4 Minuten Lesezeit 19 Februar 2021
Menschen arbeiten neben einem Transportbehälter.

Pandemie: Zerreißprobe für die Lieferkette

Von Christoph Pressleitner

Leiter Supply Chain and Operations | EYCarbon-Verantwortlicher für Lieferketten und Sustainable Sourcing | Österreich

Unterstützt Supply-Chain-Transformationen, um Einkauforganisationen effizient aufzustellen, Planungssicherheit zu gewährleisten und Produktionsprozesse zu vereinfachen.

4 Minuten Lesezeit 19 Februar 2021

Vor allem durch verzögerte Produktion, Rohstoffengpässe und Lieferschwierigkeiten wird die Supply Chain von Betrieben gerade auf eine harte Probe gestellt. Drei Schritte können die Resilienz stärken.

Zugegeben: Auch in den letzten Jahren wurden die Lieferketten der heimischen Betriebe immer wieder strapaziert. Da war zum Beispiel das Niedrigwasser am Rhein und der Donau im Jahr 2018. Oder geopolitische Entwicklungen rund um Brexit und Handelskriege zwischen USA und China. Waren in diesen vorherigen Spannungsfeldern nur Teile der Lieferkette oder bestimmte Märkte betroffen, finden sich in der aktuellen Corona­-Krise alle wesentlichen Themen in verstärkter Form und in allen Aspekten der Lieferkette österreichischer Unternehmen wieder – sowohl in Unternehmen mit rein nationaler Ausrichtung als auch in solchen mit starkem Export-­Fokus. War es zu Beginn der Krise vor allem die Versorgungssicherheit, die Kopfzerbrechen bereitet hat, sind es jetzt die Entwicklung der kundenseitigen Nachfrage und die Überwachung der Lieferkette, die es notwendig machen, die Lieferkette neu zu denken.

Sicher ist: Die Corona-­Krise hat schonungslos aufgedeckt, wie instabil die Supply Chain vieler Unternehmen ist. Firmen, die nur auf wenige Lieferanten gesetzt haben oder einen Großteil ihrer Rohstoffe beispielsweise aus China bezogen haben, bekommen jetzt die Negativseite dieser Entscheidung zu spüren. Um in Zukunft besser vorbereitet zu sein, gilt es, die Resilienz der eigenen Lieferkette zu stärken. Folgende drei Schritte können dabei helfen.

Sorgen Sie für Transparenz

Transparenz ist die Voraussetzung für Resilienz. Im ersten Schritt geht es um eine systematische Aufnahme des Status quo in den einzelnen Bereichen der Lieferkette. Stellen Sie fest, welche Ressourcen, Materialien und Lieferanten kritisch sind, welche Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Elementen und im Zusammenspiel mit anderen Teilen der Lieferkette bestehen und welche Kunden und Absatzkanäle für Ihr Unternehmen essenziell sind: In welchen Bereichen haben Sie die größten Risiken im Hinblick auf Ihre Top­ und Bottom­ Line? Verschaffen Sie sich dabei auch einen Überblick über die Abgabensituation Ihrer Liefer-­ und Leistungsbeziehungen. Die Bedeutung von Transparenz liegt zunächst in der Ableitung unmittelbarer Maßnahmen zum Risikomanagement. Diese können sich auf die Steigerung der Versorgungssicherheit durch Anpassung der Sourcing-Strategien, die Installation von Redundanzen im Produktionsnetzwerk zur Steigerung der Flexibilität oder die Herstellung von Transparenz im Hinblick auf Bedürfnisse von einzelnen Kun­ den oder einzelnen Projekten beziehen.

Optimieren Sie Ihr Netzwerk

Eine integrierte Betrachtung des Netzwerks schafft Transparenz hinsichtlich der Lieferfähigkeit und erlaubt eine Betrachtung der notwendigen Kapazitäten und des Bestandsniveaus, also eine Betrachtung von Effizienz und Effektivität. Die Betrachtung richtet sich dabei sowohl auf Produktions-­ als auch Distributionsnetzwerke.

