Am 28.09.2023 entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28.09.2023, 5 Sa 15/23) als erstes Landesarbeitsgericht über die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich – vermeintlich – nicht erbrachter Arbeitsleistungen im Homeoffice: Die klagende Arbeitnehmerin wurde von ihrer Arbeitgeberin dazu aufgefordert, einen Teil ihrer Vergütung zurückzuzahlen, weil sie angeblich im Homeoffice unzureichende/keine Arbeit geleistet habe. Zu Unrecht, entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Die Arbeitgeberin habe nicht objektivierbar darlegen können, inwiefern die Arbeitnehmerin ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt habe.
Vergütung kann grundsätzlich reduziert werden
Obwohl Arbeit im Homeoffice in vielen Unternehmenskulturen mittlerweile durchaus üblich ist, erzeugt sie oftmals Konflikte. Viele Unternehmen bevorzugen es, wenn ihre Beschäftigten wieder ins Büro zurückkehren. Arbeitgeber stellen sich offenbar häufig die Frage, was ihre Angestellten während der Homeoffice-Zeit tatsächlich tun und ob sie in ausreichendem Maß ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung nachkommen. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in diesem speziellen Fall festgestellt, dass auch bei Homeoffice-Arbeit die Vergütung reduziert oder ganz gestrichen werden kann, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung nicht oder nicht vollständig erbringen. Eine „low performance“, dass also Arbeitnehmer im Homeoffice ihre Arbeitspflichten entweder kaum oder schlecht erfüllen, muss der Arbeitgeber aber nachweisen.
Sachverhalt
Überwiegende Tätigkeit im Homeoffice
Die klagende Arbeitnehmerin war bei der Beklagten als Pflegemanagerin in Vollzeit beschäftigt. Sie erbrachte ihre Arbeitsleistung absprachegemäß zu einem Großteil im Homeoffice, wobei sie dort insbesondere das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen überarbeiten sollte. Die Arbeitszeit im Homeoffice wie auch im Büro erfasste die Klägerin monatlich eigenständig in einer vorgegebenen Tabelle und ließ sie von der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten gegenzeichnen.
Arbeitgeberin verlangt Arbeitsentgelt zurück
Nach der ordentlichen Kündigung der Klägerin durch die Beklagte verlangte diese von der Klägerin die Rückzahlung von bereits erhaltenem Arbeitsentgelt für rund 300 Arbeitsstunden, die die Klägerin für Arbeit im Homeoffice angegeben, tatsächlich aber nicht erbracht haben soll. Während dieser Zeit habe die Klägerin keine Änderungen an den Qualitätshandbüchern vorgenommen, auch sonst fehlten weitere objektivierbare Ausarbeitungen oder Arbeitsdokumente. Die Beklagte erklärte schließlich die Aufrechnung über diesen Betrag unter anderem mit noch ausstehendem Arbeitslohn der Klägerin. Die Klägerin wehrte sich hiergegen mit einer Klage auf Zahlung des restlichen Arbeitsentgelts.
Entscheidung
Keine Verpflichtung zur Rückzahlung
Nachdem das Arbeitsgericht Stralsund entschieden hatte, dass die Klägerin nicht zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung verpflichtet sei, blieb auch die Berufung der Beklagten insoweit ohne Erfolg. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (LAG) folgte der vorhergehenden Entscheidung, indem es der Klägerin einen ungekürzten Anspruch auf das ausstehende Nettoentgelt zusprach. Die Klägerin sei nicht zur Rückzahlung des Arbeitsentgelts über die angegebenen 300 Arbeitsstunden im Homeoffice verpflichtet.
Nachweispflicht liegt beim Arbeitgeber
Der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers entfalle nur dann, wenn dieser seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkomme. Hierfür liege aber die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber. Dies gelte auch für Arbeiten im Homeoffice.
Die Beklagte habe vorliegend nicht ausreichend dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin im Homeoffice ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht habe. Dass die Klägerin im Homeoffice tatsächlich verschiedene Arbeitsleistungen erbracht habe, ergebe sich insbesondere aus der E-Mail-Korrespondenz der Klägerin. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, ließen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleitungen schließen. In diesem Zusammenhang sei es auch unerheblich, ob die Klägerin in der gewünschten Zeit oder im gewünschten Umfang Aufgaben erledigt habe. Ein Arbeitnehmer genüge seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit arbeite.