In einem neu veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof (erneut) deutlich gemacht, dass die genauen Umstände des Einzelfalls festgestellt werden müssen, um die Beibehaltung des Wohnsitzes prüfen zu können (Urteil vom 28.04.2022, III R 12/20). Die Frage, ob ein Kind, das im Ausland die Schule besucht oder studiert, seinen Wohnsitz im Inland beibehält, hat die Gerichte schon häufig beschäftigt.
Folgen der Wohnsitzaufgabe des Kindes
Hat das Kind keinen Wohnsitz in einem EU-/EWR-Mitgliedsstaat, können nur die Kinderfreibeträge geltend gemacht werden (es sei denn, mit dem anderen Staat besteht ein Sozialabkommen). In diesem Fall sind die Freibeträge allerdings nur insoweit abzugsfähig, als sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.
Wird irrtümlich kein Kindergeld beantragt, obwohl ein Anspruch gegeben ist, erhöht der Kindergeldanspruch im Veranlagungsverfahren grundsätzlich dennoch die Steuerschuld. Hinzugerechnet werden auch Ansprüche auf Leistungen, die mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar sind, wie etwa ausländische Familienleistungen.
Urteilsfall: Kindergarten und Grundschule in Deutschland
Der Kläger ist Vater von zwei im Streitzeitraum (September 2015 bis Mai 2017) minderjährigen Kindern. Die Familie lebte zunächst in Deutschland. Die Kinder besuchten den Kindergarten und zunächst auch die Grundschule im Inland.
Schulbesuch im Ausland für mehr als ein Jahr
Die Kinder sollten im Streitzeitraum bei ihren in einem Drittland lebenden Großeltern wohnen und dort zur Schule gehen, um die arabische Sprache zu lernen. Die Mutter begleitete die Kinder ins Ausland. Der Kläger gab die bisherige Familienwohnung auf und zog in eine andere Wohnung in der Nähe. Im Juni 2017 kehrten die Kinder nach Deutschland zurück und gingen wieder dort zur Schule. Die Familie zog im gleichen Monat in eine andere Wohnung in der Nähe um.
Familienkasse verweigert Kindergeld
Die Familienkasse lehnte die Anträge auf Kindergeld für den Zeitraum ab September 2015 ab, da der Wohnsitz der Kinder nicht in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat liege. Sowohl der dagegen eingelegte Einspruch als auch die darauffolgende Klage vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf waren erfolglos (Urteil vom 06.12.2018, 14 K 1668/17 Kg).