„Die Rückkehr des Anlagenotstands führt zu deutlich steigenden Preisen bei Schweizer Renditeimmobilien“, schrieb der Grundeigentümer Verband Schweiz, ein Fachportal für institutionelle Immobilieninvestoren, im Dezember 2024. Die Kombination aus gesunkenen Zinsen, begrenztem Angebot und wachsendem Kapitaldruck hat den Schweizer Transaktionsmarkt – nach einer Phase der Zurückhaltung – wieder in Bewegung gebracht.
1.1. Wie bewerten Sie die derzeitige Marktlage? Teilen Sie die Einschätzung, dass sinkende Zinsen, begrenztes Angebot und Kapitaldruck zu steigenden Preisen führen?
Der Schweizer Immobilienmarkt steht aktuell unter dem Einfluss einer Reihe von Faktoren wie gesunkenen Zinsen, begrenztem Angebot und hohem Kapitaldruck, die zu steigenden Preisen führen. Diese Entwicklung wird durch geopolitische Ereignisse, wie den Handelskrieg, der durch die von den USA eingeführten Zölle zu befürchten ist, sowie lokale politische Herausforderungen, etwa im Bereich des Mieterschutzes und dessen Initiativen, weiter verschärft.
Im Gegensatz zur volatilen Welt des Tradings, die von schnellen Preisbewegungen geprägt ist, zeichnet sich der Immobilienmarkt jedoch durch eine langfristige und stabile Entwicklung aus. Besonders der Schweizer Immobilienmarkt profitiert in diesem Kontext von seiner Rolle als sicherer Hafen. Diese Position verdankt er der stabilen Schweizer Volkswirtschaft, dem robusten Vorsorgesystem sowie dem starken Schweizer Franken – also insgesamt soliden Fundamentaldaten, die eine nachhaltige Marktentwicklung unterstützen. Ein weiteres besonderes Merkmal der Schweiz ist ihr weitgehend geschlossener Markt, der durch ein begrenztes Angebot und spezifische lokale Gegebenheiten geprägt ist. Daher haben die Schwankungen, wie sie etwa am Anleihenmarkt häufig zu beobachten sind, nur begrenzten direkten Einfluss auf den Immobilienmarkt. All diese Faktoren lassen vermuten, dass mögliche kommende Herausforderungen den Markt lediglich peripher treffen und es längerfristig zu keinen substanziellen Verwerfungen kommen dürfte. Auf der Ebene von Einzelobjekten kann es aber, wie bei anderen Anlageklassen, „Gewinner“ und „Verlierer“ geben.
1.2. Welche Rolle spielen regulatorische Faktoren aktuell für den Markt?
Die regulatorischen Anforderungen erleben derzeit in gewissen Bereichen einen Paradigmenwechsel, insbesondere durch die Einführung von ESG1 -Kennzahlen (z.B. umweltrelevante Kennzahlen für Immobilienfonds nach AMAS). Ein Beispiel sind Anlagerichtlinien bei Gefässen, die von der FINMA reguliert werden. Die FINMA kann neu die Definition von ESG-Kennzahlen und je nach Scope auch die Definition von CO2-Zwischenzielen verlangen, um ein Produkt als „Nachhaltig“ zu vermarkten. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung dar, da sich dann auch die Frage stellt, was passiert, wenn diese Zwischenziele nicht eingehalten werden würden, z. B. weil das Fernwärmenetz in der Region XY doch nicht im Jahr 2027 sondern erst im Jahr 2030 kommt und damit das Ergebnis von exogenen Faktoren beeinflusst wird.
