Endlich Klarheit im Hinblick auf die Steuerbefreiung für Kostenteilungszusammenschlüsse

Nach § 4 Nr. 29 UStG können Leistungen eines Kostenteilungszusammenschlusses an seine Mitglieder steuerfrei sein. Hierunter fallen insbesondere Leistungen von Zweckverbänden, gemeinsamen Kommunalunternehmen oder Anstalten öffentlichen Rechts mit mehreren Trägern - sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Genau um diese Voraussetzungen wurde nun seit geraumer Zeit gerungen.

 

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hatte im November 2021 den ersten Entwurf eines BMF-Schreibens vorgelegt, der verschiedene Auslegungsvarianten zur Diskussion stellte. Nachdem die kommunalen Spitzenverbände hierzu Stellung genommen hatten, gab es im März 2022 einen inoffiziellen neuen Entwurf – wiederum mit mehreren Alternativen. Danach stockte das Verfahren zunächst wieder. Nun wurde am 19. Juli 2022 durch Vorlage des finalen BMF-Schreibens – anwendbar ab dem 1. Januar 2020 - endlich Klarheit geschaffen. 
 
Die Vorschrift des § 4 Nr. 29 UStG ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil sie einige Sachverhalte abdeckt, für die inzwischen klar ist, dass § 2b UStG keine „Rettung“ sein wird. Dies betrifft beispielsweise die Leistungen von kommunalen Rechenzentren, die aufgrund des Wettbewerbs zu privaten Anbietern nicht unter § 2b Abs. 1 UStG subsumiert werden können. 
 
Welche Fälle werden nun von § 4 Nr. 29 UStG umfasst? Hierzu ist es erforderlich, sich die Voraussetzungen einmal im Einzelnen anzusehen: 

  • Es muss sich um Dienstleistungen handeln, d.h. Lieferungen sind nicht steuerbefreit.

  • Die Leistung erfolgt durch einen selbständigen Zusammenschluss. Erforderlich ist somit eine „Joint-Venture-Struktur“, die Rechtsform ist dabei unerheblich. Begünstigt sind demnach sowohl öffentlich-rechtliche Körperschaften (z.B. Verbände, gemeinsame Kommunalunternehmen, Anstalten mit mehreren Trägern) als auch private Rechtsträger (z.B. KG, GmbH, GbR, Vereine). Nicht begünstigt sind hingegen Anstalten mit nur einem Träger oder reine Kostenteilungsvereinbarungen.

  • Die Richtung der Leistungen ist vorgegeben: Nur Leistungen vom Zusammenschluss an die Mitglieder sind umfasst, nicht umgekehrt.

  • Werden auch Leistungen an Nichtmitglieder erbracht, so stellt dies die Steuerbefreiung der Leistungen an die Mitglieder nicht in Frage, solange der Zusammenschluss nicht unter Ausnutzung von erheblichen Synergieeffekten die gleichen Leistungen in erheblichem Umfang entgeltlich an Nichtmitglieder am Markt erbringt.

  • Die Mitglieder müssen dem Gemeinwohl dienende Nichtunternehmer sein (= 1. Fallvariante. Daneben gibt es noch eine weitere für Kommunen wenig relevante Variante für Mitglieder mit steuerfreien Leistungen). Dieser Punkt ist für die Reichweite des Anwendungsbereichs von erheblicher Bedeutung. Strittig war insbesondere, ob hoheitliche Tätigkeiten generell hierunter fallen oder ob dies nur dann gilt, wenn die Kommunen ihrerseits unter bestimmte Steuerbefreiungsvorschriften fallen. Letzteres hätte dazu geführt, dass die Vorschrift für kommunale Sachverhalte weitgehend leergelaufen wäre. Das BMF hat sich nun für eine eher weite Auslegung entschieden. Begünstigt sind nach Auffassung des BMF hoheitliche Tätigkeiten der Kommunen, der Länder und des Bundes - allerdings eingeschränkt auf die vom Landes- oder Bundesrecht zugewiesenen (Pflicht-)Aufgaben. Freiwillige Aufgaben der Daseinsvorsorge sind damit nicht begünstigt. Hieraus können sich in der Praxis durchaus materielle Einschränkungen ergeben. Ebenfalls umfasst sind die unternehmerischen Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften, insbesondere die Erfüllung des Verkündigungsauftrags.

