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So gelingt die Integration von Start-ups

Für akquirierte Start-ups bedarf es einer Integrationsstrategie. Dabei können sich Unternehmen an einigen Erfolgsfaktoren orientieren.



Überblick

  • Bei Start-up-Zukäufen sollten Unternehmen über den gesamten Akquisitionsprozess hinweg verschiedene Faktoren berücksichtigen.
  • Die Integration von Start-ups benötigt Zeit und sollte nicht überhastet werden.
  • Betriebswirtschaftliche Entscheidungen spielen für eine erfolgreiche Integration genauso eine Rolle wie gegenseitiger Respekt.


Wie passen sich Unternehmen im 21. Jahrhundert an die sich ständig verändernde und unsichere Welt an? Angesichts neuer Technologien, disruptiver Marktteilnehmer und steigender Kundenerwartungen können es sich Firmen nicht leisten, dem Markt hinterher zu hinken. Das berühmte Zitat von H. G. Wells „adapt or perish“ (zu Deutsch: anpassen oder untergehen) ist heute so aktuell wie eh und je. Große Unternehmen müssen jedoch eine komplexe Organisation, umfassende Regulierungsvorgaben und risikoscheue Erwartungen der Aktionäre sorgfältig abwägen um mit der Notwendigkeit umzugehen, Risiken einzugehen und neue Angebote zu entwickeln. Interne Innovation ist oft zu langsam und unbequem – daher ziehen es viele große Unternehmen vor, sie von außen zu beziehen, beispielsweise über Start-up-Akquisitionen.
 

Start-ups werden verstärkt in Unternehmen integriert
 

Oftmals dreht sich der zentrale kommerzielle Aspekt der Start-up-Akquisition darum, die technologische Plattform des Start-ups über das Ökosystem des Unternehmens und die Kunden zu skalieren. Zu den anderen Treibern für Transaktionen zählen unter anderem die Beschleunigung der F&E-Roadmap der Firma, der Erwerb wertvollen geistigen Eigentums und der Zugang zu Talenten. Unabhängig vom Deal Rational ist es entscheidend, die richtige Balance zu finden zwischen den Unternehmensanforderungen und der Fähigkeit beziehungsweise Bereitschaft des Start-ups, diesen Anforderungen gerecht zu werden.


Start-up-Kauf: Nur jedes
Unternehmen verfolgt eine dedizierte Integrationsstrategie für Akquisitionen von Start-ups.


Seit einigen Jahren neigen Unternehmen dazu, die Start-ups über einen gewissen Zeitraum Stück für Stück stärker zu integrieren, anstatt sie eigenständig zu erhalten. Gleichzeitig erfüllen nur 8 bis 13 Prozent der Start-up-Akquisitionen die ursprünglichen Erwartungen an den Deal, obwohl der Integrationsprozess aufgrund der geringen Größe des Akquisitionsobjektes zu Beginn relativ unkompliziert erscheinen mag. Trotz suboptimaler Erfolgsquoten verfolgt jedoch nach der Erfahrung von EY nur etwa jeder dritte Käufer eine dedizierte Integrationsstrategie für Akquisitionen von Start-ups. Im Folgenden finden Sie sieben Erfolgsfaktoren, die für eine erfolgreiche Akquisition von zentraler Bedeutung sind. Die Ergebnisse stammen aus einer EY-Studie sowie aus EY-Projekterfahrungen:
 

Start-up-Akquisitionen: Strategiephase

1. Fokus auf Umsatzsynergien – Ähnlichkeit mit F&E-Investitionen. Es ist wichtig, von Anfang an zu verstehen, welche Umsatzsynergien in welchen Bereichen durch die Integration des Start-ups erreicht werden können. Dies erleichtert das Verständnis der gemeinsamen Organisation zu einem frühen Zeitpunkt im Prozess und hilft bei der Bestimmung der Integrationstiefe. Eine Parallele lässt sich nicht nur von der Zeitdauer zur internen F&E ziehen: Wenn ein internes F&E-Projekt von einem Unternehmen durchgeführt wird, wird erwartet, dass das Endergebnis die anfängliche Investition in das neue Angebot durch erhöhte Umsatzzahlen rechtfertigt. Da die Akquisition von Start-ups als Auslagerung der F&E-Anstrengungen angesehen werden kann, lässt sich hier eine ähnliche Logik anwenden. Bewerten Sie in der Strategiephase, wie das Startkapital zur Steigerung des Unternehmensumsatzes eingesetzt werden kann.
 

