel und steuerliche Reformen steht auch der stabile Wirtschaftsstandort Schweiz vor grossen Herausforderungen. Viele Unternehmen stoppen Investitionen und M&A-Aktivitäten geraten ins Stocken. Die Schweiz hat sich über Jahrzehnte als attraktiver Standort für internationale Investoren – insbesondere aus den USA – etabliert. Doch aktuelle Entwicklungen im globalen Freihandel und auch die viel diskutierten Zölle gefährden diese Positionierung. Gleichzeitig gilt es, im Inland die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen aktiv zu gestalten, um den Standort Schweiz auch in einem zunehmend herausfordernden Umfeld zu stärken.

Die Schweiz und die globale Mindestbesteuerung

Mit der Einführung der nationalen Ergänzungssteuer für grosse multinationale Unternehmen (QDMTT) im Januar 2024 und der internationalen Ergänzungssteuer (IIR) ein Jahr später hat sich die steuerliche Wettbewerbslandschaft in der Schweiz spürbar verändert. Die effektive Steuerbelastung ist gestiegen. Was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort Schweiz? Eine rein fiskalische Betrachtung greift zu kurz. Zielführender ist es, die Position der Schweiz als kleines, aber stark global vernetztes Land im Kontext der wirtschaftlichen und politischen Dynamiken ihrer Partner – insbesondere der EU und den USA – zu betrachten.

Besonders wirft die die Haltung der Vereinigten Staaten Fragen auf. Präsident Trumps Äusserung, das OECD-Abkommen zur Mindestbesteuerung habe in den USA „keine Gültigkeit oder Wirkung“, sorgt international für Verunsicherung. Die US-amerikanische Haltung ist dabei kritisch, aber nicht kategorisch ablehnend. Vielmehr verlangt Washington spezifische Ausnahmeregelungen zum Schutz der eigenen Unternehmen.

Zugleich bleibt die Schweiz für viele US-Konzerne ein zentraler Standort – ein Faktor, den die Schweizer Politik aktuell berücksichtigt. So hat man bislang bewusst auf die Einführung der UTPR (Undertaxed Profit Rule) verzichtet – ein Zeichen vorsichtiger Distanz zur OECD-Linie. Es ist auch durchaus angebracht, dass die Schweiz sich kritisch zur globalen Mindeststeuer äussert, da aufgrund des «Ausstiegs» der USA grosse Wettbewerbsnachteile für EU und schweizerische Konzerne im Vergleich zu ihren US-amerikanische Konkurrenten resultieren werden. Ein überhasteter Ausstieg aus dem Regelwerk würde aber dennoch mehr schaden als nützen. Der potenzielle Reputations- und Standortschaden könnte erheblich sein – das wäre derzeit der falsche Weg.

Standortpolitik: Mehr als nur Steuersätze

Mit dem schrittweisen Verlust steuerlicher Anreize stellt sich die Frage nach alternativen Hebeln zur Sicherung der Standortattraktivität. Hier kommen die bewährten Stärken der Schweiz zum Tragen: ein schlanker Regulierungsrahmen, wirtschaftliche Freiheit und ein robuster Schutz des geistigen Eigentums. In vielen europäischen Ländern hingegen ist eine Regulierungsflut erkennbar, die Innovation bremst. Die Schweiz hat sich bislang erfolgreich ein gewisses Mass an Flexibilität bewahrt – ein Vorteil, den es zu nutzen und auszubauen gilt.

Es ist aber auch in der Schweiz Reformbedarf nötig: Im globalen Vergleich, insbesondere gegenüber den USA, besteht Aufholbedarf – etwa bei der Geschwindigkeit von Genehmigungsprozessen oder in der strategischen Förderung von Schlüsselindustrien.

