Warum Mutter Teresa Millionärin hätte werden sollen


Birkenstock-Träger:innen. Tagträumer:innen. Visionär:innen ohne Vermögen. Wer an Social Entrepreneurship denkt, skizziert oft eine Art moderne Mutter Teresa im Kopf. Warum das nicht stimmt, zeigen nicht nur zahlreiche Beispiele, sondern auch vielversprechende Geschäftsfelder. 

Sozial sein und reich sein – das sind zwei Dinge, die viele fast ausschließlich mit Philanthrop:innen verbinden. Jene Glücklichen 1,1 Prozent der Weltbevölkerung, die über 45 Prozent des globalen Reichtums verfügen und sich aus dem Leben der Erwerbstätigkeit zurückziehen können, um sich sinnstiftenden Tätigkeiten zu widmen und soziale Projekte finanziell zu unterstützen. Nicht immer aber fangen Geschichten von Unternehmern mit Social Impact Business erst dann an, wenn das Geld schon da ist. Im Gegenteil — manche Ideen sind so gut, dass sie beides schaffen: Sie widmen sich einem sozialen oder ökologischen Problem und sind gleichzeitig ökonomisch erfolgreich.
Nicht immer aber fangen Geschichten von Unternehmern mit Social Impact Business erst dann an, wenn das Geld schon da ist. Im Gegenteil – manche Ideen sind so gut, dass sie beides schaffen.

Als Blake Mycoskie 2006 eine kleine Auszeit von seinem neuen Technologie-Start-up nahm und durch Argentinien reiste, stieß er auf eine Charity-Organisation, die Schuhe an arme Kinder verteilte. Schuhe, so eine Mitarbeiterin der Organisation, waren für die Kinder nicht nur Kleidungsstücke; Sie machten den Weg zur Schule leichter und förderten gleichzeitig die Gesundheit. Einen Aufruf im privaten Netzwerk starten, Geld einsammeln und möglichst viele Schuhe kaufen, das war Blakes erster Gedanke; ein funktionierendes, gewinnorientiertes Unternehmen gründen, der zweite. Wenige Wochen später war TOMS Shoes gegründet. Das Unternehmen machte 2019 einen Umsatz von 392 Millionen US-Dollar. 2014 erwarb Bain Capital einen 50-Prozent-Anteil am Unternehmen und Blake war mit knapp 300 Millionen US-Dollar Vermögen zum Multimillionär geworden.

Die Geschichte von TOMS Shoes zeigt, dass Social Entrepreneurship wenig mit reiner Nächstenliebe zu tun haben muss. Das Selbstverständnis der Social Entrepreneurs ist das genaue Gegenteil davon: Sie wollen Unternehmen gründen, die ein soziales oder ökologisches Problem von großer Dimension lösen — und dabei gleichzeitig ökonomisch erfolgreich sein. Dass dieser Gedanke nicht nur sinnvoll, sondern auch äußerst nachhaltig ist, zeigt ein Blick auf unsere Welt: Wir stehen gerade vor zahlreichen Problemen — 22 an der Zahl, wenn es nach den Vereinten Nationen geht. Wer sich mit einem Unternehmen oder einer Idee einem dieser Probleme widmet, kann ein sinnstiftendes, langfristig erfolgversprechendes und nicht zuletzt auch lukratives Geschäftsfeld für sich entdecken. Diejenigen unter Ihnen, die also schon länger auf der Suche nach der nächsten Geschäftsidee waren, denen aber bisher der richtige Anreiz fehlte, sollten jetzt gut aufpassen. Hier sind die aus unserer Sicht spannendsten Felder der UNO-Liste aus österreichischer Perspektive:

1. Alterung der Gesellschaft: Die Bevölkerung wird immer älter. 2050 soll die Lebenserwartung in Österreich bei fast 90 Jahren liegen. Das ist einerseits erfreulich, führt aber andererseits zu zahlreichen Problemen. Dazu gehören Vereinsamung, Altersarmut oder auch der erhöhte Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen. Die Lösung liegt hier in neuen Ansätzen: Denn in den kommenden Jahren wird es vor allem darum gehen, die Alterung der Gesellschaft richtig zu managen, sei es mit neuen Optionen für die Pflege, neuen Konzepten für die finanzielle Versorgung im Alter oder revolutionären Ideen für den langfristigen Erhalt der Gesundheit. Höchst erfolgreich machen das bereits unsere heurigen Preisträger:innen beim EY Entrepreneur Of The Year von Vollpension. Das Generationencafé, in dem derzeit 45 Senior:innen arbeiten, schafft einen Ausweg aus der monetären und sozialen (Kontakt-)Armut und lässt Alt und Jung auf Augenhöhe mit- und voneinander lernen.

