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Erweiterte Arbeitgeberpflichten ab 01. August

Was ändert sich und welche Auswirkungen haben diese Änderungen in der Praxis?
 

Der Bundestag hat am 23.06.2022 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (im Folgenden: „Arbeitsbedingungenrichtlinie“) verabschiedet. Der Bundesrat hat das Gesetz am 08.07.2022 gebilligt. Ziel der Arbeitsbedingungenrichtlinie ist es, die Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union durch transparentere und vorhersehbarere Beschäftigungen zu verbessern sowie die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarkts zu gewährleisten. Dafür sieht die Richtlinie eine Vielzahl von Maßnahmen und Pflichten vor. 

Es ist die größte Wahrheit unserer Epoche: Information ist nicht Wissen.

Arbeitsbedingungenrichtlinie (EU)

Am 20.06.2019 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Arbeitsbedingungenrichtlinie verabschiedet, Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union. Sie ist am 31.07.2019 in Kraft getreten.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Arbeitsbedingungenrichtlinie bis zum 31.07.2022 in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht dies durch Änderungen mehrerer Gesetze vor, die ab dem 01.08.2022 gelten werden.

Das sind die wichtigsten Neuerungen:

Nachweisgesetz (NachwG)

Die meisten Änderungen sieht das Gesetz im NachwG vor. In § 2 NachwG werden die Nachweispflichten von Arbeitgebern ergänzt und ihnen zum Teil neue Informationspflichten auferlegt. Insbesondere das vorgesehene Enddatum eines Arbeitsverhältnisses, der Hinweis auf die freie Wahl des Arbeitsortes, die Dauer der Probezeit, die Vergütung von Überstunden sowie die Vereinbarung von Ruhepausen und Schichtarbeit müssen – sofern zwischen den Parteien vereinbart – zukünftig schriftlich niedergelegt, unterschrieben und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.

Neue Nachweis- und Informationspflichten

Bei Schichtarbeit sind sowohl das Schichtsystem und der Schichtrhythmus als auch gegebenenfalls die Voraussetzungen für Schichtänderungen schriftlich zu vereinbaren.

Weiterhin hat der Arbeitgeber künftig das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren wie das Schriftformerfordernis einer Kündigung nach § 623 BGB und die geltenden Kündigungsfristen für beide Parteien sowie die entsprechenden Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch schriftlich niederzulegen, zu unterschreiben und den Arbeitnehmern auszuhändigen.  Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, muss er mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro (s. unten „Sanktionen“) rechnen. Eine fehlerhafte Unterrichtung hat jedoch keine Auswirkung auf die gesetzlich vorgeschriebene Frist zu Erhebung der Kündigungsschutzklage. 

Arbeit auf Abruf

Auch hinsichtlich der Arbeit auf Abruf verschärfen sich die Regeln. Sowohl die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden sowie der Zeitrahmen, der für die Erbringung der Arbeitsleistung vorgesehen ist, als auch die Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit im Voraus erfährt, müssen schriftlich niedergelegt werden. 

Entsendungen

Die Unterrichtungspflichten im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt des Arbeitnehmers in Entsendungsfällen werden zudem erweitert. § 2 Abs. 3 NachwG sieht eine Information des Mitarbeiters zur Entlohnung während der Entsendung sowie zu den entsprechenden offiziellen nationalen Websites vor. Auch der Zeitpunkt der Information wird gemäß § 3 vorverlegt – auf den Tag, an dem die Entsendung „wirksam wird“. 

Arbeitgeber müssen bei Entsendungen ins Ausland erweiterte Unterrichtungspflichten beachten.
Sanktionen

Eine der größten Änderungen ist jedoch das Hinzufügen von Bußgeldvorschriften in § 4. Bis dato war das Nachweisgesetz ein zahnloser Tiger, die Nichteinhaltung führte lediglich zu Beweisproblemen. Durch die Einführung von § 4 wird jegliche nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig ausgehändigte schriftliche und unterschriebene Niederlegung als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro geahndet werden.

Übergangsvorschrift

Hat das Arbeitsverhältnis bereits vor Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes bestanden, ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen hin die Niederschrift mit den gesetzlich zwingenden Angaben innerhalb neu geregelter Fristen auszuhändigen.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Im AÜG werden die Nachweispflichten gemäß § 11 AÜG um die Pflicht zum Nachweis über die Identität (Firma und Anschrift) der entleihenden Unternehmen erweitert. Zudem muss der Entleiher in Zukunft nach § 13a einem Leiharbeitnehmer, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform seinen Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeitsvertrags angezeigt hat, diesem innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform zukommen lassen. Dadurch soll Leiharbeitnehmern der Übergang in die Stammbelegschaft erleichtert werden.

Auch die Geldbuße in § 16 AÜG wird in Hinblick auf den Verstoß gegen § 11 auf bis zu 2.000 Euro angepasst.

Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

Eine ähnliche Regelung wie im AÜG wird auch in das TzBfG eingeführt. So wird auch hier der Arbeitgeber verpflichtet, auf ein schriftliches Veränderungsgesuch (Textform) eines Arbeitnehmers innerhalb von einem Monat mit einer begründeten Antwort zu reagieren. Dies gilt auch für Arbeitnehmer mit einem befristeten Arbeitsverhältnis, die schriftlich ein Entfristungsgesuch beim Arbeitgeber vorlegen. 

Zudem wird eine Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG zur Verhältnismäßigkeit der Vereinbarung einer Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen eingefügt. Danach ist eine Probezeitvereinbarung unwirksam, wenn diese im Verhältnis zur Dauer der befristeten Beschäftigung zu lang vereinbart wurde. 

Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)

Im AEntG wird eine Hinweispflicht des Arbeitgebers gegenüber EU-Arbeitnehmern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland aufgenommen, wodurch der Arbeitgeber spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung in Textform auf die Dienste der Beratungsstellen nach § 23a hinzuweisen hat. 

Änderungen in der Praxis

Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, wie sie die Änderungen in der Praxis umsetzen sollen. Die neuen Voraussetzungen, vor allem die des NachwG, führen dazu, dass aktuelle Musterarbeitsverträge gegebenenfalls angepasst und entsprechende Musterinformationsschreiben entworfen werden müssen. Hierdurch wird auf jeden Fall zusätzlicher administrativer Aufwand auf Arbeitgeber zukommen. Die Nichteinhaltung der neuen Regelungen wird mit Geldbußen von bis zu 2.000 Euro geahndet. Arbeitgeber sind gut beraten, zeitnah die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, da das Gesetz bereits am 01.08.2022 in Kraft tritt.

Autorinnen: Bärbel Kuhlmann, Priscila Luz Barreiros