Die (verdeckten) Gewinnausschüttungen an die Trägerkörperschaft unterliegen dann grundsätzlich in Höhe von 15 % der Kapitalertragsteuer zuzüglich des Solidaritätszuschlags in Höhe von 5,5 %. Die Belastung mit Kapitalertragsteuer kann jedoch vermieden werden, wenn für den Gewinn bzw. die vGA das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG) verwendet werden kann und die Verwendung in zutreffender Höhe nach amtlichem Vordruck bescheinigt wird.
Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG und Kernaussagen des BMF-Schreibens vom 4. April 2022
Das steuerliche Einlagekonto ist kein Konto der Buchhaltung, sondern wird auf Antrag im Rahmen der Veranlagung der Steuererklärungen gesondert und einheitlich vom Finanzamt mit einem Bescheid zum Ende des Wirtschaftsjahres festgestellt. Um das steuerliche Einlagekonto zur Reduzierung der kapitalertragsteuerlichen Leistungen verwenden zu können, musste die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für BgA bisher regelmäßig durch Abgabe der Anlage KSt 1 Fa zur Steuererklärung beantragt werden. Eine Verpflichtung zur Ermittlung und gesonderten Feststellung der Bestände des steuerlichen Einlagekontos für BgA bestand bisher nicht in allen Fällen.
Mit Urteil vom 30. September 2020 (I R 12/17) hat der BFH entschieden, dass zukünftig fortlaufend für jeden nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unabhängig von der Gewinnermittlungsart (Bilanzierung oder Einnahmenüberschussrechnung) erfolgen muss. Eine Feststellung muss außerdem unabhängig davon erfolgen, ob die Grenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG (Umsätze größer EUR 350.000,00 bzw. Gewinn größer EUR 30.000,00) überschritten sind oder nicht.
Dieser Rechtsprechung hat sich die Finanzverwaltung nun angeschlossen und das bisherige BMF-Schreiben vom 28. Januar 2019 zu BgA als Schuldner von Kapitalerträgen mit Schreiben vom 4. April 2022 um die Verpflichtung zur jährlichen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für alle nicht steuerbefreite BgA ergänzt.
Wurde bisher das steuerliche Einlagekonto bereits durchgängig gesondert erklärt und festgestellt, ergeben sich aus den Neuregelungen keine Änderungen. Der Anfangsbestand des neuen Jahres wird, wie bisher, aus dem Schlussbestand des Vorjahres abgeleitet.
Wurde das steuerliche Einlagekonto bisher noch nicht oder nicht fortlaufend festgestellt, ist im Rahmen der Steuererklärung 2022 zwingend (erstmalig) eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für alle nicht steuerbefreiten BgA vorzunehmen. Zur Vereinfachung kann in diesen Fällen der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos zum Beginn des Wirtschaftsjahres berechnet werden, indem vom Eigenkapital das Nennkapital (oder vergleichbare Größe) des BgA abgezogen wird und die seit dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren im Jahr 2001 geleisteten Verlustausgleichseinlagen addiert werden. Diese vereinfachte Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos ist allerdings nicht anwendbar, wenn für das Jahr 2021 bereits ein steuerliches Einlagekonto festgestellt wurde.
Bei BgA, die weder bilanzieren noch die oben genannten Umsatz- sowie Gewinngrenzen übersteigen, werden stehengelassene Gewinne nicht den Rücklagen zugeführt, sondern führen zu einem Zugang im steuerlichen Einlagekonto. Im Gegenzug unterliegen diese Beträge bei ihrer Auflösung auch nicht der Kapitalertragsteuer. Die stehen gelassenen Gewinne stellen nur dann Rücklagen dar, wenn der BgA entweder bilanziert oder die Umsatz- bzw. Gewinngrenzen übersteigt. Zusätzlich wird durch den Ausgleich eines Verlustes durch die Trägerkörperschaft das steuerliche Einlagekonto erhöht.
Die neuen Grundsätze des BMF-Schreibens vom 4. April 2022 sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Praxishinweis
Mit BMF-Schreiben vom 4. April 2022 hebt die Finanzverwaltung die Bedeutung des steuerlichen Einlagekontos hervor und schafft eine klare Regelung. Diese führt zu einer Vereinheitlichung der Vorgehensweise und die teilweise unterschiedliche Handhabung bei der Veranlagung des steuerlichen Einlagekontos bei BgA durch die lokalen Finanzämter sollte damit der Vergangenheit angehören.
Für BgA, bei denen das steuerliche Einlagekonto bisher weder durchgängig noch für das Wirtschaftsjahr 2021 festgestellt worden ist, sollte nun für alle offenen Jahre bis zu dem Jahr, in dem letztmalig eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt ist, die Erklärung nachgeholt werden. So können bereits vor der verpflichtenden Abgabe der Erklärung zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos im Jahr 2022 positive Bestände des steuerlichen Einlagekontos aufgebaut werden, die zukünftig für eine Verwendung für kapitalertragsteuerliche Leistungen zur Verfügung stehen.
Autor:innen: StB Tobias Kreiter, StB Bianca Sparacio