2. Klimawandel: Ein Tornado im Weinviertel, tennisballgroße Hagelkörner in Oberösterreich, unaufhaltsame Waldbrände in Griechenland und der Türkei — die Auswirkungen des Klimawandels werden schon jetzt deutlich spürbar. Unsere Erde wird sich in den nächsten Jahren weiter erwärmen — die offene Frage ist: Um wie viel Grad? Geht es nach der EU, soll der maximale Zuwachs 1,5 Grad Celsius seit Beginn der Industrialisierung betragen. Noch fehlen uns aber in vielen Branchen die Technologien, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. In den nächsten fünf Jahren wird es also darauf ankommen, diese Lücke zu schließen, und zwar mit innovativen, neuen Ansätzen, die heute noch gänzlich außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen. Eine dieser Ideen lieferte Martin Wesian, diesjähriger Preisträger beim EY Entrepreneur Of The Year Award und Gründer von HELIOZ. Sein Unternehmen ermöglicht nicht nur Millionen Menschen weltweit trinkbares Wasser, sondern reduziert gleichzeitig Treibhausgasemissionen. Statt Wasser mittels Brennholz trinkbar zu machen, schafft seine Technologie das mithilfe der Sonne. Vor allem in ärmeren Weltregionen ist dies wertvoller Beitrag zur Erreichung von Klimaneutralität.

Unsere Erde wird sich in den nächsten Jahren weiter erwärmen – die offene Frage ist: Um wie viel Grad?

3. Gleichstellung: In Österreich dauert es derzeit fünf Generationen, um aus der Armut heraus in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen. Frauen verdienen in Österreich für dieselbe Tätigkeit fast 19,6 Prozent weniger als Männer. Die Arbeitslosenquote von schwerbehinderten Menschen ist beinahe doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Beispiele verdeutlichen: Von einer Gleichstellung in unserer Gesellschaft sind wir noch meilenweit entfernt. Um sie zu erreichen, braucht es mehr als die Einführung von verpflichtenden Quoten. Wie es klappen kann, zeigt die diesjährige EY Social Entrepreneurin Of The Year Monika Haider mit ihrem Unternehmen equalizent. Sie hat damit ein Bildungsinstitut aufgebaut, bei dem gehörlose Jugendliche und Erwachsene berufliche Weiterbildungsangebote — maßgeschneidert auf ihre Sprach- und visuellen Lernbedürfnisse — finden.

4. Migration und Flüchtlinge: Kriege, soziale Ausgrenzung, Hungersnöte oder auch klimatische Veränderungen bewegen immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat aufzugeben und in Länder zu flüchten, in denen sie ein sicheres und lebenswertes Leben verbringen können. Aber nicht immer ist es so einfach, sich in der neuen Kultur zu integrieren. Ein wesentlicher Faktor dafür ist ein fester Arbeitsplatz. Und genau diesen bietet beispielsweise Martin Rohla, Preisträger beim EY Entrepreneur Of The Year 2019, mit seinem Unternehmen Habibi & Hawara. Er ermöglicht Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten nicht nur ein regelmäßiges Einkommen in einem seiner zahlreichen Restaurants, sondern fördert mit seinem Ausbildungs- und Integrationsprogramm auch die Eingliederung in unsere Gesellschaft in Österreich. Die genannten Probleme und Herausforderungen zu lösen wird nicht leicht — und unsere Auflistung ist nur eine kleine Auswahl. Wir brauchen neue Ideen, neue Ansätze und viele innovationsbereite Unternehmer:innen, die diese in Form von Produkten und Dienstleistungen erfolgreich umsetzen können. Fraglich ist auch, ob die Erreichung ökonomischer Ziele langfristig den Erfolg und Wert von Unternehmen bemessen sollte. Denn der Wert eines Unternehmens, das zum Gemeinwohl oder zur Lösung eines sozialen oder ökologischen Problems beiträgt, kann wohl kaum einzig in Geld gemessen werden. Hätte persönlicher Einsatz für das Gemeinwohl Mutter Teresas Einkommen bestimmt, wäre sie vermutlich Millionärin geworden — auch wenn sie das wohl kaum gewollt hätte.

Wir brauchen neue Ideen, neue Ansätze und viele innovationsbereite Unternehmer:innen, die diese in Form von Produkten und Dienstleistungen erfolgreich umsetzen können.

Fazit

Die genannten Probleme und Herausforderungen zu lösen wird nicht leicht — und unsere Auflistung ist nur eine kleine Auswahl. Wir brauchen neue Ideen, neue Ansätze und viele innovationsbereite Unternehmer:innen, die diese in Form von Produkten und Dienstleistungen erfolgreich umsetzen können. Fraglich ist auch, ob die Erreichung ökonomischer Ziele langfristig den Erfolg und Wert von Unternehmen bemessen sollte. Denn der Wert eines Unternehmens, das zum Gemeinwohl oder zur Lösung eines sozialen oder ökologischen Problems beiträgt, kann wohl kaum einzig in Geld gemessen werden. Hätte persönlicher Einsatz für das Gemeinwohl Mutter Teresas Einkommen bestimmt, wäre sie vermutlich Millionärin geworden — auch wenn sie das wohl kaum gewollt hätte.




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