6 Minuten Lesezeit 1 März 2024
Bürokollegen, die vor einem großen Pflanzendisplay tagen

Wie Nachhaltigkeit und Purpose in der Arbeitswelt in den Fokus rücken

Autoren
Kim Sandy Eichler

Consultant, PAS, EY Consulting GmbH | Deutschland

Gründerin des EY Women Network Germany; ESG-Enthusiastin; leidenschaftliche Verhaltenswissenschaftlerin; genießt gerne ein gutes Restaurant und eine Runde Tennis

Katharina Luh

Partnerin, Change and Learning | Deutschland

Begleitet ihre Kunden bei Transformationsvorhaben mit Fokus auf digitalem Wandel. Der Stadt durch Familie und Freunde eng verbunden, lebt sie mit ihrem Lebensgefährten in Gießen.

6 Minuten Lesezeit 1 März 2024

Nachhaltigkeit und Purpose prägen heute nicht nur die Investitionsentscheidungen, sondern auch die Wahl des Arbeitgebers.

Überblick

  • Der Wert eines Unternehmens wird zunehmend auch von immateriellen Vermögenswerten wie Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und Purpose bestimmt.
  • Investoren zeigen steigendes Interesse an umweltbewussten Unternehmen, besonders die Generationen Z, Y und die Babybommer.
  • Die Bedeutung von Purpose, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung ist für die Gewinnung, Bindung und Motivation der Mitarbeitenden entscheidend.

Woran machen wir die Güte eines Unternehmens fest? Was motiviert uns, in eine Aktie zu investieren, und welche Faktoren sind für uns relevant, wenn wir unseren Arbeitgeber wählen? Ist es in der aktuellen Zeit noch à jour, all jene Entscheidungen von Jahresberichten, DAX-Punkten oder sogar Bilanzen abhängig zu machen, oder zählen nicht vielmehr immaterielle Vermögenswerte zu den wahren organisationalen Anziehungsmagneten?

Eine EY-Parthenon-Umfrage (2022) zeigt, dass die Sorge um Klima- und Umweltschutz uns alle betrifft: generationsübergreifend. Besonders die Umweltverschmutzung tritt dabei in den Vordergrund und treibt insbesondere die Generationen Z, Y und die Babybommer um. Daher ist es wenig verwunderlich, dass das Thema nicht nur privat, sondern auch beruflich vermehrt in den Vordergrund rückt: Für welches Unternehmen möchte ich arbeiten? Ist die Branche, in der ich arbeite, mit meinen Klimabefürchtungen zu vereinbaren? Welchen Sinn sollte meine Tätigkeit haben und habe ich das Gefühl, meinen Purpose dabei leben zu können? Fragen, die für die einen trivial klingen, für andere jedoch zu zentralen Lebensfragen werden und der Arbeitswelt immer mehr einen grünen Anstrich verleihen.

Die Suche nach Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit als Anziehungspunkt für Talente

Purpose gleich Performance? Schaut man sich die Statistiken zum Thema „Purpose“ an und liest man sich in die entsprechenden Fachartikel ein, so wird der Sinn einer Firma oftmals primär als Werttreiber positioniert. So heißt es beispielsweise in einem Forbes- Artikel, dass sinngeleitete Firmen 10 Prozent mehr Wachstum verzeichneten als solche, die keinen klaren Purpose deklariert haben. Außerdem setzen sie zu 52 Prozent ihre Transformationsvorhaben um, während die anderen Firmen dies nur in 16 Prozent aller Fälle schaffen. Das klingt doch reizvoll und betriebswirtschaftlich attraktiv, nicht wahr? Aber ist es das auch für die Belegschaft?

Performance-Treiber

10 %

mehr Wachstum haben sinngeleitete Firmen im Vergleich zu solchen, die keinen klaren Purpose deklariert haben, verzeichnet.

Schließlich sind es Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung sowie Diversität und Inklusion, die für die Talente der Zukunft immer mehr in den Fokus rücken. Besonders in der Generation der Millennials, der Mitarbeitenden von heute und morgen, würde jede:r Zweite den aktuellen Job für eine neue Position bei einer umweltbewussteren Firma verlassen (Circular, 2020). Auch wenn die aktuelle geopolitische Lage und die erhöhte Inflation für finanziellen Druck sorgen, wünschen sich Millennials nicht nur einen Job, der ihr Leben finanziert, sondern vielmehr einen solchen, der einen gesellschaftlichen Mehrwert bietet. Tätigkeiten werden zur Mission, Arbeit zur Umsetzung der eigenen Wertvorstellung und das Büro zur bedeutungsvollen Wirkungsstätte, die die Welt zu einer besseren Welt machen soll.

Wer jedoch denkt, dass ein wirkungsvoller Medienauftritt und das nötige Branding ausreichen, um sich als Unternehmen mit Purpose zu positionieren, der legt sich einen Fallstrick. Nicht nur suggeriert ein solcher Ansatz ein kommunikatives Greenwashing – also das Einsetzen „grüner“ Behauptungen, um als Organisation besser dazustehen –, sondern er wirkt sich auch negativ auf die Mitarbeiterbindung aus. Denn die Belegschaft möchte Purpose und Nachhaltigkeit leben – und nicht nur lesen. Damit wird deutlich, dass alle Prozesse und Strukturen einer Organisation sich diesem gesteckten Ziel verschreiben müssen, um authentisch, zielgerichtet und wortwörtlich nachhaltig die Mitarbeitenden an den Unternehmenszweck zu binden und sie zu inspirieren, durch ihre Arbeit schon heute das Morgen mitzuprägen. Dabei geht es weniger um profitable Governance-Strukturen oder reine Nachhaltigkeitsstrategien, sondern vielmehr um Normen und Werte, die in einer Organisation gelebt und vorgelebt werden – Stichwort „Unternehmenskultur“. In der Tat zeigen Studien von Gallup (2022), dass nicht nur 21 Prozent der Unternehmen mit einer klaren Purpose-Kultur eine höhere Profitabilität erzielen als solche ohne gelebte Purpose-Kultur, sondern auch 59 Prozent dieser Unternehmen eine höhere Mitarbeiterbindung aufweisen.