  • Die Leistung muss unmittelbar für die dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten verwendet werden. Allgemeine Verwaltungsleistungen wie beispielsweise Buchführung oder Rechtsberatung sollen nicht hierunter fallen. Spannend war insbesondere die Frage, wie Leistungen kommunaler Rechenzentren in diesem Zusammenhang zu werten sind. Hierzu enthält das BMF-Schreiben eine großzügige Regelung: Der Zusammenschluss der IT-Infrastruktur soll begünstigt sein, wenn diese auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist. Weitere im Zusammenhang mit IT-Infrastruktur stehende ähnliche Tätigkeiten fallen ebenfalls unter die Vorschrift, wenn die Leistungserbringung unmittelbar erforderlich ist, um gesetzlich vorgegebenen Aufgaben nachkommen zu können (z. B. die technische Erstellung von Bescheiden).

  • Es erfolgt lediglich ein genauer Kostenersatz. Diese Anforderung erscheint zunächst nicht sehr problematisch. Allerdings stellen sich im Rahmen der Umsetzung hier verschiedenste Fragestellungen. Das BMF-Schreiben sieht vor, dass der Kostenanteil verursachungsgerecht auf die Mitglieder umzulegen ist. Klar ist, dass rein kalkulatorische Kostenbestandteile und Gewinnaufschläge nicht abgerechnet werden dürfen. Fraglich ist aber beispielsweise, wie pauschale Kostenansätzen zu sehen sind, wenn diese zwar im langfristigen Durchschnitt zu einer Kostendeckung führen, aber in Einzelfall ein positiver Beitrag nicht ausgeschlossen ist. Hier empfiehlt es sich zeitnah mit dem zuständigen Finanzamt Kontakt aufzunehmen, um eine pragmatische Handhabung abzustimmen.

  • Die Steuerbefreiung führt zu keiner Wettbewerbsverzerrung. Das BMF-Schreiben geht davon aus, dass im Rahmen des § 4 Nr. 29 UStG ein völlig anderer Wettbewerbsbegriff gilt, als das bei § 2b UStG der Fall ist. Ist davon auszugehen, dass die Kundschaft der Mitglieder unabhängig von der Besteuerung oder Befreiung erhalten bleibt, so seien andere Marktteilnehmern nicht beeinträchtigt. Demnach dürfte es eher die Ausnahme sein, dass die Steuerbefreiung aus wettbewerblichen Gründen ausgeschlossen ist. 

Insgesamt bringt das BMF-Schreiben somit in verschiedenen Punkten Klarheit und eine Erleichterung für bestimmte Tätigkeitsbereiche. Insbesondere die kommunalen Rechenzentren dürften angesichts der doch eher weiten Auslegung des Begriffs der Unmittelbarkeit erleichtert sein. Allerdings ist weiterhin zu beachten, dass die Vorschrift nicht auf alle Fallkonstellationen der interkommunalen Kooperation anwendbar ist. Leistungen einer Kommune an ihre Nachbarkommune werden hiervon beispielsweise nicht erfasst. Ebenso wird die Beschränkung auf Leistungen für den Bereich kommunaler Pflichtaufgaben in der Praxis häufig problematisch sein. Weitere praktische Probleme und Fragestellungen sind im Hinblick auf die Umsetzung der reinen Kostenerstattung zu erwarten. Kostenteilungsgemeinschaften sollten daher im Detail prüfen, ob und inwieweit die bestehende Struktur unter die Vorschrift fällt und ob Gestaltungen – ggf. in Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt – möglich sind. Im Einzelfall mag zudem eine gerichtliche Klärung der Auslegung von § 4 Nr. 29 UStG für den Steuerpflichtigen von Interesse sein. 

 
Autor:innen RA StB Gabriele Kirchhof, RA StB Dr. Erik Ohde