Unternehmensreaktionen auf geopolitische Unsicherheiten

Wie begegnen Unternehmen der wachsenden Unsicherheit rund um die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung, den jüngsten protektionistischen Signalen, etwa durch Zolldrohungen und Zollsanktionen sowie geopolitischen Veränderungen? Es gibt aktuell zwei Hauptreaktionen von Unternehmen auf die wachsenden Unsicherheiten: Einerseits das verstärkte Engagement auf Policy-Ebene, etwa durch eine proaktivere Teilnahme an Konsultationen. Das ist entscheidend – denn eine wirtschaftspolitische Regulierung ohne wirtschaftliche Stimme wird zwangsläufig an der Realität vorbeisteuern.

Andererseits ist eine intensive strategische Auseinandersetzung von Unternehmen mit Risiken feststellbar. Das erhöht die Nachfrage nach Expertenwissen in diesen Bereichen. Diese Beratung zielt oft darauf, kurzfristige Schocks – etwa Zollbelastungen oder regulatorische Unsicherheiten – abzufedern, unter anderem durch umfassende Szenarioanalysen mit robusten Handlungsempfehlungen für verschiedene geopolitische Entwicklungspfade.

Die Komplexität liegt hier insbesondere in den global verzweigten Lieferketten. Diese lassen sich nicht ohne Weiteres national neu ausrichten – zu stark sind die internationalen Abhängigkeiten. Dennoch gibt es Stellschrauben zur Optimierung, beispielsweise durch gezielte Standortanalysen, durch Sensitivitätsmodelle und durch flexible Strukturen, die eine Anpassung an kurzfristige politische Entwicklungen ermöglichen. Ziel ist ein resilienter Ordnungsrahmen, sowohl operativ als auch strategisch.

Investitionskontrollen: Abschottung oder Offenheit?

Im Unterschied zur EU oder den USA ist die Schweiz in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen bislang sehr liberal. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen – etwa bei Investitionen aus China – stellt sich die Frage nach der Einführung von Investitionskontrollmechanismen. Für die Schweiz wären solche Instrumente kontraproduktiv.

Der Standort Schweiz hat sich über Jahrzehnte als verlässlich, offen und unternehmerfreundlich positioniert. Dieser Ruf ist ein zentrales Kapital, das es zu bewahren gilt. Gerade für multinationale Konzerne ist das liberale, vorhersehbare Schweizer Rechtssystem ein Standortvorteil. Investitionskontrollen nach dem Vorbild der EU oder der USA könnten dieses Vertrauen untergraben und das Investitionsklima empfindlich stören. Statt regulatorischer Abschottung sollte die Schweiz ihren Fokus auf Rahmenbedingungen legen, die Offenheit mit Sicherheit in der Sache verbinden. Beispielsweise mittels sektorenspezifischer Regeln dort, wo berechtigte nationale Interessen betroffen sind.

Dennoch nimmt der Druck zu: Die neue US-Regierung fordert von ihren Partnern ein härteres Vorgehen gegen chinesische Investoren. Die Schweizer Rechtsordnung zeichnet sich durch Verlässlichkeit und marktwirtschaftliche Offenheit aus. Diese Prinzipien sollten nicht vorschnell aufgegeben werden.

Darüber hinaus verschieben sich die geopolitischen Kräfteverhältnisse. Anpassungen sind denkbar aber nur aus strategischer Perspektive und nicht als direkte Reaktion auf bilateralen Druck.

Studien belegen: CEOs weltweit sind besorgt

Diese Unsicherheiten zeigen sich auch in den Sorgen der Wirtschaftskapitäne und Unternehmen weltweit und werden durch Zahlen belegt. Gemäss einer Studie von EY Parthenon vom April 2025 haben 94% der Unternehmen weltweit Zeit und Ressourcen für geopolitische Themen erhöht – mehr oder weniger alle. Im Juni 2025 publizierten EY CEO Outlook bezeichnen 42% von weltweit befragten Führungskräften die aktuelle geo- und handelspolitische Unsicherheit als Hauptrisiko für ihr Unternehmen. In der Schweiz teilen sogar mehr als die Hälfte (52%) der Befragten diese Meinung.

