Koordinierte Außenprüfungen dienen der Aufklärung von grenzüberschreitenden Sachverhalten, insbesondere bei Verrechnungspreis- oder Betriebsstättenfragen, Gewinnverlagerungsfällen und grenzüberschreitenden Umstrukturierungen. Das FG Köln hat sich nun zu dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ im Fall einer grenzüberschreitenden koordinierten Außenprüfung geäußert.
Unter koordinierten (grenzüberschreitenden) Außenprüfungen versteht man zum einen Prüfungen, die in mehreren Staaten gleichzeitig nebeneinander durchgeführt werden (sog. Simultanprüfungen). Zum anderen fallen hierunter auch Prüfungen, bei denen Steuerprüfer verschiedener Staaten gemeinsam eine Prüfung durchführen, ggf. auch unter Beteiligung ausländischer Bediensteter vor Ort (sog. gemeinsame Prüfungen bzw. „Joint Audits“). Idealerweise kommen die Prüfer zu einer einheitlichen Beurteilung des relevanten Sachverhalts, so dass z.B. in Verrechnungspreisfällen eine Doppelbesteuerung vermieden werden kann. Rechtsgrundlage für solche Prüfungen ist innerhalb der EU das EU-Amtshilfegesetz bzw. die EU-Amtshilferichtlinie (DAC7). Außerhalb der EU können solche Prüfungen z.B. auf der Grundlage der jeweiligen Artikel zum Informationsaustausch in den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) durchgeführt werden. Einzelheiten für die Durchführung solcher Prüfungen hat das BMF in einem BMF-Schreiben geregelt (vgl. Steuernachricht vom 02.09.2021). Eine solche Prüfung kann für die Steuerpflichtigen vorteilhaft sein, z.B. um möglichst frühzeitig Rechtssicherheit über die Beurteilung eines Sachverhalts in den beteiligten Staaten zu erlangen. Steuerpflichtige können die Durchführung einer solchen Prüfung anregen. Ein Rechtsanspruch auf Durchführung besteht jedoch nicht, sondern die Teilnahme liegt im Ermessen der deutschen Finanzbehörde. Kritisch sind solche Fälle, in denen die Steuerpflichtigen mit der Durchführung solch koordinierter Prüfungen über die Grenze nicht einverstanden sind. Es stellen sich eine Reihe von Fragen zum Rechtsschutz der Steuerpflichtigen in solchen Verfahren, z.B. ob bzw. wann die Steuerpflichtigen von der Absicht, eine solche Prüfung durchzuführen, zu informieren sind und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich die Steuerpflichtigen gegen eine solche Prüfung wehren können. In diesem Zusammenhang ist auch höchst umstritten, ob solche koordinierten Prüfungen auch dann zulässig sind, wenn zwischen den beteiligten Staaten selbst gar keine Geschäftsbeziehungen bestehen, die Gegenstand einer gemeinsamen Ermittlung sein können. So ist z.B. zu beobachten, dass sich insbesondere europäische Staaten im Rahmen solcher Prüfungen zusammenschließen, um z.B. das Prinzipal-Verrechnungspreissystem einer international tätigen Gruppe gemeinsam zu überprüfen. Geschäftsbeziehungen der lokalen Gesellschaften bestehen in diesen Fällen in der Regel nicht untereinander, sondern nur jeweils zu der Prinzipalgesellschaft. In der Regel nimmt der Prinzipalstaat an der Prüfung aber nicht teil und hat somit auch keinen Einfluss auf die Prüfungstätigkeiten.
Einen solcherart gelagerten Fall hat das FG Köln nun zugunsten der Finanzverwaltung entschieden. Das Gericht hatte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Rechtmäßigkeit der koordinierten Außenprüfung im Hinblick auf ein Franchisemodell und die Angemessenheit der bei den Zahlungen angesetzten Preise innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe zu beurteilen. Insbesondere wegen der Nichtteilnahme der die Zahlungen empfangenden Konzerngesellschaft an der koordinierten Außenprüfung vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Informationen im Rahmen der koordinierten Außenprüfung nicht für die Durchführung der inländischen Besteuerung erheblich seien.
Das Finanzgericht folgt dieser Sichtweise des Klägers mit Beschluss vom 17.01.2022 (2 V 827/21) nicht. Auch der Vergleich von parallelen Geschäftsbeziehungen zwischen den beteiligten Staaten und der Prinzipalgesellschaft könne demnach für die Überprüfung der Angemessenheit dienlich sein. Das Finanzgericht spricht in diesem Zusammenhang von „mittelbar relevanten Informationen“ in dem Sinne, dass etwa über unterschiedliche Preisgestaltungen in den Ländern Gewinnverlagerungen prinzipiell möglich seien. Allein die Möglichkeit einer Relevanz sei für die Teilnahme einer koordinierten Außenprüfung ausreichend. In dem vorliegenden Sachverhalt kommt hinzu, dass einige Schwestergesellschaften vor Lizenzbeginn an den luxemburgischen Lizenzgeber immaterielle Vermögenswerte verkauft haben, welche sodann Gegenstand der von Deutschland gezahlten Lizenzgebühr werden (Rücklizenzierung).
Der Beschluss des FG ist vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des FG nicht überraschend. Es ist allerdings sehr bedauerlich, dass das FG in dieser wichtigen Frage die Beschwerde nicht zugelassen hat. Ein Vergleich paralleler konzerninterner Geschäftsbeziehungen untereinander erlaubt grundsätzlich keine Rückschlüsse auf die Angemessenheit der zu prüfenden Lizenzgebühr. Die Definition des Finanzgerichts über „mittelbar relevante Informationen“ bleibt in der Begründung vage, wenngleich für den untersuchten Fall zuzugeben ist, dass die vorhergehenden IP-Übertragungen einen konkreten Bezugspunkt auch zwischen den Staaten der Schwestergesellschaften darstellen. Zudem nimmt das FG soweit ersichtlich auch keine Stellung zu der Kernfrage, ob solche koordinierten Prüfungen ohne Teilnahme des relevanten Transaktionspartners mit Blick auf das Telos der Regelung zulässig sind.
Unabhängig davon ist auch für die Zukunft zu erwarten, dass den Finanzbehörden ein weiter Ermessensspielraum bei der Teilnahme an koordinierten Betriebsprüfungen beigemessen wird. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass koordinierte Betriebsprüfungen durchaus auch für den Steuerpflichtigen Vorteile haben können, weil Verfahren in mehreren Ländern parallel ablaufen und dann idealerweise auch mehr oder weniger gleichzeitig zum Abschluss gebracht werden können. Dies ist zwar nicht immer der Fall. Zum Teil hat es der Steuerpflichtige aber auch selbst in der Hand, die Koordination zwischen den beteiligten Finanzbehörden zu unterstützen.
Der Volltext des Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des FG Köln zur Verfügung.
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