Unternehmenskultur

21 %

der Unternehmen mit einer klaren Purpose-Kultur erzielen eine höhere Profitabilität.

Mitarbeitertreue

59 %

der befragten Unternehmen können eine höhere Mitarbeiterbindung vorweisen, dank einer gelebten Purpose-Kultur.

Engagement und Motivation als Konsequenz von sozialer Verantwortung

Eine klare Vision, die auf Nachhaltigkeit und einem tieferen Sinn basiert, ist ein maßgeblicher Faktor für die Motivation und Bindung von Mitarbeitenden. Einfacher gesagt als getan. Gerade in puncto Nachhaltigkeit scheint es oftmals schwierig, eine Rolle außerhalb der Sustainability-Abteilung mit den eigenen Umweltzielen zu vereinbaren. Auch wenn durch die regulatorischen Anforderungen rund um die European Sustainability Reporting Standards Organisationen übergreifend dazu aufgefordert werden, sich mit dem Thema Umwelt, Soziales und Governance (ESG) auseinanderzusetzen, ist nicht gleich für alle Mitarbeitenden eine klare Brücke zwischen dem eigenen Job und der Klimastrategie ersichtlich. Wie also dann hier den bereits benannten Purpose vorleben und verankern?

Ein möglicher Lösungsansatz kann die Anknüpfung an die soziale Verantwortung eines Unternehmens sein. Durch die Zusammenarbeit mit Non-Profit-Organisationen, Kooperationen im Bildungswesen oder internen Initiativen für gesellschaftliches Engagement können Organisationen bewusst in ihre gesellschaftliche Umgebung zurückinvestieren und dabei nicht nur geschäftliche Fehltritte kompensieren, sondern vielmehr neue Strukturen aufbauen und dabei mit Herz, Hand und Kopf etwas zurückgeben. Vor allem Wissen und Zeit sind oft das wichtigste Kapital, wenn es darum geht, einen Mehrwert zu stiften und als Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung zu tragen und Veränderung voranzutreiben. Als Beispiele hierfür seien das Mentoring für Studierende, Aufräumaktionen in der Natur, die Koordination eines Community Days bis hin zum Projektmanagement für Non-Profit-Organisationen oder nachhaltige Start-ups genannt.

Vor allem Wissen und Zeit sind oft das wichtigste Kapital, wenn es darum geht, einen Mehrwert zu stiften und als Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung zu tragen und Veränderung voranzutreiben.

Die Optionen sind vielseitig, sie müssen jedoch zum Unternehmen passen. Nur wenn Strategie, Purpose und Mission in Einklang miteinander stehen und sich im Tagesgeschäft spiegeln, ist eine soziale Verantwortung auch authentisch und inspirierend. Sodann ermöglicht sie es der Belegschaft, sich auch beruflich den eigenen Werten zu verschreiben. Natürlich profitiert hiervon auch das Unternehmen selbst. „Tu Gutes und sprich darüber“ ist nicht umsonst ein bewährter Ausspruch, der in diesem Kontext verdeutlicht, welchen Einfluss er hat. Außerdem bieten interne Projekte, die die soziale Verantwortung fördern, auch die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln und dabei auch Führungskompetenzen wie Teaming, interkulturelle Zusammenarbeit, Empathie und Projektmanagement sowie fachliche Kompetenzen aufzubauen, die andernfalls außerhalb der beruflichen Komfortzone lägen. Ist auch das ein erneuter Wegweiser in Richtung kompetenzbasierter Organisation und somit Motivation zur Abkehr von den klassischen Jobrollen von heute? Vielleicht. Definitiv birgt soziale Verantwortung jedoch für die Belegschaft noch ungeahnte Potenziale, die es sich weiter zu entdecken und zu aktivieren lohnt.

Fazit

Der Mensch sollte stets im Mittelpunkt der Arbeitswelt stehen. Daher ist es unerlässlich, die Werteordnung und die Themen im Zuge des gesellschaftlichen Wandels nicht als Hürden zu sehen oder sie zu ignorieren, sondern sie als Chancen zu nutzen. Nachhaltigkeit, Sinn und Zweck (Purpose) sowie die soziale Verantwortung eines Unternehmens haben das Potenzial, zum zentralen Wertschöpfungsfaktor für die People Agenda zu werden – indem Nachhaltigkeitsstrategien in Taten umgesetzt und Unternehmenswerte gelebt werden und Tätigkeiten einen Sinn erhalten, die einer größeren Sache als dem reinen finanziellen Profit dienen. Organisationen tun folglich gut daran, nicht nur über Gutes zu reden, sondern es auch wirklich zu tun.

Über diesen Artikel

Autoren
Kim Sandy Eichler

Consultant, PAS, EY Consulting GmbH | Deutschland

Gründerin des EY Women Network Germany; ESG-Enthusiastin; leidenschaftliche Verhaltenswissenschaftlerin; genießt gerne ein gutes Restaurant und eine Runde Tennis

Katharina Luh

Partnerin, Change and Learning | Deutschland

Begleitet ihre Kunden bei Transformationsvorhaben mit Fokus auf digitalem Wandel. Der Stadt durch Familie und Freunde eng verbunden, lebt sie mit ihrem Lebensgefährten in Gießen.