Geopolitische Sorgen
der befragten Schweizer CEOs sind sehr besorgt über die Auswirkungen möglicher neuer Zölle oder Zollerhöhungen – weltweit sind es sogar 50%.

Und vielleicht das alarmierendste aus ökonomischer Sicht:

Investitionen
der Schweizer Unternehmen haben Investitionen generell wegen geo- und handelspolitischer Unsicherheiten gestoppt oder verschoben, weltweit sind es sogar noch mehr.

Wirtschaftsstandort im Wandel: Attraktivität der Schweiz im internationalen Vergleich und bei M&A Aktivität

Es gibt positive Signale in unsicheren Zeiten. Ausländische Direktinvestitionen in der Schweiz sind deutlich gestiegen. Die Zahl, der von ausländischen Unternehmen in der Schweiz angekündigten Investitionsprojekte stieg, gemäss der EY European Attractiveness Survey, in welcher Investitionsprojekte ausländischer Unternehmen in Europa analysiert werden, im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 24,7% von 89 auf 111. Noch im Jahr 2022 wurden bloss 58 Investitionen gezählt.

USA
investieren die USA mehr in der Schweiz.

Damit kann in der Schweiz in unsicheren Zeiten eine gegenläufige Entwicklung festgestellt werden, wie sie in Europa registriert wird: Europaweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5383 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt, das entspricht einem Rückgang von 5%. Das positive Bild für die Schweiz zeigt sich aber nicht überall, wie ein Blick in den M&A Bereich zeigt.
 

Denn die geopolitische Unsicherheit zeigt sich längst in der gängigen M&A-Praxis. Insbesondere Unternehmen mit stark europäischer Ausrichtung agieren derzeit deutlich zurückhaltender bei grenzüberschreitenden Expansionsplänen. Auch bei Transaktionen mit US-Bezug wird genauer hingeschaut – etwa bei der Bewertung amerikanischer Zielunternehmen, wo die Unsicherheit über künftige handelspolitische Rahmenbedingungen zunehmend eingepreist wird.
 

Der Trend weist klar auf eine stärkere Risikodifferenzierung hin. Politische Volatilität ist längst nicht mehr nur ein Hintergrundrauschen, sie ist zu einem wichtigen Faktor in der strategischen Entscheidungsfindung von Unternehmen geworden. Das betrifft nicht nur Bewertungsfragen, sondern zunehmend auch das Timing und die Anzahl der Transaktionen.
 

Ein grundsätzlicher Strategiewechsel zeichnet sich jedoch nicht ab. Der Markt reagiert nicht in Echtzeit, solche Verschiebungen benötigen Zeit. Bemerkenswert ist, dass Transaktionen innerhalb Europas momentan mit weniger Komplexität verbunden sind. Das führt dazu, dass europäische Ziele gerade aus regulatorischer Sicht tendenziell bevorzugt werden. In Branchen wie Immobilien ist die Aktivität weiterhin hoch, während in anderen Bereichen – etwa im Private-Equity-Segment – Transaktionen teils aufgeschoben werden.
 

Noch hat sich der Markt nicht grundsätzlich neu ausgerichtet, aber es gibt erste Indikatoren dafür, dass Nähe und regulatorische Stabilität bei Investitionsentscheidungen wieder stärker ins Gewicht fallen.
 

Dazu kommen weitere Faktoren. Die geopolitische Lage, insbesondere die handelspolitischen Spannungen, erschwert verlässliche Bewertungen. In einigen Sektoren ist kaum absehbar, welcher Zoll- oder Regulierungsrahmen mittelfristig gelten wird. Das macht Abschlüsse deutlich komplexer. Hinzu kommt, dass die Schweiz zwar ein stabiler Markt ist, doch sie ist nicht immun gegenüber globalen Verwerfungen. Aufgrund der starken internationalen Verflechtung – gerade bei exportorientierten KMUs – ist die Exposition vieler Unternehmen breit gestreut. Besonders bei jenen mit signifikanten Absatzmärkten in den USA entstehen derzeit strukturelle Herausforderungen, die das Investoreninteresse dämpfen können. Die grundsätzliche Attraktivität des Schweizer Marktes bleibt zwar bestehen, gerade aufgrund von Know-how, Innovationskraft und Rechtssicherheit. Aber in der aktuellen Lage sind viele Investoren zurückhaltender.