Dieser Wandel in der Regulierung ist für viele nicht leicht nachvollziehbar, da es beispielsweise kaum denkbar ist, im Fondsprospekt unter anderem spezifische Mindestrenditeziele zu nennen, die sich bei Nichterfüllung negativ auswirken könnten. ESG-Kennzahlen, wie z.B. der CO2-Ausstoss pro Energiebezugsfläche, gewinnen allerdings an Relevanz und müssen bei Investitionen zunehmend berücksichtigt werden. Während ESG-Aspekte früher von einzelnen Marktteilnehmern oft als blosses Marketing-Tool wahrgenommen wurden, erkennen viele inzwischen deren Bedeutung für das Risikomanagement. Viele Marktteilnehmer sind sich dieser zunehmenden Komplexität der verschiedenen Kennzahlen, meines Erachtens noch nicht vollständig bewusst, was in der Zukunft unvermeidlich Veränderungen in der Kapitalbeschaffung und damit auch bei Einkaufs- und Verkaufsstrategien nach sich ziehen wird.
a. Wie beeinflussen ESG-Kriterien und klimabedingte Risiken heute das Underwriting und die strategische Positionierung von Immobilieninvestitionen bei AXA IM?
„Die Welt wird nicht mehr versicherbar“ – in diesem Sinne hat die AXA IM bereits vor vielen Jahren eine ESG-Policy implementiert, da früh erkannt wurde, dass Umwelt- und Klimarisiken auch die Versicherbarkeit von Immobilien beeinflussen. In Risikogebieten wie beispielsweise Florida verdeutlichen Ereignisse wie Überschwemmungen, dass Versicherungen zurückhaltender wurden. Vor diesem Hintergrund sind wir bestrebt, Immobilien bestmöglich für zukünftige Herausforderungen zu wappnen, um die langfristige Wertentwicklung und Vermietbarkeit zu sichern. Die strategische Ausrichtung von Immobilienobjekten spielt dabei eine zentrale Rolle, wobei viele zusätzliche Faktoren wie Denkmalschutz und bestehende Infrastrukturpläne berücksichtigt werden müssen. So weist beispielsweise eine Immobilie, die sich in einer Strasse befindet, die erst in 25 Jahren an das Fernwärmenetz angeschlossen wird, ein völlig anderes ESG-Risikoprofil auf, als ein Objekt, das bereits angeschlossen ist. Diese strategische Ausrichtung im Underwriting ist essenziell für ein nachhaltiges Risikomanagement im Immobilienbereich.
b. Wie gehen Eigentümer und Investoren mit den dynamischen regulatorischen Anforderungen und technischen Herausforderungen bei der Dekarbonisierung von Bestandsimmobilien um – insbesondere im Hinblick auf realistische Capex-Planung und Risikomanagement?
Die aktuellen Herausforderungen im Immobiliensektor, insbesondere im Bürobereich, sind stark von den zunehmenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Energiestandards geprägt. Grossunternehmen erwarten zunehmend Gebäude, die ihren Umweltstandards entsprechen, während kleinere Unternehmen (KMUs) in der Regel noch weniger strikte Vorgaben haben. Viele Eigentümer glauben, dass mit einem einmal definierten Absenkpfad alle Anforderungen erfüllt sind. In der Praxis zeigt sich jedoch bei vielen Objekten, dass z.B. ein Umstieg auf eine umweltfreundlichere Technologie wie eine Luftwärmepumpen mit einigen Herausforderungen verbunden sein kann. Die sehen wir in der Immobilien-Akquisition oft. Der Absenkpfad erfordert zudem mindestens ein Jahr, um den optimierten Verbrauch nachzuweisen, wodurch seine Senkung im Absenkpfad häufig erst später als geplant ersichtlich ist. In einigen Ländern sind die Vorschriften sogar strenger, und es darf nicht mehr vermietet werden, wenn zum Beispiel noch eine Ölheizung im Gebäude ist. Deshalb ist ein Umdenken notwendig: Das Thema ist nicht Marketingbezogen, sondern eine essenzielle Risikomanagement-Aufgabe.