Im Fall der Distributionsnetzwerke liegt der Fokus auf der Überprüfung der bestehenden und der Auswahl neuer Lagerstandorte (ob als Konsolidierungspunkt, Distributionszentrum etc.). Eine Optimierung im Netzwerk erfolgt über mehrere Parameter. Neben Kosten, Lieferzeiten, Service­-Levels und Bestandsverfügbarkeiten werden auch Risikoparameter in die Betrachtung miteinbezogen. Die Optimierung von Produktionsnetzwerken bezieht sich neben den Kosten vor allem auch auf die Zuverlässigkeit der Lieferung im Sinne einer Kapazitätsbetrachtung. Wesentliche Parameter zur Betrachtung im Sinne der Zuverlässigkeit sind Redundanzen im Netzwerk sowie die Flexibilität, Produkt­ oder Kundengruppen innerhalb des Netzwerks entsprechend den Erfordernissen neu zu­ zuordnen.

Szenarien und deren quantitative sowie qualitative Bewertung sind ein wesentliches Instrument in der Netzwerkoptimierung. Zukunftsszenarien werden vergleichend nebeneinander­ gestellt und auf Sensitivitäten überprüft, um die optimale Variante auszuwählen – egal über welche Parameter die Optimierung erfolgt.

Etablieren Sie Szenariofähigkeit in Ihrer Planung

Häufig wird unter der Planung der Lieferkette die Produktionsplanung verstanden. Integrierte Planung bedeutet aber die Planung der Lieferkette von der Einbindung von Produktportfolio­ Entscheidungen über die Moderation des Vertriebsplanungsprozesses und die Kapazitäts­- sowie Grobplanung in der Produktion bis hin zur Einkaufsplanung. Durch diese Integration werden üblicherweise deutlich erhöhte Lieferverfügbarkeiten bei gleichzeitig niedrigeren Beständen und niedrigeren Kosten in der Produktion erreicht. In einer Krisensituation wie der aktuellen bedeutet das, Änderungen der Nachfragesituation rasch entlang der gesamten Supply Chain modellieren und effektiv sowie effizient reagieren zu können.

Basierend auf solch einer integrierten Planung ist der nächste Schritt die Fähigkeit, mehrere Szenarien parallel zu betrachten. Die Simulation von Szenarien ist dabei aufwendig, wenn deren Erstellung und Analyse nicht durch entsprechende Instrumente unterstützt werden. Aktuelle Advanced Planning Systeme ermöglichen eine einfache, parallele Betrachtung mehrerer Szenarien und deren Auswirkungen auf die Lieferkette. Durch Verwendung von Heuristiken und Optimierungsalgorithmen lassen sich auch Kapazitäts­- und Grobplanung für die einzelnen Szenarien so effizient gestalten, dass eine Szenarienbetrachtung im Rahmen Ihres Planungsprozesses möglich wird. In den einzelnen Szenarien lassen sich letztlich mehrere Risikofaktoren oder Varianten Ihres Netzwerks laufend simulieren und Entscheidungen zur Optimierung ableiten, die im Falle einer Krise die Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit zum Kunden wie auch die einfache und effiziente Koordinierung der Planungsprozesse gewährleisten.

Fazit

Die Corona­-Krise ist nicht nur Schicksal, sondern auch Chance. Wer jetzt in die Resilienz der eigenen Supply Chain investiert, wird auch gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Über diesen Artikel

Von Christoph Pressleitner

Leiter Supply Chain and Operations | EYCarbon-Verantwortlicher für Lieferketten und Sustainable Sourcing | Österreich

Unterstützt Supply-Chain-Transformationen, um Einkauforganisationen effizient aufzustellen, Planungssicherheit zu gewährleisten und Produktionsprozesse zu vereinfachen.