EuGH zur umsatzsteuerlichen Zuordnungsentscheidung

Der EuGH billigt grundsätzlich die deutsche Vorgehensweise für die umsatzsteuerliche Zuordnungsentscheidung. Dennoch gibt er dem BFH auf, zu prüfen, ob die rechtlichen Modalitäten verhältnismäßig sind. 

In einer Vorlage des BFH hatte sich der EuGH mit der deutschen Regelung zur umsatzsteuerlichen Zuordnungsentscheidung zu befassen. Diese sieht vor, dass die Zuordnung eines Wirtschaftsguts – in die unternehmerische oder private Sphäre – bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist der Umsatzsteuer-Jahreserklärung zu treffen ist. Eine spätere Zuordnung, mit verbundenem Vorsteuerabzug, lassen sowohl Finanzverwaltung als auch Finanzgerichtsbarkeit nicht zu.

Insbesondere nach dem EuGH-Urteil vom 25.07.2018 (Gmina Ryjewo, Rs. C-140/17) wurde jedoch fraglich, ob diese Position im Einklang mit der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie steht. Danach setzt die Gewährung eines Rechts auf Vorsteuerabzug nicht voraus, dass eine ausdrückliche Entscheidung über die Zuordnung getroffen und mitgeteilt wird. Diese Absicht kann auch implizit zum Ausdruck gebracht werden, z.B. durch die Art des betreffenden Gegenstands oder die Eigenschaft der handelnden Person.

Dem Verfahren liegen zwei Sachverhalte zugrunde. Ein Steuerpflichtiger (E) begehrt anteiligen Vorsteuerabzug aus der Errichtung eines Privathauses mit einem unternehmerisch genutzten Büro. Ein anderer Steuerpflichtiger (Z) möchte Vorsteuern aus der Anschaffung einer Photovoltaikanlage geltend machen. Z veräußert Strom, den er nicht privat verbraucht, an ein Energieunternehmen. Beide Steuerpflichtige hatten gegenüber der Finanzverwaltung erst nach Ablauf der o.g. Frist ihre Zuordnungsentscheidung kundgetan, im Rahmen von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen.

Der EuGH gibt keine abschließende Antwort, sondern überlässt dem BFH die Entscheidung über wesentliche Aspekte des Rechtstreits. Dies liegt auch an einem fundamentalen Unterschied zwischen dem bisherigen rechtlichen Verständnis des BFH und der Sichtweise des EuGH. Der BFH setzt sich in seiner Rechtsprechung nur mit dem Zeitpunkt auseinander, in welchem der Steuerpflichtige seine Zuordnungsentscheidung gegenüber der Finanzverwaltung dokumentiert. Der EuGH unterscheidet dagegen zwischen der Zuordnungsentscheidung selbst und der Mitteilung des Ergebnisses der Entscheidung gegenüber der Finanzverwaltung. Die Zuordnungsentscheidung ist laut EuGH materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Fehlt sie, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug in jedem Fall. Die Mitteilung der Zuordnungsentscheidung an die Finanzverwaltung ist demgegenüber nur eine formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Der Vorsteuerabzug darf grundsätzlich nicht allein deshalb versagt werden, weil eine formelle Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das Recht auf Vorsteuerabzug bleibt also grundsätzlich erhalten, auch wenn die Zuordnungsentscheidung nicht oder verspätet gegenüber der Finanzverwaltung abgegeben wird.

Hinsichtlich der Zuordnungsentscheidung (materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs) gibt der EuGH dem BFH auf, zu prüfen, ob diese erfolgt ist. Er weist dabei darauf hin, dass sie auch implizit erfolgen kann, etwa durch die Nutzung eines auf dem Bauplan eingezeichneten Büros als Büro oder den Abschluss eines Vertrags mit einem Energieunternehmen über den Verkauf überschüssigen Stroms.

Hinsichtlich der Mitteilung der Zuordnungsentscheidung gegenüber der Finanzverwaltung (formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs) billigt der EuGH grundsätzlich die Frist, welche von der deutschen Rechtsprechung geschaffen wurde. Der EuGH weist den BFH allerdings an, zu prüfen, ob die Rechtsfolge der Fristversäumnis (Versagung des Vorsteuerabzugs), das angemessene Mittel ist, um eine rechtssichere Steuererhebung sicherzustellen. Aus Sicht des EuGH könnte z.B. eine finanzielle Sanktion angemessener sein, da sie nicht in das fundamentale Recht der Unternehmer auf Vorsteuerabzug eingreift (EuGH-Urteil vom 14.10.2021, C-45/20 und C-46/20).

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH die Prüfungsaufträge des EuGH entscheidet. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass die bestehende Verwaltungsanweisung zur Frage der Zuordnungsentscheidung angepasst werden muss. Wie genau diese Anpassung aussieht, wird sich erst nach Erlass des BFH-Folgeurteils abschätzen lassen. Steuerpflichtige, deren Zuordnungsentscheidung ebenfalls zu spät mitgeteilt wurde, sollten prüfen, ob sie gegen ablehnende Umsatzsteuerbescheide Einspruch einlegen und laufende Rechtsbehelfsverfahren ruhend stellen, zumindest bis der BFH seine Folgeentscheidung veröffentlicht hat.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung.

Direkt zum EuGH-Urteil kommen Sie hier.

 

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