Ein weiteres Problem besteht in der Fehleinschätzung von Kapitalkosten (Capex) und Zeitplänen für solche Umstellungen. Diese Anpassungen dauern oft länger als erwartet, um vollständig implementiert und nachgewiesen zu werden. Viele Marktteilnehmer, erkennen nun, dass die laufenden regulatorischen und technischen Anpassungen "moving targets" sind. Diese dynamische Situation wird meines Erachtens derzeit häufig unterschätzt und wird wahrscheinlich in Zukunft bei einigen Marktteilnehmern zu Herausforderungen führen. Wie eine Prämie für einen Versicherungsschutz seinen Preis hat, haben auch ESG-Massnahmen einen Preis.
1.3. Welche Entwicklungen und Dynamiken nehmen Sie derzeit wahr? Gibt es Segmente (z. B. Wohnen, Büro, Retail, Logistik), die besonders betroffen sind?
Wohnen / Residential
Es ist zu beobachten, dass globale Marktteilnehmer zunehmend das Potenzial der Assetklasse „Residential“ erkennen. Denn innerhalb eines Wohnobjekts wird zusätzliche Diversifikation erlangt, da zehn Wohnungen gleichbedeutend sind mit zehn unterschiedlichen Mietern. Dies bietet sowohl Stabilität als auch Diversifikation innerhalb dieser Asset-Klasse selbst. In der Schweiz ist dieser Trend nicht neu, da der Markt traditionell stark von Wohnimmobilien dominiert wird. Auch die von uns verwalteten Vermögen in der Schweiz setzen sich je nach Anlagegefäss zu etwa 60% aus Wohnimmobilien zusammen, während der Rest aus kommerziellen Liegenschaften besteht.
Bürosektor
Der Bürosektor hat zwar in der Gunst der Investoren gelitten, doch sind keine signifikanten Leerstände zu beobachten. Stattdessen rückt zunehmend die Lage der Immobilien weiter in den Fokus. Büros an A-Standorten, besonders in unmittelbarer Nähe zu Bahnhöfen, bleiben stark gefragt. Diese Konnektivität führt zum Teil zu erheblichen Unterschieden in den Mietpreisen. So weist beispielsweise das Gebiet rund um den Bahnhof Zürich-Hardbrücke ein anderes Mietniveau auf als das Zürcher Areal um den Technopark oder um den Hardturm, obgleich diese z.T. nur 10-15 Gehminuten voneinander entfernt liegen. In der Schweiz sind die Gehdistanz und die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln entscheidend, während solche Entfernungen in grösseren Metropolen wie z. B. Paris oder London eine geringere Rolle spielen und sich im direkten Vergleich weniger stark auf die Mietpreise auswirken.
Logistik, Life Sciences und Data Center
Der Logistikbereich stellt in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Märkten eine relativ kleine Nische dar und ist stark von Single-Tenant-Gebäuden und Eigennutzern geprägt. Diese Abhängigkeit birgt ein hohes Risiko bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Mieter, wodurch der Hype um Logistikimmobilien relativiert wird. Ein anschauliches Beispiel war die Corona-Krise, in der Automobilzulieferer ihre Geschäftsaktivitäten quasi einstellten, was erhebliche Mietausfälle bei Logistikzulieferer der Automobilbranche zur Folge hatte. Wir prüfen auch in der Schweiz Logistikliegenschaften und haben ein eigenes global agierendes Team unter der Leitung von Thomas Karmann. Die Immobiliensegmente Life Sciences und Data Center werden international als attraktive Investitionsmöglichkeiten wahrgenommen, jedoch zeichnen sich diese durch ein differenziertes Risikoprofil aus, bedingt durch ihre klare Spezialisierung. Unsere Data Center Plattform „Data4“ haben wir im Jahr 2023 erfolgreich veräussert, während wir den Life Sciences-Bereich durch die Spezialisten von unserer Beteiligungsgesellschaft „Kadans Science Partner“ abdecken. In der Schweiz spielen diese Segmente noch eher eine untergeordnete Rolle, wobei hier tendenziell ein Marketing-Push zu beobachten ist.
Insgesamt lässt sich über alle Segmente hinweg festhalten, dass in der Schweiz keine klaren „Verlierer“ zu erkennen sind.