Ausblick: M&A-Standort Schweiz bleibt stark aber liegt hinter den Möglichkeiten

Die strukturelle Stärke der Schweiz ist unbestritten. Das zeigt sich auch im internationalen Vergleich. Die Schweiz ist jedoch eng in die globalen Kapital- und M&A-Märkte eingebunden. Wenn diese florieren, profitiert der Schweizer Markt ebenfalls, wenn sie stocken, spürt man das rasch. Aufgrund der kleinen Marktgrösse führen zudem einzelne Grossprojekte immer wieder zu statistischen Ausreissern. Bereits vor den jüngsten geopolitischen Spannungen insbesondere den transatlantischen Friktionen hatte sich das M&A-Volumen auf einem niedrigen Niveau stabilisiert.

Derzeit bestimmen zyklische Bewegungen den Markt, die durch geopolitische Unsicherheit gebremst und überlagert werden. Die Grunddynamik des Marktes bleibt intakt, doch sie wird derzeit durch eine Art strategischen Stillstand gebremst.

Es gibt aber auch positive Signale: Trotz Unsicherheit planen gemäss dem EY CEO Pulse fast die Hälfte der Schweizer CEOs (46%) in den kommenden 12 Monaten mindestens eine Fusion oder Übernahme zu tätigen.

Geopolitische Risiken auf VR-Ebene: Handlungsempfehlungen in einer Ära der Unsicherheit

In einer zunehmend instabilen Weltordnung sind geopolitische Entwicklungen nicht mehr nur ein Randthema, sondern ein zentraler Bestandteil strategischer Unternehmensführung. Für Verwaltungsräte bedeutet dies, sich verstärkt mit geopolitischen Risiken auseinanderzusetzen – sowohl präventiv als auch reaktiv. Dabei ergeben sich mehrere Handlungsfelder, die in der Gremienarbeit berücksichtigt werden sollten.

Zunächst ist es sicherzustellen, dass die Unternehmung ein strukturiertes geopolitisches Frühwarnsystem etabliert hat. Geopolitische Szenarien und deren Auswirkung auf die Unternehmung sowie der enge Austausch mit dem Management und das kritische Hinterfragen von Entscheidungen stehen dabei im Zentrum. Der Dialog mit internen und externen Stakeholdern, regelmässige Briefings durch externe Experten oder spezialisierte Beratungen erleichtern es, aktuelle Entwicklungen einzuordnen und deren potenzielle Auswirkungen auf das Unternehmen zu verstehen. Um diese Anstrengungen weiter zu professionalisieren kann ein externer geopolitischer Beirat oder ein Advisory Board in Betracht gezogen werden. Geopolitik ist im aktuellen Umfeld eine Priorität für jeden Verwaltungsrat einer international tätigen Unternehmung. Der Verwaltungsrat trägt eine Mitverantwortung, Risiken frühzeitig zu erkennen und strategisch kluge Entscheidungen zu treffen.

Zusammenfassung

Was sind die Auswirkungen der globalen Mindestbesteuerung und geopolitischen Unsicherheiten und wie meistert die Schweiz den Balanceakt zwischen Offenheit und regulatorischer Souveränität? In einer Zeit wachsender Unsicherheit durch geopolitische Spannungen, protektionistische Signale und steuerliche Reformen steht auch der stabile Wirtschaftsstandort Schweiz vor Herausforderungen. Viele Unternehmen stoppen Investitionen, M&A-Aktivitäten geraten ins Stocken – und dennoch bleibt die Schweiz attraktiv für internationale Investoren.


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