Wie können Sie digitale Risiken in Wettbewerbsvorteile verwandeln?

Von Amy Brachio

EY Global and Americas Advisory Risk Leader

Industry leader in risk management. A voice for working women. Passionate about diversity and inclusiveness. Mother. Wife.

15 Minuten Lesezeit 7 Juni 2018

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Im Zeitalter der Transformation ist das Risikomanagement der zentrale Schlüssel zu den strategischen Vorteilen der Disruption.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zum Thema digitales Vertrauen.

Das transformative Zeitalter ist von einer bisher nie gekannten Geschwindigkeit und einem tiefgreifenden Wandel geprägt. Damit Schritt zu halten, wird zu einer echten Herausforderung. Disruption geschieht fortlaufend. Meist beginnt sie schrittweise und ist nur schwer erkennbar. Doch sie nimmt an Fahrt auf, wenn neue Technologien und Geschäftsmodelle heranreifen. Märkte wandeln sich, Ziellinien verschieben sich. Genauso, wie sich die Mitspieler und selbst die Spielregeln ändern.

Unternehmen, die diese Disruption nicht proaktiv bearbeiten, müssen sich auf eine ungewisse Zukunft einstellen – und vielleicht sogar damit rechnen, dass sie überflüssig werden. Viele der größten Veränderungen des digitalen Zeitalters haben sowohl Vor- als auch Nachteile: Chancen, die es zu ergreifen und Gefahren, die es zu meiden gilt.

Unternehmen mussten sich schon immer zwischen diesen beiden Polen des Wandels bewegen. Doch nun, in einer zunehmend volatilen Welt – politisch, ökonomisch, technologisch, umweltbezogen und demographisch – müssen wir Organisationsstrukturen neu denken und Risiken völlig neu bewerten. Dazu gehört auch zu hinterfragen, wie die Risikofunktion selbst arbeitet.

Heute ist es die größte Herausforderung, eine Risikokultur durch die Integration der Risikofunktionen zu entwickeln und Risiken in die strategische Entscheidungsfindung durch die C-Suite und den Vorstand einzubetten, damit echte Wertschöpfung stattfinden kann. Risiko-Experten und ihre Unternehmen müssen auf ihre Daten, Tools und Fähigkeiten vertrauen können, um sich der Disruption mit Selbstvertrauen zu stellen, neue Werte zu generieren und eine profitable Marktposition zu erreichen. Die meisten Organisationen sind bereits sehr gut darin, ihre Fehler zu reflektieren. Ihr Denken und ihre Kultur sind auf Risikovermeidung ausgerichtet, ohne aber mögliche Opportunitätsverluste zu berücksichtigen. Um im Zeitalter der Transformation zu überleben und erfolgreich zu sein, müssen Risikofunktionen jedoch eine dualistische Sichtweise entwickeln – aus der Vergangenheit lernen und dabei die Zukunft im Blick behalten.

Doch wie lassen sich sachkundige Entscheidungen treffen, wenn sich die Rahmenbedingungen ständig verändern? Und wie wissen Unternehmen in einer Welt, in der es das größte Risiko ist, zu langsam zu sein oder nichts zu tun, wie weit sie die Grenzen verschieben können?

Person am Kletterfelsen mit dreifacher Sicherung
(Chapter breaker)
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Kapitel 1

Die drei Risikoarten verstehen

Aufwärts-, Abwärts- und externe Risiken.

In meinem vorherigen Artikel habe ich untersucht, wie Wert und Risiko miteinander verwoben sind – entlang der gesamten unternehmerischen Wertschöpfungskette.

Um es auf den Punkt zu bringen: Keine Risiken bedeutet keine Wertschöpfung. Zugleich begeben sich aber Unternehmen, die ihre Risiken nicht adäquat einschätzen und managen, in einen direkten Abstieg. Allerdings geht es nicht nur darum, die richtige Anzahl an Risiken einzugehen, sondern auch darum, den Unterschied zwischen den einzelnen Risikoarten zu erkennen und zu wissen, welche man eingehen sollte und welche nicht.

