Equal Gender Sign

Neues zum „Gender Pay Gap“: Entgeltgleichheit ist keine Verhandlungssache

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Bärbel Kuhlmann

Erklärtes Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es, Benachteiligungen unter anderem aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung oder des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil zur Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern entschieden, dass diese nicht mit gutem Verhandlungsgeschick umgangen werden kann (BAG, Urteil vom 16.02.2023, 9 ARZ 450/21). Das äußerst umstrittene Urteil dürfte bei zahlreichen Arbeitgebern zusätzlichen Dokumentationsbedarf auslösen.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 01.03.2017 bei der Beklagten im Vertrieb beschäftigt. Sie hatte mit der Beklagten zu Beginn ihrer Tätigkeit einzelvertraglich ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro brutto vereinbart. Ein männlicher Kollege der Klägerin hatte kurz vorher, am 01.01.2017, in demselben Betrieb eine gleichwertige Tätigkeit aufgenommen. Er hatte das ihm ebenfalls angebotene Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro brutto jedoch abgelehnt und stattdessen ein Grundentgelt in Höhe von 4.500 Euro brutto verlangt, was ihm auch gewährt wurde.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung sowie die Zahlung einer angemessenen Entschädigung aufgrund der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

Entscheidung

Anders als in den Vorinstanzen hatte die Klägerin mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) überwiegend Erfolg. Das BAG bejahte einen Anspruch der Klägerin auf ein Grundentgelt in gleicher Höhe wie desjenigen ihres männlichen Kollegen gem. Art. 157 AEUV, §§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG (Entgelttransparenzgesetz).

Zudem wurde ihr die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in Höhe von 2.000 Euro zugesprochen. Es bestehe die Vermutung einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts gem. § 22 AGG. Diese Vermutung könne – so ausdrücklich das BAG – insbesondere nicht mit der Begründung widerlegt werden, dass das höhere Grundentgelt nicht auf dem Geschlecht, sondern dem Verhandlungsgeschick beruhe.

Praxishinweis

Das Urteil des BAG ist hoch umstritten. Teilweise wird es als „Meilenstein der Entgeltgleichheit“ angesehen. Kritische Stimmen sehen darin vielmehr einen unzulässigen Eingriff in die Privatautonomie.

Arbeitgeber sind dennoch gut beraten, künftig genauer darauf zu achten, dass unterschiedliche Vergütungen im Einzelfall durch objektive Kriterien – dazu gehört nicht das Verhandlungsgeschick – gerechtfertigt sind. Die Bedeutung der Beweislastregelung des § 22 AGG zulasten des Arbeitgebers ist insofern nicht zu unterschätzen. Das Vortragen etwaiger Indizien, die eine Benachteiligung nach dem AGG vermuten lassen, reicht aus. Im Ergebnis trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß vorgelegen hat.

Autorinnen: Bärbel Kuhlmann, Flora Weisbrod

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