Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten und erste Tätigkeitsstätte

Seit der Änderung des Reisekostenrechts zum 01.01.2014 haben die Finanzgerichte immer wieder zu klären, unter welchen Voraussetzung eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist. Ob eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt bzw. wo sie sich befindet, ist insbesondere relevant für die Frage, ob etwa Fahrten zwischen der Wohnung und dem Tätigkeitsort nach Reisekostengrundsätzen oder nur mit der Entfernungspauschale angesetzt werden können. In einem neu veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) unter anderem erläutert, dass die Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten in einer Einrichtung des Arbeitgebers eine Tätigkeit im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG ist (Urteil vom 26.10.2022, VI R 48/20).

Sachverhalt

Der Kläger ist in A als Feuerwehrmann angestellt. Im Streitjahr (2016) war er an 112 Tagen in der Feuerwache B eingesetzt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er Fahrtkosten in Höhe von 1.008 Euro nach Reisekostengrundsätzen geltend.

Das Finanzamt setzte hingegen nur die Entfernungspauschale in Höhe von 504 Euro an. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) gab dagegen der Klage statt.

BFH widerspricht dem Finanzgericht

Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen laut BFH jedoch nicht dessen Schlussfolgerung, dass der Kläger der Feuerwache B nicht dauerhaft zugeordnet worden ist.

Das FG hat eine (dauerhafte) Zuordnung des Klägers zur Feuerwache B allein mit der Begründung verneint, der Kläger sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach entsprechender Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten (Ziffer 6 des Arbeitsvertrags). Darin wird als Beschäftigungsdienststelle/-ort allgemein auf die verschiedenen Standorte hingewiesen, an denen der Kläger eingesetzt werden kann.

Ob der Arbeitgeber den Kläger einer dieser betrieblichen Einrichtungen tatsächlich zugeordnet hat, lässt sich laut BFH dieser Bestimmung nicht entnehmen. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werden soll, steht seiner Zuordnung zu einer dieser betrieblichen Einrichtungen durch den Arbeitgeber nicht entgegen.

Dienstpläne haben nur Indizcharakter

In diesem Zusammenhang weist der Senat insbesondere darauf hin, dass die Dienstpläne höchstens ein Indiz für eine dauerhafte Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers sein können. Hier sind weitere Feststellungen erforderlich. Denn der Kläger hat vorgetragen, dass es an einer dauerhaften Zuordnung zur Feuerwache B oder zu einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers fehle. Er habe ohne konkrete Festlegung von vornherein an sämtlichen Standorten eingesetzt werden sollen.

Erforderlicher Umfang der Tätigkeit

Gelangt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass doch eine solche dauerhafte Zuordnung vorlag, ist zu klären, ob der Kläger dort in dem erforderlichen Umfang tätig geworden ist. Nach Auffassung des Senats sind bei einem Angehörigen der Betriebs-/Werksfeuerwehr dabei auch die Arbeitsbereitschafts- und die Bereitschaftsruhezeiten als Tätigkeiten im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.

Fazit und Handlungsempfehlung

Bereitschaftsdienst haben nicht nur Feuerwehrleute oder Ärzte, sondern beispielsweise auch bestimmtes in einer IT-Abteilung oder bei einem Energieversorger beschäftigtes Personal. Sind zudem mehrere Einsatzorte gegeben, sollte geprüft werden, ob die in diesem Urteil erläuterten Grundsätze zum Tragen kommen.

Liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor, können die Kosten für den Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach Reisekostengrundsätzen geltend gemacht werden. Bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils für einen Firmenwagen ist diese Wegstrecke nicht zu berücksichtigen. Außerdem kommt der Ansatz bzw. die steuerfreie Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen in Betracht.

Erste Tätigkeitsstätte ist grundsätzlich die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

tätig werden soll.

Das Urteil des BFH bezieht sich auf den zuletzt genannten Fall. Sofern Arbeitsbereitschafts- oder Bereitschaftsruhezeiten vorliegen, sind daher diese Zeiten bei der Prüfung, ob die Tätigkeit je Arbeitswoche dauerhaft typischerweise arbeitstäglich bzw. mindestens zwei Arbeitstage oder ein Drittel der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit an einem bestimmten Ort ausgeübt werden soll, als Arbeitszeit zu berücksichtigen.