4 Minuten Lesezeit 29 April 2020
Fluss in der Natur

Liquiditätsplanung in und nach der Krise

Von Silke Alexandra Hois

Senior Managerin, Restrukturierungsberatung, Strategy and Transactions | Österreich

Kann neben ihrer Restrukturierungserfahrung auf vier Jahre Projektarbeit im Audit und zehn Jahre Berufserfahrung in der Automotive-Branche und im Anlagenbau zurückgreifen.

4 Minuten Lesezeit 29 April 2020

Ein Großteil der Marktteilnehmer ist von der Krise betroffen. Eine fundierte Liquiditätsplanung ist in dieser Situation essenziell. 

Die Auswirkungen des Coronavirus stellen Unternehmen in Österreich und auf der ganzen Welt vor teils existenzbedrohende Herausforderungen. Die Geschwindigkeit, mit der die Coronakrise die Unternehmen getroffen hat, ließ kaum vorbereitende Maßnahmen zu. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil der Marktteilnehmer von der Krise betroffen ist, was Handlungsalternativen zur Liquiditätsoptimierung deutlich einschränkt und damit den Zeitdruck zur Umsetzung alternativer Maßnahmen zusätzlich erhöht. Einer fundierten Liquiditätsplanung kommt in dieser Situation eine essenzielle Bedeutung zu.

Liquiditätsplanung ist kein Selbstzweck

Entsprechend § 25 GmbHG (und analog § 84 AktG) sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. In einer Krise werden noch höhere Ansprüche an die Erfüllung der Sorgfaltspflicht gestellt und das schließt die Überprüfung der Zahlungsfähigkeit auf der Basis von Finanz- und Ertragsplänen mit ein.

Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der Überprüfung eines etwaigen Eintritts von Insolvenzanmeldungsgründen zu. Diese umfassen die Zahlungsunfähigkeit nach § 66 IO sowie die Überschuldung nach § 67 IO, sofern keine positive Fortbestehensprognose besteht. Diese Analysen machen die Erstellung einer Liquiditätsplanung insbesondere zur Überprüfung der Zahlungsfähigkeit und zur Abgrenzung zu einer etwaigen Zahlungsstockung erforderlich. Die Insolvenz muss ab Vorliegen eines Anmeldungsgrundes ohne schuldhaftes Verzögern, jedoch spätestens binnen 60 Tagen erfolgen. Innerhalb dieser Frist kann eine Anmeldung so lange unterbleiben, wie erfolgsversprechende Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der Insolvenz betrieben werden. Zu beachten ist in diesem Kontext die Verlängerung der Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags ab Vorliegen der Anmeldungsgründe in durch die Coronakrise begründeten Fällen auf bis zu 120 Tage im Falle der Zahlungsunfähigkeit sowie ein Entfallen der Anmeldepflicht im Falle einer Überschuldung, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. Juni 2020 eingetreten ist.

Zusätzlich werden Liquiditätsplanungen i. d. R. im Rahmen der Beantragung von Finanzierungen und Überbrückungskrediten gefordert.

Bedeutung der Liquiditätsplanung im Krisenverlauf

Im Regelfall entwickeln sich Unternehmenskrisen über einen längeren Zeitraum und Unternehmen durchlaufen in Krisensituationen unterschiedliche (seriell und teilweise parallel auftretende) Krisenstadien. Werden Maßnahmen zur Beseitigung der zugrunde liegenden Defizite nicht zeitgerecht eingeleitet, verschärft sich die Situation im Zeitverlauf und führt mitunter in eine Liquiditätskrise, die ohne gegensteuernde Maßnahmen in der Insolvenz enden kann.

Die Liquiditätsplanung gewinnt, je länger die Krise dauert und je gravierender sie wird, regelmäßig an Bedeutung. Während sie in anfänglichen Stadien noch als Instrument zur Krisenfrüherkennung dienen kann, wird sie im Rahmen der Liquiditätskrise zum zentralen Steuerungstool für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit – mitunter über eine entsprechende Strukturierung und Priorisierung von Zahlungen und eine Vermeidung unkontrollierter Liquiditätsabflüsse zur Sicherstellung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens. 

Charakteristika und Erfolgsfaktoren der Liquiditatsplanung in der Krise
Krisenverlauf  und Liquiditatsplanung in Abhangigkeit

Die Coronakrise zeigt einen atypischen Krisenverlauf, da sie durch die Geschwindigkeit und Tragweite, mit der sie die Unternehmen getroffen hat, in vielen Unternehmen sehr schnell zu einer Liquiditätskrise geführt hat. Dementsprechend wurde sehr plötzlich eine fundierte Liquiditätsplanung essenziell. Diese musste oder muss aber in einer Vielzahl von Unternehmen erst implementiert werden. Prozessimplementierungen in der Krise unterliegen allerdings aufgrund unterschiedlicher Restriktionen ganz besonderen Herausforderungen.

Charakteristika und Erfolgsfaktoren der Implementierung

Die Herausforderungen einer erfolgreichen Implementierung liegen im Wesentlichen in den Rahmenbedingungen der Krise. Die Unternehmenssituation ist gekennzeichnet durch einen Liquiditätsengpass – aufgrund einer wesentlichen Reduktion oder des gänzlichen Entfalls der Einzahlungen –, während Teile der Auszahlungen weiterhin laufend zu tätigen sind.

