Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf das Vergaberecht

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat Erleichterungen für kriegsbedingte Beschaffungen beschlossen, während die EU sich auf ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland verständigt hat.

Vergaberechtliche Erleichterungen bei kriegsbedingten Beschaffungen

Mit Rundschreiben vom 13. April 2022 hat das BMWK vergaberechtliche Erleichterungen für kriegsbedingte Beschaffung auf den Weg gebracht. Für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte wird Folgendes klargestellt: Im Fall von Beschaffungen, die im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen, sind die Voraussetzungen eines unvorhergesehenen Ereignisses und äußerst dringlicher zwingender Gründe, die kausal eine Einhaltung der Mindestfristen nicht zulassen, für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb regelmäßig gegeben. Unterhalb der EU-Schwellenwerte kommt nach der UVgO insoweit eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht. Gleichzeitig empfiehlt sich im Sinne einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln nach Möglichkeit, mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Denn ein völliger Verzicht auf Wettbewerb kommt nur als ultima ratio in Betracht, so das BMWK unter Verweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung. 

Die Hinweise betreffen auch Aufträge, bei denen die Beschaffung angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs dient. Als Beispiele werden die Abwehr potenzieller Angriffe im Bereich der IT- und Cybersicherheit sowie die Sicherstellung des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Gefahrenabwehr, des Gesundheitsschutzes sowie der Versorgungssicherheit genannt. 

Zudem verweist das BMWK auf die Möglichkeit, bereits bestehende Verträge im Einvernehmen der Vertragsparteien zu verlängern und wertmäßig auszuweiten, ohne dass hierfür ein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden muss. Die hierfür geltenden gesetzlichen Voraussetzungen (§ 132 GWB) erachtet das BMWK teilweise für gegeben, unter gleichzeitigem Verweis auf die bestehenden vergaberechtlichen Grenzen. 

Zuschlags- und Erfüllungsverbote bei Aufträgen mit Russlandbezug 

Die EU hat sich als Reaktion auf den Angriff Russlands gegen die Ukraine kürzlich auf ihr 5. Sanktionspaket gegen Russland verständigt. Im Verordnungswege wird insbesondere verboten, öffentliche Aufträge oder Konzessionen oberhalb der Schwellenwerte zu erteilen an 

a) russische Staatsangehörige oder in Russland niedergelassene natürliche oder juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, 
b) juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Anteile zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar von einer natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung nach Ziff. a) gehalten werden, 
c) natürliche oder juristische Personen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von in Russland ansässigen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen nach Ziff. a) bzw. solchen nach Ziff. b) handeln. 

Allerdings können die zuständigen Behörden für bestimmte Güter und Dienstleistungen insoweit Ausnahmen genehmigen. Hierzu zählen etwa die Vergabe bzw. die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen, die für den Kauf, die Einfuhr oder die Beförderung von Erdöl, Erdgas, einschließlich raffinierter Erdölerzeugnisse sowie Kohle (befristet bis zum 10. August 2022) und verschiedener Metalle oder Erze bestimmt sind. 

Praxishinweis 

Die vergaberechtlichen Erleichterungen für kriegsbedingte Beschaffungen betreffen auch Beschaffungsbedarfe sowohl im Bereich der Energieversorgung als auch der kritischen Infrastruktur insgesamt. In der Praxis sollten die zusätzlichen verfahrensbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur sorgsam abgewogen und genutzt, sondern auch entsprechend dokumentiert werden.