Leitsatz
Eine (stillschweigende) Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (Anschluss an das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 9, Beispiel 1 und Abwandlung).
Urteilsfall: Arbeitgeber geht von erster Tätigkeitsstätte aus
Der Kläger war in den Streitjahren 2015 bis 2017 als Bauleiter bei einem international tätigen Bauunternehmen, einer AG, beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag war sein „Einstellungsort“ in der Stadt „Z“, in der die AG eine Niederlassung unterhielt. Dem Kläger stand ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Sein Arbeitgeber versteuerte im Rahmen der Lohnsteuer-Anmeldungen einen geldwerten Vorteil aus der Nutzung für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach der sogenannten 0,03%-Regelung. Der Sachbezug belief sich auf 216,63 Euro im Monat.
Kläger erklärt Verpflegungsmehraufwendungen
In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger unter anderem Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Als Ort der ersten Tätigkeitsstätte gab er „Z“ an. Außerdem setzte er Verpflegungsmehraufwendungen für eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden am Tag an, und zwar im Jahr 2015 an 178 Tagen, im Jahr 2016 an 162 Tagen und im Jahr 2017 an 168 Tagen. Als Nachweis fügte er Bescheinigungen seines Arbeitgebers bei.
Finanzamt lehnt Ansatz ab
Das Finanzamt erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen nicht an. Der Kläger habe seine erste Tätigkeitsstätte in „Z“, da er dieser Stätte dauerhaft zugeordnet sei. Es entspreche regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet sei, in der er tatsächlich tätig werden solle. Der Kläger habe die Zeiten der Abwesenheit von seiner ersten Tätigkeitsstätte nicht glaubhaft gemacht oder nachgewiesen. Aus den eingereichten Abrechnungen sei lediglich die für die jeweilige Baustelle angerechnete Arbeitszeit ersichtlich.
Erfolgreiche Klage vor dem Finanzgericht
Der Kläger verfolgte sein Anliegen weiter und erhob Klage vor dem Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass „Z“ nicht seine erste Tätigkeitsstätte und der Bruttoarbeitslohn daher um 216,63 Euro im Monat zu kürzen ist. Außerdem begehrte er weiterhin den Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass der Kläger in der Niederlassung der Y-AG in der X-Straße in Z nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte. Daher verringerte es den Arbeitslohn des Klägers um die sich aus der Anwendung der 0,03 %-Regelung ergebenden Beträge. Die Entfernungspauschale war somit nicht anzusetzen. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen erkannte das Gericht als Werbungskosten an. Die Finanzverwaltung legte gegen das Urteil Revision vor dem BFH ein.
BFH bestätigt finanzgerichtliche Entscheidung
Doch der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts aus den folgenden Gründen:
Keine Zuordnung durch den Arbeitsvertrag
Das FG war davon ausgegangen, dass die Angabe des Einstellungsorts Z im Arbeitsvertrag des Klägers durch den Charakter der Y-AG als international tätiges Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland geschuldet ist. Dieser Passus ist laut FG so zu verstehen, dass der Kläger im Bereich der Niederlassung in Z eingesetzt werden soll. Die Zuordnung zu einer (bestimmten) ortsfesten Einrichtung sei damit aber nicht verbunden gewesen. Diese Auslegung des Anstellungsvertrags ist nach Auffassung des BFH möglich, wird durch die Aussage des Vorgesetzten des Klägers bestätigt und ist damit für den Senat im Ergebnis bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Tätigkeit überwiegend außerhalb
Insbesondere waren die Tätigkeiten des Klägers als Bauleiter jedenfalls ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes der Niederlassung in Z zu erledigen, führt der BFH weiter aus. Daher konnte nicht ohne weitere Anhaltspunkte (die im Streitfall fehlten) angenommen werden, eine Zuordnung des Klägers zum Bezirk der Niederlassung bedeute auch gleichzeitig eine Zuordnung zu dem Niederlassungsgebäude in Z.
Keine weiteren zusätzlichen Absprachen
Zudem habe das FG keine weiteren ausdrücklichen (mündliche oder schriftliche) Absprachen über die Zuordnung des Klägers zum Gebäude des Arbeitgebers in Z festgestellt.
Keine stillschweigende Zuordnung
Nach den Feststellungen des FG musste der Kläger das Gebäude der Niederlassung in Z (ex ante) nur gelegentlich aufsuchen, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder an Besprechungen teilzunehmen. Ansonsten erbrachte er seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung.