Kommunale Stadtwerke, die sich jetzt oder demnächst wieder auf dem Markt mit Erdgas versorgen müssen, sehen sich derzeit mit Einkaufspreisen konfrontiert, die die Verkaufspreise bis zum sechsfachen übersteigen. Dies führt zu beträchtlichen Liquiditätsproblemen, zumal es sozial nicht gewollt ist, diese extremen Einkaufspreise voll an die privaten Endabnehmer weiterzugeben. In Zukunft werden daher auch die Kommunen je nach Leistungsfähigkeit dazu beitragen müssen, ihre Stadtwerke wirtschaftlich zu stabilisieren.
Bei der Gewährung von Finanzmitteln müssen die Kommunen neben den kommunal- und kommunalhaushaltsrechtlichen Anforderungen auch die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen beachten. Anderenfalls drohen schlimmstenfalls die Rückforderung der gewährten Hilfen, Liquiditätsengpässe bei dem betreffenden Stadtwerk und unter Umständen sogar dessen Zahlungsunfähigkeit.
Beihilfeverbot
Ausgangspunkt der wettbewerbsrechtlichen Problematik ist das in Art. 107 Abs. 1 AEUV verankerte Beihilfeverbot. Finanzielle Maßnahmen gleich welcher Art (Kapitaleinlagen, Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften u.a.) zugunsten von Stadtwerken müssen sich an diesem Beihilfeverbot messen lassen.
Ausschluss des Beihilfeverdachts durch den Private Investor Test („PIT“)
Eine verbotene Beihilfe kann aber durch einen positiven PIT ausgeschlossen werden. Dafür muss belegt werden können, dass die kommunale Maßnahme dem Drittvergleich standhält, da sie zu Konditionen erfolgt, zu denen auch ein privater Investor entsprechend tätig geworden wäre. Allerdings ist Kapitalzufuhr nicht gleich Kapitalzufuhr. Gewährt der Gesellschafter dem eigenen Unternehmen Mittel, muss zunächst geklärt werden, ob dies als Zuführung von Eigen- oder Fremdkapital zu werten ist. Die jeweilige Klassifikation entscheidet über die konkrete Art der Durchführung des PIT und damit über das Ergebnis.
In jedem Fall ist eine ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung anzustellen. Das bedeutet, dass der PIT unbedingt vor der Durchführung der jeweiligen Kapitalmaßnahme erfolgen und dokumentiert werden muss.
Rechtfertigung einer Beihilfe als Ausgleichszahlung für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („DAWI“)
Verzichten kommunale Gasversorger aufgrund von politischen Vorgaben – trotz vertraglichen Preisanpassungsklauseln – darauf, Preiserhöhungen in vollem Umfang an ihre Kunden weiterzugeben, könnte auch ein Ausgleich der entstehenden Defizite durch die Kommune als beihilfenrechtlich zulässige Ausgleichszahlung für eine DAWI (Gaslieferung zu sozialverträglichen Preisen) in Betracht kommen. DAWI, hierzulande als Daseinsvorsorge bezeichnet, sind beihilferechtlich privilegiert und können durch die öffentliche Hand finanziert werden, sofern bestimmte beihilferechtliche Maßgaben, wie das Vorliegen eines Betrauungsakts, eingehalten werden.
Schutzschirm für Stadtwerke
Um dem durch die stark gestiegenen Einkaufspreise drohenden Szenario der Insolvenzwelle bei Stadtwerken vorzubeugen, bereitet die Landesregierung NRW einen Schutzschirm für Stadtwerke vor. Der Schutzschirm soll ähnlich ausgestaltet werden wie der „Rettungsschirm“ des Landes während der Corona-Pandemie. Zu Beginn der Corona-Krise 2020 hatte NRW einen 25 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm für die Wirtschaft aufgespannt. Dieser Corona-Schutzschirm war jedoch in weiten Teilen nicht in Anspruch genommen worden, weil das damals befürchtete Szenario nicht eintrat. Über die konkrete Höhe des geplanten Rettungsschirms für Stadtwerke ist noch nichts bekannt, doch bereitet sich die Landesregierung auf das worst case - Szenario vor.
Co-Autorin: RA Susanne Müller-Kabisch