Wenn sich die an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Personen oder der Umfang ihrer Beteiligung ändern, gilt schon seit dem 01.11.2008 im Verhältnis zur Gesellschaft nur als Gesellschafter, wer in die Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Wie das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.03.2023 (B 12 R 4/21 R) zeigt, kann eine veraltete Liste dazu führen, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig wird, obwohl er materiell-rechtlich über eine Sperrminorität verfügt. Ein weiteres Verfahren zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen der aus dem Handelsregister ersichtlichen Informationen ist vor dem BSG anhängig. Im Streitfall ist der Geschäftsführer nicht ins Handelsregister eingetragen worden und das Landessozialgericht Bayern (LSG) hat aus diesem Grund die Sozialversicherungspflicht festgestellt (Urteil vom 06.12.2023, L 6 BA 97/21).
Gründung einer GmbH
Die Klägerin, eine GmbH, wurde am 02.10.1997 von drei Personen mit einer Stammeinlage von insgesamt 50.000 DM gegründet. Eine dieser Personen war der spätere Geschäftsführer mit einer Stammeinlage von 24.500 DM. Noch am gleichen Tag erwarb er zusätzlich einen Anteil an der Gesellschaft im Wert von 500 DM. Eine geänderte Gesellschafterliste wurde nicht beim Handelsregister hinterlegt, obwohl der Arbeitsvertrag des Geschäftsführers auf die betreffende gesetzliche Verpflichtung (§ 40 GmbHG) hinwies.
Veraltete Gesellschafterliste
Im Handelsregister war daher im Streitzeitraum allein die Gesellschafterliste vom 02.10.1997 in das Handelsregister aufgenommen, wonach der Beigeladene mit 49 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war. Auch die ins Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste vom 28.08.2014 wies für ihn noch eine Beteiligung von 49 Prozent aus.
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
Nach einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von rund 19.000 Euro. Der Gesellschafter-Geschäftsführer sei vom 01.01.2013 bis 31.08.2014 (Ende der Geschäftsführertätigkeit) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen. Das Landessozialgericht wies die dagegen erhobene Klage ab, worauf die GmbH Revision einlegte.
Bundessozialgericht gibt Sozialversicherungsträger recht
Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz und damit die Sozialversicherungspflicht im Streitzeitraum bestätigt. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nur dann nicht als abhängig Beschäftigter zu behandeln, wenn er mindestens 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält oder über eine Sperrminorität verfügt, die die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst, erläutert das BSG.
Gesellschafterliste maßgeblich
Der Umfang der Beteiligung bestimme sich gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG unabhängig von der materiell-rechtlichen Beteiligung nach der Eintragung der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste. Dies gelte auch für Gesellschafterlisten, die wie im Streitfall aus der Zeit vor dem Inkrafttreten von § 16 Abs. 1 GmbHG in der heutigen Fassung am 01.11.2008 stammen. Demnach hat der Beteiligte nicht 50 Prozent der Anteile am Stammkapital gehalten, sondern nur 49 Prozent.
Abgrenzungsmerkmale müssen einfach festzustellen sein
Das BSG weist darauf hin, dass im Sozialversicherungsrecht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Klarheit herrscht. Der Sozialversicherungsträger müsse zum Beginn des zu beurteilenden Zeitraums klar erkennen können, ob eine selbständige oder eine abhängige Tätigkeit vorliege. Typisierte Abgrenzungsmerkmale haben laut BSG daher möglichst einfach festzustellen und überprüfbar zu sein. Die Legitimation anhand der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 GmbHG n. F.) erfülle diese Anforderungen. Das BSG spricht sich aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive für eine Anwendung dieser Regelung auch auf Gesellschafterlisten aus, die vor dem Inkrafttreten der Regelung in das Handelsregister aufgenommen wurden. Nur so könne Rechtssicherheit geschaffen werden.
Auch Gründungsliste erfasst
§ 16 Abs. 1 GmbHG n. F. erfasst laut BSG bereits die Gründungsliste und nicht nur Änderungen der Beteiligungsverhältnisse. Die Eintragungen in der Liste vom 02.10.1997 seien von der GmbH und dem Geschäftsführer auch zu verantworten, denn Geschäftsführer einer GmbH sind gesetzlich verpflichtet, Veränderungen bei den beteiligten Personen oder des Umfangs ihrer Beteiligung zum Handelsregister einzureichen. Eine solche sogenannte unechte Rückwirkung ist nach Auffassung des Gerichts auch verfassungsrechtlich zulässig.
Revision zurückgewiesen
Da die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Ergebnis rechtmäßig war, hat das BSG die Revision zurückgewiesen.
Auch (fehlende) Eintragung als Geschäftsführer kann maßgeblich sein
Ein weiteres Verfahren zur Bedeutung des Handelsregisters für die Sozialversicherung betrifft die Eintragung als Geschäftsführer. Das Landessozialgericht (LSG) Bayern hat mit Urteil vom 06.12.2023 (L 6 BA 97/21) entschieden, dass die fehlende Eintragung als Geschäftsführer trotz Sperrminorität dazu führen kann, dass der Sozialversicherungsträger ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis annehmen darf.
Im Streitfall hielt der Gesellschafter eine Beteiligung in Höhe von 50 Prozent. Er wurde mit Gesellschafterbeschluss zum neben der anderen Gesellschafterin alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die Bestellung wurde jedoch erst vier Jahre später ins Handelsregister eingetragen. Nach einer Betriebsprüfung hat der Sozialversicherungsträger Beiträge in Höhe von rund 42.500 Euro nachgefordert, da nach seiner Auffassung der Geschäftsführer in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Das LSG hat diese Sichtweise bestätigt und die Klage gegen den Beitragsbescheid abgewiesen. Die Revision gegen das Urteil ist vor dem BSG unter dem Aktenzeichen B 12 BA 1/24 R anhängig.