EuGH-Urteil zur Mitverpachtung von Betriebsvorrichtungen

Die umsatzsteuerliche Behandlung der Vermietung von Betriebsvorrichtungen ist mangels einheitlicher Rechtsauffassung schon lange Thema bei Betriebsprüfungen und Gerichtsverfahren. In diesem Zusammenhang hat der BFH letztes Jahr mit seinem Beschluss vom 6. Mai 2021 (Az. V R 22/20) die Chance ergriffen dem EuGH zu diesem Themenkomplex zwei Vorlagefragen zu stellen, um danach (hoffentlich) Klarheit über die umsatzsteuerliche Würdigung zu erhalten.  

Hintergrund

Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sieht in Art. 135 Abs. 1 eine Steuerbefreiung für Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor. Diese ist im deutschen Umsatzsteuergesetz in § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG umgesetzt. Ausgeschlossen von der Steuerbefreiung ist jedoch „die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen („Betriebsvorrichtungen“) gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Auch damit setzt das UStG die MwStSystRL um (Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL). Was Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL hingegen nicht vorgibt: Entsprechend § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gilt der Ausschluss der Steuerfreiheit auch dann, wenn die Betriebsvorrichtungen als wesentliche Bestandteile des Grundstücks zusammen mit diesem Grundstück vermietet werden.

Mit anderen Worten: Die Vermietung von Betriebsvorrichtungen ist nach Maßgabe des UStG stets und zwingend umsatzsteuerpflichtig, selbst wenn das Grundstück, dessen (wesentliche) Bestandteile sie sind, umsatzsteuerfrei vermietet wird. In dieser Konsequenz ist bei Betriebsvorrichtungen, welche zusammen mit Grundstücken vermietet oder verpachtet werden, das Entgelt aufzuteilen.

EuGH Urteil vom 4. Mai 2023 (Rs. C-516/21)

Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen für die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall. Es handelte sich um spezielle Fütterungsvorrichtungen, besondere Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen. Er behandelte die Pachteinnahmen insgesamt umsatzsteuerfrei, da ein einheitliches Entgelt für Gebäude und Betriebsvorrichtungen vorlag. Das FA rechnete hingegen 20 % der Einnahmen den Betriebsvorrichtungen zu und behandelte diese als umsatzsteuerpflichtig.

Laut EuGH ist es unrichtig, die Betriebsvorrichtungen stets umsatzsteuerpflichtig zu behandeln. Der entsprechende Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL ist vielmehr dahin auszulegen, dass die Betriebsvorrichtung durchaus umsatzsteuerfrei mitvermietet wird, wenn die Vermietung der Betriebsvorrichtung eine Nebenleistung zur Hauptleistung, im Vorlagefall der umsatzsteuerfreien Grundstücksvermietung, ist. Es gelte der Grundsatz, dass eine Nebenleistung das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt. Mithin sind Nebenleistungen, die mit steuerfreien Hauptleistungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang bilden, ebenso von der Umsatzsteuer befreit.

Steuerliche Einordnung

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in seinem künftig folgenden Anschlussurteil und schließlich auch die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren werden. Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass der in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG enthaltene Ausschluss der Umsatzsteuerfreiheit jedenfalls für solche Fälle nicht mehr zu halten sein dürfte, in denen die Vermietung einer Betriebsvorrichtung auf einem Grundstück eine Nebenleistung zur Vermietung des Grundstücks darstellt. Ferner sind die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die beiden beim BFH anhängigen Verfahren (Az. V R 15/21 und XI R 8/21) von Interesse. Diese Verfahren beschäftigen sich mit der Frage der Mietnebenkosten (Heizung und Strom) als bloße Nebenleistung und mit dem Gebot der Aufteilung von Beherbergungsumsätzen. In naher Zukunft ist somit mit drei wesentlichen Urteilen des BFH zu rechnen.

Handlungsempfehlung

Unabhängig vom zukünftigen Anschlussurteil des BFH ist insbesondere auch vor dem Hintergrund des § 2b UStG zu überprüfen, inwiefern eine Aufteilung der grundsätzlich steuerbefreiten Grundstücksüberlassung notwendig ist oder nicht. Steuerpflichtige sollten in den betreffenden Fällen prüfen, ob sie sich zu ihren Gunsten bereits jetzt auf das dem § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG entgegenstehende Urteil des EuGH für künftige oder auch vergangene Veranlagungszeiträume berufen, die verfahrensrechtlich noch änderbar sind.

Autoren: StB Sebastian Heuser, StB Annika Wölky