Knackpunkte Inlandsaufenthalt zur medizinischen Behandlung und Reisebeschränkungen während der Pandemie
Für Kinder, die ihren Wohnsitz (oder gewöhnlichen Aufenthalt) weder im Inland noch in einem EU-/EWR-Staat haben, besteht kein Anspruch auf deutsches Kindergeld (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG). Die Frage, ob ein im Ausland studierendes Kind im Inland noch einen Wohnsitz hat, beschäftigt daher immer wieder die Finanzgerichte. Häufiger Streitpunkt ist hier, ob, wie vom BFH gefordert, die ausbildungsfreie Zeit überwiegend im Inland verbracht wurde und diese Aufenthalte Wohncharakter hatten. So auch in zwei aktuellen finanzgerichtlichen Urteilen.
Inlandsaufenthalt zur medizinischen Behandlung
Studienaufenthalt verlängert
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die Tochter der Klägerin für mehrere Jahre ein College in Australien besucht hatte (Urteil vom 07.01.2020, 5 K 168/17). Wenn ein Auslandsaufenthalt lediglich für ein Jahr geplant ist, geht nach der Rechtsprechung des BFH die Bindung an den Wohnsitz im Haushalt der Eltern nicht verloren. Die junge Frau hatte allerdings den zunächst nur für ein Jahr geplanten Studienaufenthalt verlängert.
Aufenthalte in Deutschland zu kurz
Ihre Aufenthalte in Deutschland mit Wohncharakter nach dem ersten Jahr waren laut Gericht für die Beibehaltung des Wohnsitzes zu kurz. Insbesondere habe ihr längerer Aufenthalt zur ärztlichen Behandlung und anschließenden Reha-Maßnahmen keinen Wohncharakter. Das FG ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Tochter ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hat, als sie sich entschied, das Studium in Australien fortzusetzen. Es bestand somit kein Anspruch auf Kindergeld mehr.
Revision anhängig
Die Mutter hat gegen das Urteil Revision eingelegt (III R 11/21). Der BFH wird nun zu entscheiden haben, ob Krankenhausaufenthalte im Inland bei Inlandsbesuchen mitzählen, wenn es um die Frage geht, ob ein im Ausland studierendes Kind seinen inländischen Wohnsitz beibehalten hat.
Verbleib im Ausland aufgrund der Pandemie
Keine Erlaubnis zur Wiedereinreise
In einem anderen Fall war der Sohn während seines Schulbesuchs in Australien in der vorlesungsfreien Zeit nicht nach Deutschland zurückgekehrt, weil die Gefahr bestand, dass er aufgrund der COVID-19-Pandemie keine Erlaubnis zur Wiedereinreise erhalten würde. Hier entschied das Finanzgericht Hessen, dass der Kindergeldanspruch erhalten blieb, obwohl das Kind nicht während mindestens der Hälfte der Schulferien in Deutschland gewohnt hatte (Urteil vom 03.03.2022, 3 K 673/21).
Reisebeschränkungen sind objektive Umstände
Es führt unter anderem aus, dass im Einzelfall die territorialen Voraussetzungen als erfüllt gelten können, wenn weiterhin eine Heimreiseabsicht bestand und die Heimkehr ins Inland nur aufgrund der Corona-Pandemie unterblieb (z. B. Reiseverbot, Einstellung des Flugverkehrs, Grenzschließungen). Bei Ein- bzw. Ausreiseverboten handle es sich um objektive Umstände, auf die der Bürger keinen Einfluss hatte. Dies sei nicht vergleichbar mit der Konstellation, in der eine Heimreise etwa infolge fehlender finanzieller Mittel unterblieb.
Absicht zur Heimreise lag vor
Das Gericht war auch davon überzeugt, dass der Sohn der Klägerin im Streitzeitraum (2020 und 2021) die Absicht hatte, während der Schulferien nach Hause zu reisen. Denn er hatte im Schuljahr 2019 aufgrund seiner engen Bindung zu seinen Eltern mehr als die Hälfte der Ferienzeit im Inland bei seinen Eltern verbracht.