Es könnte kaum mehr auf dem Spiel stehen. Das Geschäftsleben hat heute ein atemberaubendes Tempo: Laut einer aktuellen Studie betrug die Lebensdauer eines S&P-500-Unternehmens im Jahre 1964 noch 33 Jahre. Diese Zahl soll bis 2027 auf 12 Jahre sinken.

In einem solch unsteten Umfeld ist ein erster und wichtigster Schritt für jedes Unternehmen, die Natur und das Ausmaß unterschiedlicher Risikoarten zu verstehen. Natürlich nur, wenn es aus der Volatilität der digitalen Massentransformation Vorteile ziehen will.

Erfolgreiche Unternehmen in diesem transformativen Zeitalter erkennen die Unterschiede zwischen den folgenden drei Risikovarianzen und bestimmen einen Kurs, der sie sicher hindurch manövriert und zu echter Wertschöpfung führt. Doch dafür braucht es ein wesentlich ganzheitlicheres und differenzierteres Verständnis darüber, wie unterschiedliche Risiken nicht nur das Unternehmen und seine einzelnen Funktionen, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette beeinflussen. Risiken zeigen sich in drei deutlichen Formen:

  1. Abwärtsrisiken: haben einen ausschließlich negativen Effekt auf das Unternehmen. Es hat keinen Sinn, diese Risiken einzugehen, sondern es gilt, sie zu eliminieren, zu kontrollieren beziehungsweise zu minimieren oder zu transferieren, um Werte zu sichern und Schaden abzuwenden. Sie bieten kaum oder keine Chancen (ohne eine clevere PR-Strategie, die beweist, wie gut das Unternehmen auf sie antwortet). Zu diesen Risiken gehören Informationssicherheit und Cyberkriminalität, Mitarbeiterbetrug und regulatorische Compliance. Diese Risiken müssen vollständig verstanden und minimiert werden.
  2. Aufwärtsrisiken: beziehen sich direkt auf die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Geschäftsstrategie und -ziele umzusetzen. Sie liefern Wertschöpfungs- und Wachstumschancen – bei einer Risikonutzung zur Identifikation der besten Allokationsmöglichkeiten für das Unternehmenswachstum. Chancen, neue Kunden durch Innovationen zu gewinnen oder Marktanteile zu erobern, oder die Wertschöpfung aus neuen Assets und Mitarbeitern gehören dazu. Aufwärtsrisiken sollten im direkten Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie bewertet werden; die Organisation sollte sich fragen: „Mit welchem Risiko schaffen wir den größten Wert?“
  3. Externe Risiken: können einen positiven und negativen Einfluss haben, sind jedoch unvorhersehbar, da sie sich außerhalb des unternehmerischen Einflussbereichs abspielen. Dazu gehören beispielsweise die Vorgehensweisen bestehender und neuer Wettbewerber sowie geopolitische, ökonomische, demografische und umweltbezogene Megatrends, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Unternehmen haben können. Es gilt, sich der Vor- und Nachteile dieser Risiken klar bewusst zu werden, um schneller und effektiver als die Konkurrenz reagieren zu können und einen positiven Nutzen zu schaffen.

Der effektive Umgang mit diesen Risiken verlangt nach einem Wandel im taktischen Risikomanagement und in der Unternehmenskultur.

Früher wurden Risiken auf zwei Ebenen bewertet: möglicher Einfluss und Wahrscheinlichkeit. Doch in unserem transformativen Zeitalter ist eine dritte, überaus wichtige Dimension hinzugekommen: Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit gibt an, wie schnell und in welchem Maße ein Abwärtsrisiko Schaden oder Verlust verursachen kann, wenn es nicht verhindert wird. Außerdem hält sie fest, wie schnell das Wachstum ist, wenn ein Aufwärtsrisiko genutzt wird.

Dies bedeutet, dass Risikoexperten ihre Geisteshaltung von der kompletten Risikovermeidung zur Identifizierung strategischer Aufwärtsrisiken verändern müssen – und dabei nach Möglichkeiten suchen, aus der Vergangenheit zu lernen, während sie gleichzeitig die Zukunft im Blick haben. Und dies müssen sie in Echtzeit tun. Mit ihrer Agilität können sie dafür sorgen, dass ihr Unternehmen schnell genug handelt und Chancen ohne Rücksicht auf deren Geschwindigkeit ergreift. Gerade in diesem Punkt sehen wir das größte Disruptionspotential für Risikofunktionen. Und Technologien helfen ihnen dabei, sich selbst im transformativen Zeitalter neu aufzustellen.

