Mit seiner Entscheidung in der Rs. Hornbach-Baumarkt erklärte der EuGH die Einkünftekorrekturnorm des § 1 AStG als grundsätzlich mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Allerdings müsse dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe, die sich aus der Stellung als Gesellschafter ergeben, zustehen. Nun hat sich das FG Rheinland-Pfalz in seiner Folgeentscheidung mit dem Erfordernis der wirtschaftlichen Gründe dezidiert auseinandergesetzt. Die Revision ist beim BFH anhängig.
Im konkreten Fall (Streitjahr 2003) erteilte eine inländische Konzernmuttergesellschaft zugunsten ihrer ausländischen mittelbaren Tochtergesellschaften (sowohl EU als auch Drittstaatengesellschaften) unentgeltlich Patronatserklärungen. Unter Berufung auf die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 Abs. 1 AStG erhöhte das Finanzamt die Einkünfte der inländischen Konzernmuttergesellschaft um die (fiktiven) Haftungsvergütungen. Das FG Rheinland-Pfalz legte daraufhin dem EuGH die Frage vor, ob die Hinzurechnung um die (fiktiven) Haftungsvergütungen nach § 1 AStG gegen Unionsrecht verstoße. Der EuGH sah die Norm des § 1 AStG zwar grundsätzlich als unionsrechtskonform an. Allerdings muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offenstehen, wirtschaftliche Gründe, die sich aus der Stellung als Gesellschafter ergeben, für den Abschluss des Geschäfts unter nicht fremdüblichen Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil vom 31.05.2018, C-382/16, Rs. Hornbach-Baumarkt). Mit Schreiben vom 06.12.2018 (zwischenzeitlich aufgehoben durch Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021, Schreiben vom 14.07.2021, Tz. 6.1) setzte die Finanzverwaltung das Urteil restriktiv um. Zum einen beschränkte die Finanzverwaltung die Gegenbeweismöglichkeit auf sanierungsbedingte Maßnahmen. Zum andern schränkte sie die Gegenbeweismöglichkeit territorial dahingehend ein, dass die EuGH-Entscheidung sich nur auf die Niederlassungsfreiheit beziehe und somit nicht auf Drittstaatenfälle anwendbar sei. Das FG Rheinland-Pfalz hatte dem EuGH lediglich die EU-Fälle und nicht die zugleich bestehenden Drittstaatenfälle der Hornbach-Baumarkt AG vorgelegt.
Nun hat sich das FG Rheinland-Pfalz in seiner Folgeentscheidung (Urteil vom 16.08.2023, 1 K 1472/13) dezidiert mit dem Erfordernis der wirtschaftlichen Gründe auseinandergesetzt und die Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG im konkreten Fall für die EU-Tochtergesellschaften als unverhältnismäßig eingestuft. Im Hinblick auf die unentgeltlich vereinbarten Patronatserklärungen mit den Drittstaaten-Tochtergesellschaften sah das FG keine Verletzung gegen Unionsrecht.
Hinsichtlich des Erfordernisses der wirtschaftlichen Gründe stellt das FG klar, dass wirtschaftliche Gründe i.S.d. EuGH-Rechtsprechung außersteuerliche Gründe sind, d.h. Gründe, die nicht in Zusammenhang mit steuerlichen Motiven stehen. Der Steuerpflichtige muss nachweisen können, dass die mit der nahestehenden Person vereinbarten Bedingungen zwar nicht mit denen eines Geschäfts zwischen fremden Dritten entsprechen, aber dass für den Abschluss eines solchen Geschäfts echte wirtschaftliche Gründe vorliegen, die nicht in der Erlangung eines Steuervorteils bestanden haben. Wirtschaftliche Gründe können auch – wie bereits vom EuGH ausgeführt - aus gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen resultieren. Daher kommen insbesondere auch Gründe in Betracht, denen konzernspezifische Besonderheiten zugrunde liegen. Eine – wie von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 06.12.2018 vorgenommene – Einschränkung, dass wirtschaftliche Gründe i.S.d. Hornbach-Baumarkts-Urteils nur im Falle der Rettung von insolvenzgefährdeten oder notleidenden verbundenen Unternehmen vorliegen können und insofern andere wirtschaftliche Gründe für ein Abweichen vom Fremdvergleich nicht in Betracht kommen würden, lehnt das FG entschieden ab.
Liegen wirtschaftliche Gründe vor, ist sodann zu prüfen, unter welchen Umständen eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG 2003 zu unterbleiben hat. Denn selbst bei Vorliegen und Nachweis wirtschaftlicher Gründe kann eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG 2003 in Betracht kommen. Hierfür ist eine Abwägung zwischen den durch § 1 AStG 2003 verfolgten Zielen und der durch die Einkünftekorrektur bewirkten Beeinträchtigung der durch Gemeinschaftsrecht geschützten Rechtsposition vorzunehmen. Das bedeutet, in welchem Maße eine Einkünftekorrektur die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt und insofern zu unterbleiben hat, ist abhängig von der Qualität der wirtschaftlichen Gründe. Je gewichtiger die wirtschaftlichen Gründe sind, umso weniger kommt eine Einkünftekorrektur in Betracht. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch das Ziel der Verhinderung von Steuerumgehungen zu berücksichtigen. Daher muss der Steuerpflichtige wirtschaftliche Gründe vortragen und nachweisen, die zudem verdeutlichen, dass die Gestaltung nicht aus steuerlichen Motiven gewählt wurde. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob es der Finanzverwaltung im Einzelfall überhaupt gelingt, die konkrete Gefahr einer Steuerumgehung zu belegen oder nicht. Lässt sich diese konkrete Gefahr einer Steuerumgehung (z.B. niedrige Körperschaftsteuersätze im Ausland) nämlich nicht feststellen, sind in der Folge an die wirtschaftlichen Gründe weniger hohe Anforderungen zu stellen als bei erkennbar vorliegenden steuerlichen Motiven.
Im Rahmen einer solchen Gesamtabwägung kam das FG im konkreten Fall zu dem Schluss, dass aufgrund der vorliegenden wirtschaftlichen Gründe für die EU-Tochtergesellschaften die vorgenommene Einkünftekorrektur rückgängig zu machen ist; konkrete steuerliche Vorteile hatte das Finanzamt nicht nachgewiesen.
Die Entscheidung des FG dürfte auch für andere Fälle von Nutzungseinlagen (z.B. zinsgünstige Darlehen) Relevanz entfalten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der BFH den Ausführungen des FG folgen wird. Die Revision ist beim BFH anhängig unter Az. I R 68/23. In vergleichbaren Fällen sollten Steuerpflichtige die Verfahren offenhalten.