Gemäß § 21 Abs 3 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) sind Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, an steuerlichen Außenprüfungen zu Realsteuern teilzunehmen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun mit zwei Urteilen aus den Jahren 2020 und 2022 die Beteiligungsrechte der Gemeindebediensteten an Außenprüfungen klargestellt.
Mit BFH-Urteil vom 23.01.2020 – Az. III R 9/18 wurde zunächst die jahrelang geltende Verwaltungsauffassung höchstrichterlich bestätigt, dass die Finanzämter aus formeller Sicht für die Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer Außenprüfung verantwortlich sind und der Gemeindebedienstete kein eigenes Prüfungsrecht (im Sinne der AO) hat. Auch seine individuellen Beteiligungsrechte wie beispielsweise das Betretungsrecht des Grundstücks beim Steuerpflichtigen wurden näher erläutert. Daneben macht der BFH die Finanzverwaltung für die Wahrung des Steuergeheimnisses des geprüften Unternehmens verantwortlich.
In dem zweiten Urteil aus Oktober 2022 (BFH, Urteil vom 20.10.2022 – Az. III R 25/21) wird der Umgang mit der besonderen Fallkonstellation eines Vertragsverhältnisses zwischen der Kommune und dem geprüften Unternehmen vom BFH gewürdigt. In diesen Fällen besteht immer auch die potenzielle Gefahr der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsinteressen des Unternehmens, wenn der Gemeindebedienstete von „sensiblen Inhalten“ wie etwa Kalkulationsgrundlagen und weiteren Vertragsbeziehungen Kenntnis erlangt und diese an seine Verwaltungsspitze weitergeben könnte. Aus dieser abstrakten Gefahrenlage folgerte die Klägerin den generellen Ausschluss des Gemeindebediensteten vom Verfahren, da eine konkrete Gefahr der Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) vorliege. Dem Begehren kam der BFH (entgegen der Vorinstanz, FG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2021 – Az. 7 K 656/18 AO) nicht nach. Stattdessen gibt er der Praxis ein differenziertes und für alle Parteien gut handhabbares Verfahren an die Hand:
- In einem ersten Schritt stellt der BFH fest, dass eine Beteiligung des Gemeindeprüfers an einer Betriebsprüfung nicht per se ausgeschlossen sei, nur weil Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde vorliegen. Er begründet diese Entscheidung damit, dass ansonsten das gemeindliche Beteiligungsrecht entweder faktisch nicht mehr vorliegen würde oder aber die Gemeinde zur Wahrung ihres Teilnahmerechts vorsorglich jegliche Vertragsbeziehungen zu regionalen Unternehmen vermeiden müsste. Dieses Ergebnis könne auch nicht im Sinne der Unternehmen sein.
- Darauf basierend hebt der BFH hervor, dass den berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen in Bezug auf den Schutz seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Rahmen von anderen Möglichkeiten Genüge getan werden müsse. Das Unternehmen muss somit nicht jede Informationsweitergabe an den Gemeindeprüfer dulden.
- Hier nimmt der BFH zum einen den Außenprüfer in die Pflicht, im Laufe der Prüfung zu entscheiden, welche Informationen an den Gemeindeprüfer weitergegeben werden dürfen.
- Zum anderen hat das Unternehmen im Rahmen seiner Informations- und Mitwirkungspflicht die Verpflichtung, genau darauf achten, welche Art von Unterlagen angefragt werden. Sollte es für sich sensible Informationen erkennen, die nicht in die Hand des Gemeindebediensteten gelangen sollen, sollte dies bereits bei der Weitergabe an den Betriebsprüfer ausdrücklich mitgeteilt und mit einer Art „Sperrvermerk“ versehen werden.
- Sollte der Außenprüfer dennoch entscheiden, die Informationen oder Unterlagen an die Gemeinde weiterzugeben, so muss er dies in Form eines im Einzelnen begründeten Verwaltungsakts tun.
- Gegen diesen Verwaltungsakt hat das Unternehmen wiederum die Möglichkeit, Einspruch einzulegen (§§ 347 ff. AO) und sollte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung beantragen.
Fazit
Die BFH-Rechtsprechung schafft Klarheit zum Umfang der Einbindung von Gemeindebediensteten in steuerlichen Außenprüfungen. Im Urteil aus 2022 findet der BFH dabei eine gute Balance zwischen dem berechtigten Teilnahmeinteresse der Gemeinde einerseits und dem Interesse des geprüften Unternehmens auf Wahrung seines Steuergeheimnisses in Fällen eines Vertragsverhältnisses andererseits. Ob die von der Kommune angeforderten Informationen weitergegeben werden oder unter Hinweis auf das Steuergeheimnis zurückgehalten werden, müssen Steuerpflichtiger und Betriebsprüfer beurteilen und koordiniert miteinander abstimmen.
Autorinnen: StB Lisa Hüllbüsch, StB Heike Sökeland