So können interne Audit- und Compliance-Funktionen beispielsweise durch Robotic Process Automation (RPA) effizienter werden und größere Datenmengen in kürzerer Zeit prüfen. Ein besseres Datenmanagement führt zu einem besseren Echtzeit-Reporting, was die unternehmerische Entscheidungsfindung unterstützen kann. Künstliche Intelligenz hilft zu identifizieren, wo etwas schieflaufen könnte – und zwar bevor es passiert.

Durch solche Optimierungen können Unternehmen wesentlich souveräner agieren, Probleme schneller identifizieren und im Idealfall von Anfang an verhindern. So können sich die Risikoexperten der Zukunft stärker auf externe und Aufwärtsrisiken konzentrieren und bessere Entscheidungen im Unternehmen ermöglichen, mit denen sich strategische Langzeitziele erreichen lassen. 

Kollegen arbeiten an 3D-Druck
(Chapter breaker)
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Kapitel 2

Aufbau einer wertschöpfenden Risikofunktion für das transformative Zeitalter

Neue Daten, Technologien, Strukturen, Ökosysteme und Fertigkeiten.

Indem sie Risiken und Unsicherheit aktiv angehen, können Unternehmen radikal wachsen und Wert schöpfen. Doch dies lässt sich nicht erreichen, wenn man blind auf das Ungewisse zurennt. Die Risikofunktion muss den strategischen Entscheidungsträgern Selbstvertrauen verleihen, damit diese Chancen aus Risiken ergreifen können, sobald sie sich bieten.

Dafür muss die Risikofunktion selbst sicherstellen, dass ihre Analysedaten als verlässlich, vertrauenswürdig und glaubwürdig angesehen werden – selbst in diesen unsicheren Zeiten des schnellen Wandels. Die Transformation der Risikofunktion besteht aus mehreren miteinander verbundenen Elementen:

