Wasserstoffproduktionsanlage

Wie Unternehmen Transaktionen absichern können

Für Mergers & Acquisitions gibt es Versicherer, die sowohl für unbekannte Altlasten als auch für spezifische bekannte Risiken haften.

Überblick

  • Der Verkäufer eines Unternehmens muss längst nicht mehr zwingend die Altlasten im Rahmen einer Gewährleistungs- beziehungsweise Garantieklausel übernehmen.
  • Gewährleistungsversicherungen (W&I-Versicherungen – Warranty & Indemnity) decken viele unbekannte Risiken ab.
  • Spezialversicherungen wiederum übernehmen klar definierte Risiken und räumen somit potenzielle „Dealbreaker“ aus dem Weg.

Bei Unternehmenskäufen stellt sich stets die Frage: Wie können die Parteien mit historischen (Steuer-)Risiken umgehen? Üblicherweise gilt der Grundsatz, dass der Verkäufer die Altlasten im Rahmen einer Gewährleistungs- beziehungsweise Garantieklausel übernimmt. Doch seit einigen Jahren gibt es Alternativen. Dazu zählt insbesondere die Absicherung unbekannter Risiken durch W&I-Versicherungen (Warranty & Indemnity), auf Deutsch Gewährleistungsversicherungen. Daneben treten Spezialversicherungen in Erscheinung, die klar definierte Risiken übernehmen. Diese sind geeignet, potenzielle „Dealbreaker“ auszuräumen und damit eine Transaktion erst zu ermöglichen. Allerdings prüfen die Versicherer die Risiken sehr genau, sodass sie frühzeitig im Transaktionsprozess angesprochen werden sollten.

W&I-Versicherung

Die im Markt etablierte W&I-Versicherung deckt die Garantien, Gewährleistungen und Freistellungserklärungen des Verkäufers ab und beschränkt sich auf doppelt unbekannte, das heißt nicht bekannte und in der Due Diligence nicht bekannt gewordene, Risiken. Grundsätzlich können sämtliche Garantien des Unternehmenskaufvertrags erfasst werden, zum Beispiel Eigentums- und Vermögenswertgarantien, Real-Estate-, IP/IT-, Bilanz- oder Steuergarantien. Die Versicherungen setzen allerdings voraus, dass der Unternehmenskaufvertrag wie von einem selbst haftenden Verkäufer verhandelt wird, und nehmen insbesondere bei marktunüblichen oder extensiven Garantien Änderungen in der W&I-Police vor, sodass sich eine Haftungslücke ergeben kann. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig einen möglichen Versicherungsschutz und dessen Umfang abzuklären.

Grenzen der W&I-Versicherung

Grundsätzlich enthalten alle W&I-Policen Haftungshöchstgrenzen. Ausgeschlossen werden auch Bereiche, die im Rahmen der Legal, Tax und Financial Due Diligence nicht untersucht wurden. Dieser Ausschluss kann sich auf spezielle Bereiche beziehen oder auf ganze Jurisdiktionen, zum Beispiel bei kleinen Tochtergesellschaften im Ausland, die aufgrund der unbedeutenden Größe in der Due Diligence nicht untersucht wurden. Häufig ausgeschlossen werden auch spezifische Umweltthemen, Fälle von Korruption und Bestechung oder die Unterfinanzierung von Betriebsrenten. Vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind zudem spezifische Risiken, die im Rahmen der Due Diligence identifiziert werden, etwa die Nichteinhaltung von geltendem Datenschutzrecht. 

 

Eine belastbare W&I-Versicherung setzt insbesondere eine umfassende Due Diligence voraus. In der Steuer-Due-Diligence bedeutet dies zum Beispiel, dass alle zu versichernden Veranlagungszeiträume, Steuerarten, Zielgesellschaften und Jurisdiktionen von der Due Diligence erfasst sein müssen.

 

Spezialversicherung

Hat ein identifiziertes Risiko eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, jedoch ein hohes Schadenspotenzial, ergibt sich ein potenzieller „Dealbreaker“, der gegebenenfalls durch eine Spezialversicherung beseitigt werden kann. Ein typisches Beispiel dafür sind Risiken, die sich aus einem unklaren Wortlaut des Ergebnisabführungsvertrags in einer ertragsteuerlichen Organschaft ergeben können. Auch Transfer-Pricing-Risiken werden heute nicht mehr kategorisch vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Infrage kommt zudem die Versicherung eines Risikos bei der rückwirkenden Anwendung von Rechtsnormen, etwa bei der andauernden Unsicherheit in Bezug auf eine rückwirkende Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes.

Beispiel Steuerrisiko

Eine belastbare W&I-Versicherung setzt insbesondere eine umfassende Due Diligence voraus. In der Steuer-Due-Diligence bedeutet dies zum Beispiel, dass alle zu versichernden Veranlagungszeiträume, Steuerarten, Zielgesellschaften und Jurisdiktionen von der Due Diligence erfasst sein müssen. Dabei sollten auch Prüfungsbereiche und -handlungen detailliert beschrieben werden, bei denen sich kein Risiko ergeben hat. Eine Spezialversicherung setzt demgegenüber eine detaillierte Aufbereitung des zu versichernden Risikos voraus. Die steuerliche Würdigung sollte die risikobestimmende Rechtsunsicherheit umfassend darlegen und sowohl eine begründete Risikoqualifikation als auch eine belastbare Risikoquantifizierung beinhalten. Ergänzend zu der Due Diligence beziehungsweise dem Steuergutachten wird üblicherweise zwischen dem Versicherer, dessen Beratern und dem Ersteller des Due-Diligence-Berichts beziehungsweise Steuergutachtens ein Underwriter Call vereinbart, in dem etwaige Fragen und der Umfang des Versicherungsschutzes abgestimmt werden. Auch wenn immer mehr W&I-Versicherungen abgeschlossen werden, lohnen sie sich nicht in allen Fällen.