Start-up-AkquisitionenVerhandlungsphase

2. Seien Sie schnell und bereiten Sie sich darauf vor, das Gefühl zu haben, zu viel zu bezahlen. Für gewöhnlich ist die Entscheidungsfindung in einem Start-up viel schneller, da die Befehlskette kürzer ist und der Verkauf wahrscheinlich ganz oben auf der Prioritätenliste des Managements steht. Wenn mehrere Bieter Interesse an dem Jungunternehmen haben, erfordert dies eine zeitnahe Reaktionszeit aller Stakeholder – daher ist es hilfreich, vorab geplante und häufige Gesprächstermine auf Unternehmensseite zu haben, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen. Gleichzeitig ist die richtige Preissetzung im Auktionsprozess (Maximalpreis pro Start-up) aufgrund der Unschärfe der angewandten Bewertungsmethoden (zum Beispiel Bewertung eines Unternehmens ohne Umsätze oder zumindest mit Verlusten) in vielen Firmen umstritten. Dies führt nicht nur zu einer hohen Bewertungsunsicherheit, sondern auch zu potenziell großen Bewertungsabweichungen unter den Bietern. Auch wenn der Preis hoch erscheinen mag, hier geht es um das langfristige Potenzial einer Innovation oder sogar das Überleben eines Traditionsunternehmens, das sich selbst neu erfinden muss.
 

3. Kulturelles Einfühlungsvermögen und Vergütungssysteme sind von entscheidender Bedeutung. Selbstverständlich sind traditionelle Unternehmen und Start-ups unterschiedlich. Die Unterschiede zwischen den beiden beziehen sich unter anderem auf Schwerpunktbereiche (Stabilität gegenüber Wachstum), Zusammenarbeit (Silos gegenüber Wissensaustausch), Organisationsstruktur (Hierarchie gegenüber flacher Struktur) und Risikoprofil (risikoavers gegenüber risikobereit). Während es viele Vorteile mit sich bringt, von einem Konzernriesen geschluckt zu werden, werden die neuen Arbeitsbedingungen durch die Mitarbeiter eines Start-ups häufig kritisch betrachtet. Daher ist es oft hilfreich zu verstehen, was den neu hinzugewonnenen Kollegen wichtig ist (sofern Talent Teil des Deal Rationales ist) und einen passenden Kompromiss zu finden, anstatt die neuen Kollegen zu verprellen. Es ist viel einfacher, die Moral hoch zu halten und einen hohen Leistungsstandard zu fördern, wenn sich die Mitarbeiter auf beiden Seiten verstanden fühlen.
 




Gegenseitiger Respekt gehört bei Start-up-Akquisitionen zu den zentralen Erfolgsfaktoren.
 




Wenn Start-ups in eigenen Legal-Einheiten geführt werden und sich auf diese Weise gegebenenfalls einige der Konzernregularien in Abstimmung mit den Anspruchsgruppen reduzieren lassen, funktioniert die frühe Phase der Integration besonders gut. Dadurch werden flexible Arbeits- und Gehaltsmodelle ermöglicht, die sonst schwer umzusetzen sind. Zudem sind ein aktives Engagement und gegenseitiger Respekt ein zentraler Erfolgsfaktor.
 

Start-up-Akquisitionen: Integrationsplanungsphase

4. Die Integrationstiefe folgt dem Deal Rational – zunächst idealerweise minimal. Während für die meisten Akquisitionen die gleichen Mindestanforderungen an die Integration gelten (zum Beispiel Compliance, gesetzliche Anforderungen, Auflagen), ist die Gesamtintegrationstiefe subjektiver. Letztere ist immer fallspezifisch und hängt in hohem Maße von dem zugrunde liegenden Deal Rational ab. Generell erfordern die Unterschiede zwischen traditionellen Unternehmen und Start-ups einen schrittweisen Integrationsprozess, um das Start-up nicht zu überfordern. Auch wenn das Endziel eine vollständige Integration ist, kann es hilfreich sein, einen abgestuften Ansatz in Betracht zu ziehen, bei dem verschiedene Betriebsmodellkomponenten nacheinander integriert werden. Mit diesem Ansatz ist es wahrscheinlicher, dass Schlüsselpersonen dem Unternehmen erhalten bleiben und bei der Verwirklichung des Deal Rationales unterstützen.
 

Start-up-AkquisitionenPost-Merger-Integration-Phase

5. Etablierung eines Liaison Managers, um Wissen und Verwaltung zu kanalisieren. Ohne geeignete Vermittlung können die „Regeln und Vorschriften“ großer Unternehmen das Wachstum des Start-ups ersticken. Um die wechselseitigen Informationsanforderungen zwischen dem Unternehmen und dem Start-up zu kanalisieren und einen geeigneten und effektiven Integrationsprozess voranzutreiben, ist es sehr hilfreich, eine spezifische Rolle zu definieren. Oftmals kann ein Senior Corporate Stakeholder (M&A/HR/PMO) ein guter Kandidat sein. Die Verantwortung des Liaison Managers kann die Überwachung und Koordination der Integrationsplanung und -durchführung, die Bewertung des abgestuften Integrationsplans inklusive Entscheidung über die Zeitleiste der daraus resultierenden Integrationsmeilensteine ​​sowie die Schaffung von Transparenz für das Unternehmensmanagement umfassen.