  • Neue Daten: Daten sind keine Produkte oder Prozessergebnisse mehr, sondern Assets, die einen Wettbewerbsvorteil schaffen und Risikowissen zur strategischen Entscheidungsfindung liefern. Daten sind der wichtigste Vermögenswert für ein Unternehmen. Jedoch lassen sie sich schwer taxieren. Das Datenmanagement sollte zudem versuchen, mit den komplexen technologischen Entwicklungen, auch in Bezug auf Cyberkriminalität, Schritt zu halten, was nicht immer gelingt. Immer häufiger liefern Daten-Aggregatoren, Analytik und Technologien für maschinelles Lernen die neue strukturelle Basis, die alle anderen datengetriebenen Aktivitäten fördert. Vorstände und C-Suites verlangen von Risikofunktionen, dass diese die riesigen Datenmengen vereinfachen und daraus prognostische Informationen ableiten, denen die Entscheider bei ihren strategischen Aufgaben vertrauen können.
  • Neue Technologien: Der Risikoexperte der Zukunft nutzt innovative digitale Technologien und Lösungen, um völlig neue Formen von Erkenntnissen zu generieren: Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) schenkt den Analysten mehr Zeit, sich um strategische Aufgaben zu kümmern; Drohnen helfen bei der Inventur und beim Prozess-Audit; und Chatbots eröffnen neue, effiziente Kanäle für die Kundeninteraktion. Immer raffiniertere Formen von künstlicher Intelligenz und vernetzten Technologien vergrößern das Toolkit des Risikomanagers der Zukunft. Diese Technologien liefern prognostische Analysen und Erkenntnisse, indem sie Zukunftsszenarien modellieren, anhand derer Pläne entworfen und Hypothesen getestet werden können. Zudem machen es diese Modelle möglich, Probleme frühzeitig abzufangen. Denn sie beruhen auf fortschrittlichem Wissen anstatt auf reiner Reaktion und Verteidigung.
  • Neue Strukturen: Risikofunktionen müssen sich auch damit beschäftigen, wie sich ihre Arbeit innerhalb der Organisation verändert. Heute setzen Unternehmen meist auf das klassische Risikomanagementmodell der „drei Verteidigungslinien“ bzw. sie arbeiten darauf hin. Dieses Modell hat in diesem Zeitalter sich schnell verändernder Risiken durchaus einen restriktiven Charakter. Zwar gelten grundsätzliche Prinzipien auch weiterhin, doch braucht es ein viel höheres Maß an Agilität, um sich den Herausforderungen des transformativen Zeitalters zu stellen. Mit Echtzeitmodellen zum Risiko-Reporting und einem kontinuierlichen Monitoring werden mitunter auch Modifizierungen der Reporting-Strukturen nötig, damit Informationen pünktlich an die relevanten Adressaten weitergegeben werden können. Zusätzlich zieht dies möglicherweise eine Konvergenz einzelner Funktionen sowie andere Risikoaktivitäten nach sich. Werden Teile der Risikofunktion automatisiert und konzentrieren sich Risikoexperten zunehmend auf strategische Erkenntnisse, muss sich die Unternehmenskultur ebenfalls wandeln. Damit wird sichergestellt, dass das Risikobewusstsein zur abteilungsübergreifenden Aufgabe wird.
  • Neue Ökosysteme: Die komplexe und vernetzte Natur digitaler Risiken – die in jedem Bereich der Wertschöpfungskette entstehen – führt dazu, dass die Risikofunktion der Zukunft einen ökosystembasierten Risikomanagementansatz verfolgen muss. Unterschiedliche Organisationen, Abteilungen innerhalb einer Organisation und relevante Dritte müssen Risikowissen miteinander teilen und ihre Gegenmaßnahmen im Netzwerk abstimmen, um mit dem Wandel ihres Umfelds Schritt zu halten. Diese Entwicklung sehen wir bereits mit Dienstprogrammen, die der Datensammlung für das Third-Party-Risikomanagement dienen und über die Daten zu Cyberbedrohungen geteilt werden. 
  • Neue Skills: um diese neuen Tools, Strukturen und Ökosysteme zu nutzen, braucht es eine neue Art von Risikoanalysten. Sie müssen sich der politischen, finanziellen und umweltbezogenen Makrotrends bewusst sein. Sie müssen in der Lage sein, unterschiedlichste Rollen innerhalb des Unternehmens einzunehmen – und mit der C-Suite bzw. dem Vorstand bei strategischen Risikoentscheidungen zusammenzuarbeiten, während sie gleichzeitig mit vertikalen Managern entlang der gesamten Lieferkette interagieren. Sie sollten außerdem gewisse Soft Skills mitbringen, um die Risikokultur in ihrem Unternehmen zu beeinflussen, das Risikobewusstsein zu stärken und strategische Erkenntnisse in der gesamten Organisation zu distribuieren. Angesichts einer beschleunigten Risikolandschaft benötigen sie auch ein hohes Maß an intellektueller Neugier. Der Risikoexperte der Zukunft muss digital auf dem neusten Stand sein und mit Daten versiert umgehen können. Er braucht zudem ein gesundes Maß an Skepsis, wenn es um Ergebnisse automatisierter Informationsgenese geht. Um sich erfolgreich gegenüber strategischen Entscheidern zu positionieren, müssen Risikoexperten Durchhaltevermögen sowie echte Lust an Veränderung zeigen.

Die „Kunst“ des Risikomanagements wird zunehmend darin liegen, den Balanceakt zu beherrschen, den es für die Nutzung von Wissen aus Datenanalysen und automatisierten Prozessen für strategische Insights braucht. Daraus können neue Chancen entstehen, die zur Wertschöpfung beitragen. Auf die agilen Risikoexperten der Zukunft kommen große Dinge zu, wenn sie sowohl Chancen aus Risiken ergreifen als auch Risiken eindämmen können, und wenn sie in der Lage sind, Ökosysteme, Geschäftsmodelle und Standards aufzubauen, die Vertrauen und Zuversicht ermöglichen. Denn mit dem richtigen Risikoansatz wird die Risikofunktion eine wichtige Rolle für das zukünftige Unternehmenswachstum spielen.

Geschäftsfrau zeigt Kollegen Daten auf ihrem Bildschirm
(Chapter breaker)
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Kapitel 3

Die neue Rolle der Risikofunktion

Aus der Vergangenheit lernen und die Zukunft ermöglichen.

