Eine „nur vorübergehende Abwesenheit“ führt zum Entfallen der Wegzugsbesteuerung. Der BFH entscheidet nun, dass das Tatbestandsmerkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit“ erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Dies gilt unabhängig von einer Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs.
Bei Wegzug einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person gilt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG bei Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen der Norm (insbes. Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht und Betrachtungszeitraum) ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch ohne Veräußerung der Anteile als verwirklicht. Beruht jedoch die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen und wird dieser innerhalb eines gesetzlich bestimmten Zeitrahmens (vor ATAD-UmsG: fünf Jahre, aktuelle Rechtslage seit ATAD-UmsG: sieben Jahre) wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt unter gewissen Voraussetzungen der Steueranspruch nachträglich (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG).
Die Finanzverwaltung fordert für das Erfüllen des Merkmals der „nur vorübergehenden Abwesenheit“, dass im Sinne einer subjektiven Theorie bereits im Zeitpunkt des Wegzugs die „Rückkehrabsicht“ bestehen muss und dies auch glaubhaft zu machen ist (BMF-Schreiben vom 14.05.2004, Tz. 6.4.1, Tz. 6.4.2).
Dies hat der BFH mit Urteil vom 21.12.2022 (I R 55/19) nun für einen Fall des § 6 AStG i.d.F. vor ATAD-UmsG (Streitjahr 2014) abgelehnt. Vielmehr sei für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung im Sinne einer objektiven Theorie die fristgemäße Rückkehr des Steuerpflichtigen in den Fällen ausreichend, in denen die Rückkehr innerhalb von fünf Jahren erfolgt. Auch wenn man aus dem Tatbestandsmerkmal der „lediglich vorübergehenden Abwesenheit“ das Erfordernis einer Rückkehrabsicht ableitet, gibt laut BFH der Wortlaut der Vorschrift keine Auskunft über den Zeitpunkt der Willensbildung. Erst in § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG a.F. bzw. § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG n.F. verlangt der Gesetzgeber eine solche „Rückkehrabsicht“ für den Verlängerungszeitraum. Der Rückkehrwille nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG kann somit laut BFH durchaus im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet worden sein. Der Umstand der tatsächlichen (zeitgerechten) Rückkehr indiziert für den BFH vielmehr eine ursprünglich bestehende Rückkehrabsicht.
Die Grundsätze des Urteils sollten aufgrund der wortlautidentischen Rückkehrregelung des § 6 Abs. 3 AStG trotz der gesetzlichen Anpassung des § 6 AStG mit dem ATAD-UmsG vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2035) weiterhin von Bedeutung sein.
Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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