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Die Attraktivität einer solchen Rolle wird in vielen Unternehmen durch die Schaffung eines damit zusammenhängenden Karrieremodels gestärkt. Zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Gründer des Start-ups das Unternehmen schon wieder verlassen haben, ergibt sich zudem häufig die Chance für den Liaison Manager, sich an die Spitze des neuen Unternehmensbereichs zu setzen. Eine Win-Win-Situation für das kaufende Unternehmen, da das Start-up im Integrationsprozess nicht durch administrative Anfragen und Forderungen gelähmt wird, ein Mittler zwischen den Welten die Zusammenarbeit fördert und im Anschluss ein designierter Bereichsleiter existiert, wenn die Gründer des Start-ups sich auf die nächste Unternehmensidee stürzen wollen.
 

Start-up-AkquisitionenSkalierungsphase

6. Engagement auf C-Ebene und pragmatische Finanzierungsmechanismen sind entscheidend. Sich selbst überlassen und ohne angemessene Aufmerksamkeit des Managements sind die KPIs der Start-up-Integration nur schwer, wenn nicht sogar unmöglich, zu erreichen. In der Skalierungsphase hängt die Performance oft von den investierten Ressourcen ab. Während sich Unternehmen bei Prognosen und Budgetierung auszeichnen, erfordert die Integration von Start-ups einen pragmatischeren investitionsorientierten Ansatz. Vor der Übernahme kann das Start-up oft frei und kurzfristig auf Budgets zugreifen, solange es Investoren in den Finanzierungsrunden überzeugt oder die Gründer selbst liquide sind. Ein solcher „Investitionsansatz“ kann auch innerhalb von Unternehmen in einem gewissen Maße weitergeführt werden, wenn ein separater und unabhängiger Fonds dafür errichtet wird. Der Fonds wird dann während der Konzeptionsphase für mehrere Finanzierungsrunden verwendet, um Minimum Viable Products (MVP) oder Machbarkeitsnachweise anzufertigen. In der Praxis wird oftmals eine Art Steering Committee errichtet, das sehr hochranging besetzt wird und über die Verteilung der Gelder aus dem Fond entscheidet. Der Liaison Manager und die Gründer des Start-ups präsentieren in diesem Gremium regelmäßig ihren Fortschritt und bewerben sich für weitere interne Finanzierungsrunden.

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Befindet sich ein Start-up bereits in einer späteren Entwicklungsphase mit besser vorhersehbaren Cashflows, kann ein „beratender“ Budgetierungsansatz gewählt werden, bei dem das Budget, ähnlich wie bei einem traditionellen Unternehmensprozess, eng an den wichtigsten Start-up-Stakeholdern ausgerichtet wird.
 

Start-up-AkquisitionenReifephase

7. Nehmen Sie sich Zeit für die Entwicklung, bevor Sie anfangen Teilbereiche, die nicht dem Kerngeschäft entsprechen, wieder zu veräußern. Geduld zahlt sich aus. Doch auch wenn eine klare Vision für das gemeinsame Geschäft vorliegt, kann es verlockend sein, die zukünftige Strategie für Phasen nach dem Closing und der anfänglichen Integration zu planen. Zu viele Änderungen in zu kurzer Zeit riskieren jedoch, die kritischen Säulen des Unternehmens zu destabilisieren, was möglicherweise nicht nur zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung des neuen Plans führt, sondern auch zu einem grundlegenden Wertverlust durch mangelnden Fokus der Mitarbeiter und Fluktuation. Daher ist es wichtig, dem kombinierten Unternehmen genügend Zeit zu geben, um sich entsprechend zu entwickeln und einzuspielen, bevor Folgetransaktionen vorgenommen werden.
 




Geduld zahlt sich aus – zu viele Änderungen in kurzer Zeit bergen das Risiko, die kritischen Säulen des Unternehmens zu destabilisieren. 

 



Hat ein Start-up, das nicht dem Kerngeschäft des kaufendem Unternehmens entspricht, eine gewisse Größe und Marktreife erreicht, sollte jedoch auch ein Verkauf (zumindest von Teilbereichen) in Betracht gezogen werden. In der Reifephase werden die Finanzierungsbedarfe oftmals so groß, dass sie gegenüber den Anspruchsgruppen des Käufers nur schwer vermittelbar werden.
 

Die dargestellten Aspekte aus der EY-Beraterpraxis wurden durch eine Studie von EY mit verschiedenen Unternehmen untermauert. Neben diesen Aspekten und deren Ausgestaltung in der unternehmensspezifischen Praxis, gibt es viele spannende Herausforderungen, denen sich unsere Wirtschaft stellen muss, um die 2020er Jahre erfolgreich zu meistern.

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    Fazit

    Akquirierte Start-ups werden von Unternehmen immer häufiger stärker integriert, anstatt sie eigenständig zu erhalten. Gleichzeitig erfüllen nur wenige Start-up-Zukäufe die ursprünglichen Erwartungen von Firmen. Dies liegt auch an daran, dass viele Unternehmen über keine explizierte Integrationsstrategie verfügen. Diese ist jedoch wichtig, damit die Akquisition auf längere Sicht Früchte trägt. 


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