Viele Unternehmen sehen ihre Risikofunktion immer noch als eine reaktive Einheit an, die Abwärtsrisiken minimiert – sie hilft also (so früh wie möglich) bei der Identifizierung von potenziellen Schadenfällen, beim Aufhalten dieser und beim Ausfüllen der Versicherungsunterlagen.

Doch in Zeiten des (digitalen) Wandels muss das Risikomanagement einen dualen Ansatz wählen und aus der Vergangenheit lernen, während es gleichzeitig die Zukunft ermöglicht. Es muss Beziehungen zu relevanten Stakeholdern führen, um das Unternehmen beim ganzheitlichen Verständnis des eigenen Risikoprofils zu unterstützen. Die Risikofunktion muss das Unternehmen auf einen Weg des radikalen, transformativen Wachstums führen – und gleichzeitig bestehende Einnahmequellen sichern. Sie muss ihren Blick auf Abwärtsrisiken neu bewerten und neue Tools und Arbeitsweisen effektiv einsetzen, um Zeit und Ressourcen für die Konzentration auf Aufwärts- und externe Risiken freizusetzen.

Im Grunde muss sich die Risikofunktion also selbst „disrupten“. Sie muss sich vom defensiven Tool zur Kernkomponente der strategischen Entwicklung verändern, um die Organisation bei der Suche nach Möglichkeiten zu unterstützen, wie sie existente Produktlinien sichern und angemessen in Neues investieren kann. Denn nur so kann das Unternehmen den Heiligen Gral des transformativen Zeitalters finden: die Dualität des Innovators.

Damit muss sich auch der Risikoexperte der Zukunft auf diese Dualität einlassen.

Er muss auf die Vergangenheit blicken, sie verstehen und aus ihr lernen. Doch er muss eben auch ein großes Wissensnetzwerk im unternehmerischen Ökosystem anzapfen, um auf sich verändernde Risiken in Echtzeit zu reagieren, während diese entstehen.

Er muss in der Lage sein, neue Tools und eine größere Bandbreite an Fähigkeiten einzusetzen, um eine vertrauenswürdige und umfassende Analyse des unternehmerischen Risikoprofils entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erstellen.

Und – vielleicht der wichtigste Punkt – er muss Empfehlungen und Ergebnisse derart präsentieren können, dass die strategischen Führungskräfte fähig sind, kurz- und langfristige Entscheidungen zu treffen, aus denen langfristiges Wachstum entstehen kann.

Elektriker erklimmt Telefonmast
(Chapter breaker)
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Kapitel 4

Die strategische Rolle von Risiken

Sowohl den Wald als auch die Bäume sehen.

Indem Risikomanager Top-Führungskräften dabei helfen, die Risikolandschaft ihres Unternehmens zu verstehen, leisten sie einen wesentlichen Beitrag für strategische Entscheidungen. Daraus folgt, dass auch die Unternehmen selbst ihre Denkweise über Risiken und Strategien neu ausrichten müssen, da die beiden Funktionen stärker als jemals zuvor miteinander verbunden sind.

Unternehmen sollten sich der Einsicht stellen, dass punktuelle Entscheidungen, die sie alltäglich zur Risikovermeidung treffen, ihre Fähigkeit zum Erreichen langfristiger strategischer Ziele einschränken können. So können zum Beispiel komplexe Beschaffungsprozesse die Zusammenarbeit mit Start-ups schwächen, die es aber braucht, um innovative Technologien frühzeitig zu nutzen. Mit agiler Führung, Risikomanagement und Compliance kann ein Unternehmen die richtigen Steuerungsmechanismen zur Risikominimierung installieren, gleichzeitig die neuesten Technologien nutzen und so keine Chancen mehr verpassen.

Sowohl den Wald als auch die Bäume sehen.

Digitale Risiken durchdringen das unternehmerische Ökosystem in jedem Teil der Wertschöpfungskette. Damit überschreiten sie auch traditionelle Geschäftseinheiten. Und auch wenn ein ganzheitlicher Blick auf Risiken besonders wichtig ist, um die Auswirkungen digitaler Risiken auf das Unternehmen aus jeder Perspektive zu verstehen, so steckt der Teufel oft im Detail.

