Vorsteuerabzug einer Gemeinde für den Bau einer Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke)

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist für die Finanzierung von größeren Investitionen von essenzieller Bedeutung. Mit Urteil vom 20. Oktober 2021 (Az. XI R 10/21) hat der BFH eine wegweisende Entscheidung für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) veröffentlicht. Der BFH entschied, dass der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für den Bau einer Hängeseilbrücke selbst dann in Betracht kommen kann, wenn die Einrichtung dem Allgemeingebrauch gewidmet ist und kostenlos genutzt werden kann. 

Sachverhalt 

Zur Förderung des Tourismus ließ eine Gemeinde eine Hängeseilbrücke unter Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel erbauen. Aufgrund der gewährten Fördermittel ist die Erhebung von Eintrittsgeldern für die Nutzung der Hängeseilbrücke ausgeschlossen. Zeitgleich errichtete die Gemeinde ein Besucherzentrum sowie Bus,- und Pkw-Parkplätze für die Besucher der Hängeseilbrücke. Die Pkw-Parkplätze wurden gebührenpflichtig überlassen, während für die Nutzung der Busparkplätze zunächst keine Gebühr erhoben wurde.  

Die Gemeinde erklärte die Parkplatzvermietung in den Umsatzsteuervoranmeldungen als umsatzsteuerpflichtige Leistung und machte die Vorsteuern für die Errichtung der Parkplätze, der Hängeseilbrücke sowie des Besucherzentrums geltend. 

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug für den Bau der Hängeseilbrücke, da es die Auffassung vertrat, die Brücke würde ohne Einnahmenerzielungsabsicht und somit nichtwirtschaftlich betrieben, da kein Entgelt für den Besuch der Brücke erhoben wurde. Es bestehe somit kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den erzielten umsatzsteuerpflichtigen Vermietungsumsätzen und den in Anspruch genommenen Eingangsleistungen. 

Urteil des BundesfinanzhofsDirekter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsätzen (Bau der Hängeseilbrücke) und Ausgangsumsätzen (Parkraumbewirtschaftung): 

Wie bereits das Finanzgericht, sah auch der BFH in der Vereinnahmung von Parkgebühren einen unmittelbaren Zusammenhang zur Bereitstellung der Hängeseilbrücke. Zum einen ergibt sich der unmittelbare Zusammenhang aus der Zweckrichtung der Gemeinde, denn bei der Finanzierung der Brücke spielte die Erzielung von Einnahmen aus den Parkgebühren eine Rolle. Zum anderen war die Brücke der Anlass, die gebührenpflichtige Parkplatznutzung überhaupt in Anspruch zu nehmen. Der BFH begründete dies damit, dass ohne den Besuch der Brücke keinerlei Anlass bestünde die gebührenpflichtigen Parkplätze zu nutzen, ohne die Hängeseilbrücke wäre es im Gegenzug nicht möglich mit den Parkplätzen überhaupt Einnahmen zu erzielen.  

Mit dieser Entscheidung hat der BFH die Beurteilung des „direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangsumsätzen und Ausgangsumsätzen“ deutlich weiter gefasst und hat erstmals das EuGH-Urteil „Sveda“ vom 22. Oktober 2015 - C-126/14 in der deutschen Rechtsprechung angewendet. Wirtschaftliche Tätigkeit von jPdöR:Eine jPdöR qualifiziert als Unternehmer, sofern sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen ausübt. Sofern sie auf privatrechtlicher Grundlage handelt, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handelt sie jedoch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage qualifiziert sie dann als Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (vgl. auch Regelung des § 2b UStG). 

Die Gemeinde handelt bei der Vermietung der Parkplätze auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, da sie die Parkplätze auf Grundlage einer Gebührenordnung bewirtschaftet. Die Behandlung als Nichtunternehmer würde jedoch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, sodass auch vor Geltung des §2b UStG eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Vorsteuerabzug und Vorsteueraufteilung:Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen. Der Vorsteuerabzug ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 UStG ausgeschossen.  

Die Gemeinde erbringt mit der entgeltlichen Überlassung der PKW-Parkplätze eine zum Vorsteuerabzug berechtigte wirtschaftliche Tätigkeit, wohingegen sie mit der (anfangs) unentgeltlichen Überlassung der Busparkplätze eine den Vorsteuerabzug ausschließende nichtwirtschaftliche Tätigkeit erbringt. Beim Leistungsbezug ist daher eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen. Die Aufteilung kann durch sachgerechte Schätzung (z.B. anhand eines Umsatzschlüssels) erfolgen. Bei Anwendung eines Umsatzschlüssels gehören lt. BFH zu dem im Rahmen der Schätzung maßgeblichen Gesamtumsatzes auch Zuschüsse, soweit sie den Umfang der nicht steuerbaren (nichtwirtschaftlichen) Tätigkeit des Unternehmers widerspiegeln. 

Ab dem Zeitpunkt der ebenfalls entgeltlichen Überlassung des Busparkplatztes wurde die nichtwirtschaftliche Tätigkeit durch Umwidmung beendet. Dadurch erhöht sich ab diesem Zeitpunkt die unternehmerische Nutzung, sodass eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG aus Billigkeitsgründen möglich ist. 

Konsequenzen für die Praxis 

Das Urteil des BFH ist zu begrüßen und von hoher praktischer Relevanz. Der Urteilsfall zeigt, dass der Vorsteuerabzug auch bei Eingangsleistungen möglich sein kann, die „auf den ersten Blick“ nicht direkt und unmittelbar mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zusammenhängen. Ein Vorsteuerabzug ist dabei neben zukünftigen Investitionen grundsätzlich auch aus bereits in der Vergangenheit bezogenen Leistungen möglich. 

Insbesondere bei größeren Investitionen, die dem Allgemeingebrauch gewidmet und kostenlos genutzt werden können, z.B. Touristenattraktionen wie Sehenswürdigkeiten oder Wanderwege, sollte bereits in der Planungsphase geprüft werden, ob ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen kann. Ebenso kann überprüft werden, ob und inwieweit ein nachträglicher Vorsteuerabzug auch für bereits getätigte Investitionen möglich ist (Korrektur nach § 15a UStG). 

Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist und bleibt, dass der direkte und unmittelbare Zusammenhang aus der Eingangsleistung (Investition) und der Ausgangsleistung (im Urteilsfall die Parkraumbewirtschaftung) gut dokumentiert wird und so eine ausreichende Beweislage geschaffen wird. Entscheidend ist dabei immer der Einzelfall. Eine verbindliche Abstimmung mit der Finanzverwaltung kann, helfen die Höhe des Vorsteuerabzugs vorab zu bestimmen.

Autor:innen: StB Tobias Kreiter, StB Janina Mähliß