Regelmäßige Rückkehr laut Konsultationsvereinbarung
In § 7 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.2010 haben Deutschland und die Schweiz festgelegt, an wie vielen Tagen eine Rückkehr erforderlich ist, damit diese als regelmäßig eingestuft werden kann. Danach soll eine regelmäßige Rückkehr auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer aufgrund eines oder mehrerer Arbeitsverträge mindestens an einem Tag pro Woche oder mindestens an fünf Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurück begibt. Dem hat der BFH mit Urteil vom 01.06.2022 (I R 32/19) und vom 28.06.2022 (I R 24/21) entschieden widersprochen.
BFH: Grenzgängerbegriff
Laut BFH setzt der Grenzgängerbegriff des Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz 1971/2010 keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA Schweiz 1971/2010. Denn die Voraussetzung „regelmäßig“ beziehe sich ausdrücklich nur auf das Verb „zurückkehrt“. Anhaltspunkte für eine absolute Mindestzahl der Einsatztage am Arbeitsort im anderen Vertragsstaat kann der BFH dem Wortlaut der Regelung nicht entnehmen.
Regelmäßige Rückkehr
Für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer regelmäßig an seinen Wohnort zurückgekehrt ist, kann laut BFH nur die Gesamtzahl der Tätigkeitstage maßgeblich sein. Demnach müsse (nur) bezogen auf diese Tätigkeitstage (und nicht bezogen auf das gesamte Jahr) eine regelmäßige und nicht nur gelegentliche Rückkehr vorliegen. Die anderslautende Regelung in § 7 KonsVerCHEV verstoße gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes.
Bindung an den Wohnsitzstaat
Der BFH stellt in seiner Begründung auch auf den Zweck der Grenzgängerregelung ab. Sie habe zum Ziel, eine engere Bindung des Steuerpflichtigen zum Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen. Jede tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz stärke – unabhängig von ihrem Ausgangspunkt – die Bindung zum Ansässigkeitsstaat. Die Bindung an den Ansässigkeitsstaat lockere sich nicht allein dadurch, dass der Arbeitsort im anderen Vertragsstaat nur selten aufgesucht wird. Daher kann dies nicht der Anwendung der Grenzgängerregelung entgegenstehen.
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Deutschland vermeidet die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der Schweizer Quellensteuer in Höhe von 4,5 Prozent (Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA Schweiz 1971/2010) auf die inländische Einkommensteuer (Art. 15a Abs. 3 Buchst. a DBA Schweiz 1971/2010 i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).
Eine zusätzliche Anwendung des § 34c EStG ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die Schweiz entgegen Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA Schweiz 1971/2010 mehr als 4,5 Prozent Quellensteuer einbehalten haben sollte (Senatsurteil vom 02.03.2010, I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820).
Behandlung in der Schweiz
Nach unseren Erfahrungen vertreten die Finanzbehörden in der Schweiz eine andere Auffassung als der BFH. Bereits bei Beschäftigten, die nur an fünf Tagen pendeln oder vermehrt im Homeoffice arbeiten, sehen sie die Anwendung der Grenzgängerregelung kritisch. Wir gehen davon aus, dass die Schweizer Finanzverwaltung bei Sachverhalten wie im Streitfall (lediglich drei Arbeitstage im Monat in der Schweiz) die Grenzgängerregelung nicht anwenden würde.