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Erstattete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung

Risiko Hinzurechnung von Einkünften

Werden Beiträge zur (Basis-)Kranken- bzw. zur gesetzlichen Pflegeversicherung erstattet, wird zunächst die Erstattung mit den im betreffenden Jahr geleisteten Beiträgen verrechnet. War die Erstattung höher als die gezahlten Beiträge, verbleibt ein sogenannter Erstattungsüberhang, der den Einkünften hinzuzurechnen ist. Dies gilt laut einem im Juli veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.03.2023 (X R 27/21) auch dann, wenn die Erstattung darauf beruht, dass ein Sozialversicherungsverhältnis rückabgewickelt oder rückwirkend umgestellt worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bescheide der Zahlungsjahre im Erstattungsjahr noch nach § 173 ff. AO (aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses, neuer Tatsachen etc.) änderbar sind.

Rückwirkender Wechsel von der freiwilligen zur Pflichtversicherung

Im Streitjahr (2017) bezog die Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Außerdem erstattete ihr die Krankenkasse Beiträge zur Basis-Krankenversicherung und zur Basis-Pflegeversicherung der Jahre 2003 bis 2016 in Höhe von rund 40.000 Euro. Die Klägerin hatte in diesem Zeitraum Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung entrichtet. Doch im sozialgerichtlichen Verfahren wurde festgestellt, dass die Klägerin in diesem Zeitraum die Voraussetzungen der Pflichtversicherung erfüllt hatte. Das Versicherungsverhältnis wurde daher rückwirkend umgestellt.

Finanzamt setzt 37.000 Euro Einkünfte an

Das Finanzamt erfasste die Zahlung der Krankenkasse als erstattete Aufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG und verrechnete sie zunächst mit den Vorsorgeaufwendungen. Den restlichen Betrag von rund 37.000 Euro setzte es als Einkünfte an. Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) blieb ohne Erfolg.

  • Hintergrund: Erstattungsüberhang bei bestimmten Sonderausgaben

    Übersteigen bei den Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 3a die im Veranlagungszeitraum erstatteten Aufwendungen die geleisteten Aufwendungen, ist der Erstattungsüberhang mit anderen im Rahmen der jeweiligen Nummer anzusetzenden Aufwendungen zu verrechnen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Betroffen sind unter anderem Beiträge zu einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung und zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung.

    Ein verbleibender Erstattungsüberhang ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG). Dies gilt allerdings nur für Beiträge zur Kranken- (Basisabsicherung) und zur gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) sowie für gezahlte Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

BFH bestätigt: Einkünfte sind anzusetzen

Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt. Grundsätzlich seien alle Zahlungen hinzuzurechnen, die Steuerpflichtige als Rückfluss von Aufwendungen für mit den im Gesetz genannten Sonderausgaben erhalten. Auf den Grund für den Rückfluss komme es nicht an. Eine solche Einschränkung ergebe sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift und auch nicht aus ihrem Sinn und Zweck einer Verfahrensvereinfachung.

Keine Einschränkung des Anwendungsbereichs

Gerade bei einer Rückabwicklung eines irrtümlich angenommenen Sozialversicherungsverhältnisses wie im Streitfall entstünde ohne die betreffende Regelung ein sehr hoher Verwaltungsaufwand. Diese Fälle vom Anwendungsbereich auszunehmen liefe dem Zweck der Vorschrift zuwider.

Es sei auch nicht erforderlich, dass die Einkommensteuerbescheide für die Zahlungsjahre nach § 173 ff. AO noch geändert werden können. Andernfalls müssten diese Vorschriften geprüft werden, was dem Ziel einer Vereinfachung ebenfalls widerspräche.

Abgrenzung zum Urteil des BFH zur Erstattung von Beiträgen zur Rentenversicherung

Anders zu beurteilen ist die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Diese sind nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG steuerbar, jedoch gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei (BFH, Urteil vom 07.07.2020, X R 35/18). Einer Berücksichtigung solcher Erstattungen durch die Verrechnung mit geleisteten Beiträgen hat der BFH in dieser Entscheidung eine Absage erteilt: „Die Einordnung von Zahlungen als Einkünfte schließt damit deren gleichzeitige Berücksichtigung als negative Aufwendungen aus, sofern gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist.“

Handlungsempfehlung

Zusätzliche Einkünfte in dieser Größenordnung dürften in vielen Fällen den Steuersatz für die übrigen Einkünfte (außer denen aus Kapitalvermögen) hochschnellen lassen. Eine Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung für mehrere Jahre lässt sich allerdings nicht immer vermeiden. Doch zumindest können Arbeitgeber beispielsweise Erstattungsfälle reduzieren, die auf einer verspätet entdeckten Scheinselbständigkeit beruhen. Hier ist zu empfehlen, dass im Zweifel frühzeitig eine eventuelle Krankenversicherungspflicht geprüft wird.

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