Förderung der Allgemeinheit bei betriebsnahen Kindergärten: Bedeutung der Gemeinnützigkeit

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Gabriele Kirchhof

25 Januar 2023

Sie sind heiß begehrt und schwer zu bekommen: Krippen- und Kindergartenplätze für die Kleinsten. Um den Betreibern von Kindertagesstätten steuerliche Hürden zu nehmen, sind die meisten Einrichtungen steuerlich begünstigt. 

Hinweis zum BFH Urteil vom 1. Februar 2022

Kindertagesstätten fördern gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 4, Nr. 7 AO die Jugendhilfe, Bildung und Erziehung und genießen somit aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit steuerliche Vorteile, wenn sie nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (§ 59 AO).

Der Bundesfinanzhof (BFH) sorgte mit seinem Urteil vom 1. Februar 2022 (Az.: V R 1 /20, BStBl 2022 II, S. 629) für Aufsehen, da einem Anbieter von Kindergartenbetreuungsplätzen die Gemeinnützigkeit und damit die steuerlichen Vorteile versagt wurden.

Hintergrund: Einordnung von Kindergärten im Gemeinnützigkeitsrecht

Kindergarteneinrichtungen sind gem. § 68 Nr. 1b AO grundsätzlich als Zweckbetriebe einzustufen. Die Voraussetzung für die Befreiung von Ertragsteuern ist zudem die Einstufung der dahinterstehenden Organisation als „gemeinnützig“, also der selbstlosen Förderung der Allgemeinheit dienend.

Entsprechend der Gesetzesbegründung ist eine Förderung der Allgemeinheit nicht gegeben, wenn der Kreis der begünstigten Personen fest abgeschlossen ist. Dies ist zum Beispiel bei Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens der Fall. Eine Förderung der Allgemeinheit gemäß § 52 AO setzt nicht voraus, dass Jedermann zur Erfüllung der Voraussetzungen gefördert werden muss. Der geförderte Personenkreis muss hierbei lediglich einen Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen. Im Grundsatz muss somit der Zutritt zu den Leistungen prinzipiell allen möglich sein.

Urteil des BFH vom 1. Februar 2022

Im Urteilsfall ist die Klägerin eine GmbH mit dem Satzungszweck „Förderung der Jugendhilfe sowie Bildung und Erziehung“, die in Zusammenarbeit mit ausgewählten Unternehmen Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt. Im vorliegenden Fall wurde den Mitarbeitern der Partnerunternehmen gegen Entgelt ein vertraglich festgelegter Vorzug bei der Vergabe der Betreuungsplätze gewährt. Plätze wurden nur vereinzelt an Eltern vergeben, die nicht bei den Partnerunternehmen beschäftigt waren. Der BFH lehnte die Gemeinnützigkeit mangels Förderung der Allgemeinheit ab und bestätigte somit auch die Auffassung des Finanzamts und des FG Düsseldorf.

Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass im vorliegenden Fall nicht die Allgemeinheit gefördert werde, da der geförderte Personenkreis fest abgeschlossen sei. Die Plätze der Kinderbetreuungseinrichtungen wurden vollständig bzw. größtenteils mit Kindern aus der Belegschaft der Partnerunternehmen besetzt und waren somit nicht für die Allgemeinheit zugänglich. Der BFH verwies hierbei auch auf sein Privatschulurteil vom 26. Mai 2021 (Az.: V R 31/19, BStBl II 2021, S. 835). Hier wurde die Gemeinnützigkeit verneint, da bei einer Quote von Stipendiaten unter 10 % aufgrund des hohen Schulgelds und des damit zusammenhängenden Ausschlusses der breiten Öffentlichkeit keine Förderung der Allgemeinheit anzunehmen sei.

Fazit und Ausblick: Ist jede Kooperation mit Unternehmen seitens gemeinnütziger Kindergärten zwingend schädlich?

Das Urteil des BFH wirft einige Grundsatzfragen im Bereich der Gemeinnützigkeit auf, insbesondere in welchen Fällen die satzungsgemäße Förderung der Allgemeinheit gegeben ist. Die aktuelle Rechtsprechung wird teilweise kritisch gesehen, da beispielsweise die Eltern der Partnerunternehmen selbst ja auch einen Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen. Insbesondere herrscht Unsicherheit darüber, in welcher Höhe Kindergartenplätze öffentlich zugänglich sein müssen, um die Allgemeinheit zu fördern. Da der BFH auf sein Privatschulurteil verweist, ist davon auszugehen, dass für die Nichtschädlichkeit eine „Außenstehendenquote“ von mindestens 10% erreicht werden sollte. Hierzu sind die weitere Positionierung des BFH in weiteren anhängigen Verfahren und die Reaktionen der Finanzverwaltung abzuwarten. Zwischenzeitlich empfiehlt es sich für öffentliche und private Kindertageseinrichtungen, ihre Satzungen und die Vergabepraxis für die Plätze auf möglichen Änderungsbedarf hin zu durchleuchten, um den Status der Gemeinnützigkeit aus steuerlicher Sicht nicht zu gefährden.

Autor:innen: StB Tobias Kreiter, StB Bianca Sparacio