Erneute EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerlichen Organschaft – sind Innenumsätze steuerbar?

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Gabriele Kirchhof

Der BFH legt dem EuGH in einem zweiten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vor, ob Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft vor dem Hintergrund eines möglichen Steuerverlustes steuerbar sind (BFH-Beschluss vom 26.01.2023).

Sowohl juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) als auch gemeinnützige Körperschaften und Vereine verfügen über einen nichtunternehmerischen und daneben häufig auch über einen unternehmerischen Bereich. Ein Vorsteuerabzug kommt bei Eingangsumsätzen, die für den nichtunternehmerischen Bereich bestimmt sind, nicht in Betracht.  Im unternehmerischen Bereich werden Leistungen gegenüber Dritten gegen Entgelt erbracht.  Dritte können dabei auch eigene Tochtergesellschaften sein. Tatsächlich kommt es in der Praxis häufiger vor, dass zwischen dem unternehmerischen Bereich der jPdöR oder der gemeinnützigen Körperschaft und einer Beteiligung Leistungen gegen Entgelt erbracht werden (z.B. Facility- oder IT-Dienstleistungen). Insbesondere, wenn Dienstleistungen an den Träger mit eigenen Ressourcen der Tochter erbracht werden, für die kein Vorsteuerabzug möglich ist, bietet es sich zur Vermeidung von Umsatzsteuernachteilen bislang an, im Verhältnis zu der Eigengesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft zu begründen. Soweit die Körperschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ließe sich auf diesem Wege eine Umsatzsteuerbelastung der von der Eigengesellschaft bezogenen Leistungen vermeiden, da dann nichtsteuerbare Innenumsätze vorliegen könnten.

Der BFH legte dem EuGH in diesem Verfahren bereits Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vor (EuGH-Urteil vom 01.12.2022, C-141/20, vgl. GPS_Newsmail vom 14.01.2021). Dabei ging es u.a. um die Frage, ob bei Leistungen der Organgesellschaft in den nichtunternehmerischen Bereich eine unentgeltliche Wertabgabe gegeben sei. Dies verneinte der EuGH. In diesem Urteil traf der EuGH in der Begründung allerdings Aussagen, die Nachfragen zu der umsatzsteuerlichen Einordnung solcher Innenumsätze auslösen. Daher fragt der BFH in einem (erneuten) Vorabentscheidungsersuchen den EuGH, ob Innenumsätze in einem Organkreis entgegen dem bisherigen deutschen Verständnis umsatzsteuerbar sind (EuGH-Vorlage vom 26.01.2023, V R 20/22 (V R 40/19)). Der BFH führt in seiner Vorlage aus, dass es Argumente sowohl für die Steuerbarkeit von Innenumsätzen als auch dagegen gebe. Weiter fragt der BFH in einer zweiten Vorlagefrage, ob Innenumsätze jedenfalls dann steuerbar sind, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da es ansonsten zu Steuerverlusten kommen kann.

Sollte der EuGH zu dem Schluss kommen, dass Innenumsätze – entgegen der aktuellen Behandlung – steuerbar sind, würde hieraus folgen, dass der Begriff „Unselbstständigkeit“ in den nationalen Regelungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) anders auszulegen wäre. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass

  • der Organträger weiterhin die Umsätze der Organgesellschaften miterklären und versteuern muss, hierbei jedoch sämtliche Innenumsätze zwischen den Beteiligten (Organträger und Organgesellschaft(en)) mit zu berücksichtigen sind und
  • für die Vorsteuerquote (bei Anwendung des Umsatzschlüssels) weiterhin auf die Umsätze des gesamten Organkreises abzustellen wäre, wobei aber nicht mehr nur die Ausgangsumsätze relevant wären, sondern auch die Innenumsätze mit einzubeziehen wären.

Fazit 

Die Frage nach der Steuerbarkeit der Innenumsätze betrifft das Kernelement der umsatzsteuerlichen Organschaft. Vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten nach Ergehen des EuGH-Urteils zur ersten Vorlage ist die erneute EuGH-Vorlage grundsätzlich zu begrüßen. Es bleibt somit weiter abzuwarten, wie der EuGH entscheidet und der BFH die Antwort in seinem Urteil dann umsetzt. Je nach Fallkonstellation sollte geprüft werden, wie mit diesbezüglichen eigenen Einsprüchen zu verfahren ist.    

Autoren: StB Gabriele Kirchhof, StB Heike Sökeland