Brexit: Keine wesentlichen Auswirkungen auf Unternehmen im Jahr 2020

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat am 31.01.2020 die EU verlassen. Grundlage dafür ist das noch Ende letzten Jahres vereinbarte Austrittsabkommen. Ab dem 01.02.2020 beginnt die zunächst bis zum 31.12.2020 befristete Übergangsphase, in der das Vereinigte Königreich weiterhin wie ein EU-Mitglied behandelt wird (Art. 126, 127 und 185 des Austrittsabkommens; ABl. C 384 I vom 12.11.2019, S. 1 ff.).

  • Historie

    Am 29.03.2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich) den Europäischen Rat von seiner Absicht, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten, und leitete damit offiziell das Verfahren nach Art. 50 des Vertrags über die Europäische Union ein. Die Vertragsparteien handelten ein Austrittsabkommen (Austrittsabkommen vom 19.02.2019, ABl. 2019/C 66 I/01) aus, auf dessen Basis in Deutschland am 03.04.2019 das Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Übergangsgesetz [BrexitÜG]) im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2019, S. 402) bekannt gemacht wurde. Das BrexitÜG sollte der Rechtsklarheit dienen. Da das Austrittsabkommen – im Falle seines Inkrafttretens – unmittelbar in Deutschland anwendbar ist, gilt das Vereinigte Königreich auch ohne BrexitÜG in der im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangsphase als EU-Mitglied. Das Inkrafttreten des BrexitÜG wurde vom Inkrafttreten des Austrittsabkommens abhängig gemacht. Ein solches Inkrafttreten hat nie stattgefunden. Da das BrexitÜG in § 1 explizit auf das Abkommen vom 19.02.2019 Bezug nimmt, ist fraglich, ob das Gesetz mit Inkrafttreten des neuen Austrittsabkommens in Kraft getreten ist. Für die Behandlung des Vereinigten Königreichs als EU-Mitglied ist die Beantwortung dieser Frage irrelevant, da insoweit das neue Austrittsabkommen unmittelbar in Deutschland Anwendung findet.

Sofern ein in Deutschland ansässiges Tochterunternehmen ein Mutterunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich hat, können im laufenden Kalenderjahr 2020 insbesondere die folgenden handelsrechtlichen Regelungen weiterhin angewendet werden:

  • §§ 264 Abs. 3, 264b HGB: Befreiung eines inländischen Tochterunternehmens von Aufstellungs-, Prüfungs- und/oder Offenlegungspflichten in Bezug auf dessen Jahresabschluss und/oder Lagebericht durch Einbeziehung in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in der EU
  • § 289b Abs. 2 HGB: Befreiung eines inländischen Tochterunternehmens von der Erweiterung ihres Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung durch Einbeziehung in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in der EU
  • § 291 HGB: Befreiung eines inländischen Tochterunternehmens von der Pflicht zur Teilkonzernrechnungslegung durch Einbeziehung in einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in der EU

Bis zum 30.06.2020 besteht darüber hinaus die Möglichkeit, den Übergangszeitraum um höchstens 1 oder 2 Jahre zu verlängern (Art. 132 des Austrittsabkommens). Der britische Premierminister hat eine Verlängerung bislang jedoch stets ausgeschlossen. Sollte es dennoch zu einer Verlängerung kommen, wären die zuvor genannten Vorschriften auch während des Verlängerungszeitraums weiterhin anwendbar.

Für den Zeitraum nach Ablauf der (ggf. verlängerten) Übergangsphase bleibt abzuwarten, ob es den Verhandlungspartnern bei den nunmehr anstehenden Verhandlungen gelingen wird, im Rahmen eines Freihandels- bzw. Partnerschaftsabkommens das Vereinigte Königreich weiterhin wie ein EU-Mitglied zu behandeln oder ob ggf. ein Beitritt als Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt. Sofern dies nicht gelingen sollte, droht ggf. schon mit Wirkung zum 01.01.2021 ein sog. harter Brexit, bei dem das Vereinigte Königreich auf den Status eines Drittstaates zurückfallen würde. In diesem Fall könnten z. B. Tochterunternehmen britischer Mutterunternehmen für Jahresabschlüsse, die nach dem 31.12.2020 enden, die Befreiungsmöglichkeiten des § 264 Abs. 3 HGB nicht mehr in Anspruch nehmen. Insofern sollte die Entwicklung im Verlauf des Jahres 2020 aufmerksam beobachtet werden.

ASU/KPH