Zu einem in jeder Krise ohnehin herausfordernden Gläubigermanagement kommt erschwerend hinzu, dass die Coronakrise die Wirtschaft über weite Teile negativ beeinflusst. Maßnahmen, die im Regelfall Abhilfe bei Liquiditätsengpässen schaffen, können daher nur sehr begrenzt umgesetzt werden, da sich viele Unternehmen in einer ähnlichen Lage befinden und ihre Liquidität ebenfalls optimieren müssen. Dies betrifft beispielsweise die Implementierung von Lieferantenkrediten oder Stundungsvereinbarungen bzw. die Verlängerung von vereinbarten Zahlungszielen. Gleichzeitig erhöhen die Bedingungen in der aktuellen Krise den Zeitdruck zur Schaffung einer transparenten Darstellung der Liquiditätssituation und -entwicklung, da Finanzierungen mitunter schnell bereitgestellt werden müssen. 

Die Coronakrise zeigt einen atypischen Krisenverlauf, da sie durch die Geschwindigkeit und Tragweite, mit der sie die Unternehmen getroffen hat, in vielen Unternehmen sehr schnell zu einer Liquiditätskrise geführt hat.

Die Implementierungen einer Liquiditätsplanung wird in der Krise weiters maßgeblich erschwert durch eine hohe Kapazitätsbindung des Managements und der (ggf. auch in Kurzarbeit befindlichen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch sonstige krisenbedingte Themen, oftmals auch durch eine mangelhafte Datenlage und -qualität. Zudem sind in und nach Krisensituationen regelmäßig Sonderthemen zu berücksichtigen wie etwa die Auswirkungen von Finanzierungen oder Stundungen und deren Rückführungen oder die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, was den Komplexitätsgrad der Planung weiter erhöht. Erschwerend kommt dabei noch eine deutlich eingeschränkte Planungssicherheit hinzu.

In diesem Spannungsfeld waren und sind Unternehmen nun gefordert, eine fundierte, transparente und den sonstigen Anforderungen aller Stakeholder genügende Liquiditätsplanung sehr kurzfristig zu implementieren.

Fallstricke im Rahmen der Erstellung

Im Rahmen dieser Implementierung können sich, wie die Praxis zeigt, neben den beschriebenen ressourcen- und umfeldbedingten Herausforderungen auch inhaltliche Schwierigkeiten ergeben. Häufige Fehlerquellen im Rahmen der Erstellung sind beispielsweise:

  • Die Datenbasis ist mangelhaft, was z. B. zu fehlenden Zahlungsflüssen aus offenen Posten führt.
  • Planungsintervalle werden inadäquat definiert, z. B. zu lange Zeiträume, die Interimsspitzen nicht berücksichtigen.
  • Es besteht ein zu geringer Fokus auf die korrekte Verteilung von Zahlungen, wodurch Spitzen von Auszahlungen (z. B. Sonderzahlungen) nicht korrekt berücksichtigt werden.
  • Die Liquiditätsplanung ist nicht konsistent mit der integrierten Planungsrechnung, das heißt, es werden unterschiedliche Cash-Bestände in den jeweiligen Planungen ausgewiesen.
  • Plan-Ist-Analysen werden nicht durchgeführt und die gewonnenen Erkenntnisse fließen daher nicht in künftige Planungen ein.
  • Auf Gruppenebene sind Zahlungsflüsse nicht abstimmbar bzw. rechtliche Risiken aus Konzernfinanzierungen werden nicht ausreichend gewürdigt.

Eine entsprechend umfassende und fundierte Erstellung sowie eine laufende Überwachung und Anpassung der Liquiditätsplanung ist demnach unabdingbar.

Liquiditätsüberwachung in und nach der Krise

Ziel einer erfolgreich implementierten Liquiditätsplanung ist der Einsatz sowohl in als auch nach der Krise als zentrales Steuerungsinstrument im Rahmen des Liquiditätsmanagements. Neben den geplanten Einzahlungen aus dem (an-)laufenden Geschäft werden im Rahmen der Planung auch die Nachwirkungen der Krise wie offene Vergütungen des AMS, Tilgungen von Finanzierungen sowie Rückführungen von gewährten Stundungen und deren Auswirkung auf die geplante Liquiditätslage transparent. Ein frühes Aufdecken potenzieller Liquiditätsengpässe in dieser Phase ermöglicht ein wiederum zeitgerechtes Gegensteuern und vergrößert hierdurch weiters die Handlungsalternativen maßgeblich.

Grundsätzlich ist mittel- bis langfristig die Anwendungen von integrierten Systemlösungen mit einem hohen Automatisierungsgrad zu empfehlen. Im Rahmen einer kurzfristigen Implementierung zur Schaffung eines ersten Überblicks kann aus Zeitgründen aber auch einer Excel-basierten Lösung der Vorzug gegeben werden. 

Fazit

Die Coronakrise fordert Unternehmen, den Fokus stark auf ihre Liquiditätssituation unter Berücksichtigung des laufenden Geschäfts sowie aller in Anspruch genommenen krisenbedingten Erleichterungen und Finanzierungen zu legen. In vielen Unternehmen müssen entsprechende Tools und Prozesse unter Zeitdruck und unter entsprechender Aufbringung von Ressourcen und Know-how fundiert und schnell implementiert werden. Dies erfordern rechtliche und wirtschaftliche Aspekte sowie unternehmenseigene Interessen und Vorgaben von dritter Seite, wie Fremdkapital- oder Garantiegeber, gleichermaßen.

Entsprechendes Know-how und Ressourcen zur Implementierung sowie in der laufenden Anwendung sind zentrale Erfolgsfaktoren für die Schaffung eines Instrumentariums, das sowohl in als auch nach der Krise einen Beitrag zur Liquiditätssteuerung beiträgt.

Über diesen Artikel

Von Silke Alexandra Hois

Senior Managerin, Restrukturierungsberatung, Strategy and Transactions | Österreich

Kann neben ihrer Restrukturierungserfahrung auf vier Jahre Projektarbeit im Audit und zehn Jahre Berufserfahrung in der Automotive-Branche und im Anlagenbau zurückgreifen.