Vorteile versus Nachteile einer W&I-Versicherung

Für den Käufer ist es wesentlich, einen zahlungskräftigen Anspruchsgegner im Falle des Auftretens von Gewährleistungsansprüchen zu haben. Dank einer Versicherung werden etwaige Liquiditäts- und Insolvenzrisiken des Verkäufers nach dem Closing vermieden, ohne dass ein Teil des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto einzuzahlen oder anderweitig abzusichern wäre. Bei mehreren Verkäufern wird durch eine W&I-Versicherung die Abwicklung von Haftungsfragen deutlich vereinfacht, da es nur einen Ansprechpartner für den Käufer gibt. Schließlich ist eine solche Versicherung in einem Bieterverfahren insofern von Vorteil, als die Haftung des Verkäufers stark reduziert werden kann.

Dem stehen in erster Linie die zusätzlichen Kosten für die Versicherung und eine detailliertere Due Diligence gegenüber, die in der Regel der Käufer trägt. Die Versicherungskosten setzen sich meist aus erstens der Prämie für die Versicherung, zweitens einer Underwriting Fee, die auch anfällt, wenn es nicht zum Abschluss des Unternehmenskaufvertrags kommt, und drittens der Broker-Kommission für die Vermittlung der Versicherung zusammen. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Melde- und Kooperationspflichten gegenüber der Versicherung und andere formale Erfordernisse. Die Versicherungspolice beschreibt grundsätzlich genaue Verfahrensschritte für einen Haftungsfall. Bei Nichteinhaltung, zu Beispiel bei einer zu späten oder unvollständigen Meldung des Schadens, kann es je nach Versicherungspolice zur Reduktion oder gar zu einem Ausfall der Versicherungsleistung kommen. 

 

Niedrigere Prämien korrelieren häufig mit einem geringeren Deckungsgrad der Garantien und Freistellungen und damit mit einer deutlich reduzierten Versicherungsleistung.

 

Prämien variieren

Die Preise für eine W&I-Police variieren stark, je nach Versicherung, Haftungshöchstgrenze, Freibeträgen, De Minimis und Haftungsumfang. Ein Fall aus der Praxis: Bei einer Haftungshöchstgrenze von 7,5 Millionen Euro wurden Preise zwischen 90.000 und 130.000 Euro angeboten, während bei einer Haftungshöchstgrenze von 20 Millionen Euro zwischen 180.000 Euro und 220.000 Euro aufgerufen wurden. Bei Spezialversicherungen ist die Prämie sehr vom Einzelfall abhängig. Erfahrungsgemäß liegen die Prämien bei einer steuerlichen Spezialversicherung zwischen 2 und 7 Prozent der vereinbarten Haftungshöchstgrenze.

Das Kleingedruckte lesen, um Haftungslücken zu vermeiden

Bei der Auswahl sollte aber nicht nur auf die Kosten geschaut werden. Insbesondere ist der Umfang der Haftungsabdeckung bei W&I-Versicherungen sehr uneinheitlich. Niedrigere Prämien korrelieren häufig mit einem geringeren Deckungsgrad der Garantien und Freistellungen und damit mit einer deutlich reduzierten Versicherungsleistung. Insoweit ist neben einer belastbaren Due Diligence eine sorgfältige Prüfung der Garantien und der Freistellungen im Unternehmenskaufvertrag sowie ihrer Abdeckung in einer W&I-Police oder Spezialversicherung erforderlich. Schließlich geht es um einen belastbaren Versicherungsschutz und darum, im Schadensfall überraschende Haftungslücken zu vermeiden.

Autor:innen: Dr. Christoph Imschweiler und Sylvia Semkowicz

Fazit

Eine Transaktion geht mit zahlreichen Risiken einher, zum Beispiel Steuerrisiken. Einige davon lassen sich durch W&I-Versicherungen oder Spezialversicherungen abdecken. Eine W&I-Versicherung deckt die Garantien, Gewährleistungen und Freistellungserklärungen des Verkäufers ab und hat Haftungshöchstgrenzen. Eine Spezialversicherung kann zum Einsatz kommen, wenn ein identifiziertes Risiko eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, jedoch ein hohes Schadenspotenzial hat. Unternehmen sollten Versicherer frühzeitig im Transaktionsprozess ansprechen und genau auf etwaige Haftungslücken in der Police achten.

Mehr zum Thema

Wie das UmRUG mehr Sicherheit bei grenzüberschreitenden Umwandlungen schafft

Deutschland setzt die EU-Richtlinie um, die mehr Sicherheit bei Spaltungen und Formwechseln schaffen soll.

Wie Unternehmen auf Krisenwellen und neue Regulatorik reagieren können

Geopolitische Risiken und regulatorische Faktoren, Zinsen und Inflation, Technologiesprünge und ESG zwingen Unternehmenslenker zu strategischen Entscheidungen. M&A-Transaktionen rücken verstärkt in den Fokus. Ob Zukäufe, Abspaltungen, Carve-outs, Joint Ventures oder andere Transaktionen – es gibt viele steuerliche und rechtliche Implikationen.

Warum steuerliche Aspekte für die Reorganisation eine wichtige Rolle spielen

Gerade schwierige Zeiten erfordern Reorganisationen. Wie wichtig dabei steuerliche Aspekte sind, zeigen beispielhaft Carve-outs. Informieren Sie sich hier.

    Über diesen Artikel