Ein ganzheitlicher Blick auf digitale Risiken und Chancen muss auf einen nuancierten Expertenblick abgestimmt werden – denn genau so, wie sich die Risiken der Digitalisierung in jeder Branche und in jedem Unternehmen unterschiedlich präsentieren, zeigen sie sich auch unterschiedlich in jedem Bereich eines Unternehmens. Einer zentralen Risikofunktion wird es unvermeidlich an einem nuancierten Verständnis fehlen – und deshalb ist Risiko nicht nur eine Aufgabe für Risikoexperten. Stattdessen muss effektives Risikomanagement ebenso eine gemeinsame Aufgabe sein wie die Strategieumsetzung. Nur so kann das Unternehmen erfolgreich durch das Zeitalter der Transformation manövrieren.

Im Zeitalter des Wandels entwickeln erfolgreiche Unternehmen eine Multi-Level-Strategie, um Risikoprofile – und ihre Risikobereitschaft – zu verstehen. Dies wird konsequent auf die Ziele auf strategischer Ebene ausgerichtet. Risikoanalyse wird als integraler Bestandteil der Strategieentwicklung und -umsetzung verstanden. Sie wenden agile Risikomanagementansätze an, um rasant voranschreitende Risiken vorherzusagen und zu bearbeiten, Abwärtsrisiken zu minimieren und Aufwärtsrisiken zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund sollte sich jedes Unternehmen folgende Fragen stellen:

  • Haben wir eine ausgeglichene Risikostrategie für alle Risikokategorien – aufwärts, abwärts und extern?
  • Stimmt unsere Risikobereitschaft mit unserer Unternehmenskultur und unseren strategischen Prioritäten überein?
  • Nutzen wir neue Technologien, um Abwärtsrisiken besser zu minimieren?
  • Wie beeinflusst die Automatisierung die Rollen und Verantwortlichkeiten entlang unserer Verteidigungslinien?
  • Nutzen wir unsere Daten umfassend und generieren daraus ein besseres Risikowissen für strategische Entscheidungen?
  • Ist unser Personal fähig, die sich verändernden Anforderungen der Risikofunktion zu erfüllen?
  • Arbeiten wir mit Partnern im Ökosystem zusammen, um bessere Ergebnisse zu erzielen?

Eine neue Risiko-Denkweise für das transformative Zeitalter

Das digitale Zeitalter eröffnet Möglichkeiten zur immensen Wertschöpfung. Um diese zu nutzen, müssen Unternehmen ihre Sichtweise auf Geschäft und Märkte grundlegend ändern: sowohl in Bezug auf Wertschöpfungsprozesse als auch in Bezug auf das Management der begleitenden Risiken. Ganz gleich, ob sie vermieden oder genutzt werden sollen.

Die Speerspitze dieses Paradigmenwechsels bildet eine völlig neu aufgestellte Risikofunktion: als Einheit, die die unternehmerische Agilität zur aktiven Bearbeitung von Risiken liefert, einen prognostischen Risikoansatz fördert und neue Technologien und Risikoökosysteme nutzt, um bessere Ergebnisse und geringere Kosten zu erzielen – ohne die unabhängige Perspektive zu verlieren, die beim Risikomanagement so entscheidend ist.

Doch das größte Risiko ist die Langsamkeit – oder das Nichtstun – in einer Zeit, in der die Risikogeschwindigkeit immer weiter zunimmt. Dadurch werden Unternehmen nicht nur anfälliger für aktuelle und zukünftige Risiken, sie verlieren auch das Vertrauen ihrer Shareholder, Mitarbeiter und Kunden. Und der Wettbewerb überholt sie.

 

Durch sie werden Unternehmen nicht nur anfälliger für aktuelle und zukünftige Risiken, sie verlieren auch das Vertrauen ihrer Shareholder, Mitarbeiter und Kunden. Lesen Sie mehr zu digitalem Vertrauen.

Fazit

Zukünftig wird die Digitalisierung weiterhin von allen Seiten auf uns einprasseln. Die Chancen können nur genutzt werden, wenn wir Risikofähigkeiten aufbauen, die uns mit Selbstvertrauen agieren lassen.

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Von Amy Brachio

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