Laut BFH ist die Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG (Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften) für die gesamte Beteiligung einheitlich zu prüfen. Zudem liege laut BFH auch bei gezielter Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines Anteils, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, nicht ohne Weiteres ein Rechtsmissbrauch i.S.v. § 42 AO vor.
Im konkreten Fall (Streitjahr 2015) führte die Alleingesellschafterin einer GmbH kurz nach deren Gründung eine Kapitalerhöhung durch. Neben dem Nennbetrag für den neuen Anteil zahlte sie auch ein hohes Aufgeld in die Kapitalrücklagen. Nach der Einzahlung veräußerte sie den neuen Anteil sowie weitere 5 Prozent ihrer Altanteile zu einem dem wirtschaftlichen Wert der Anteile entsprechenden Kaufpreis. Bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG ordnete die Gesellschafterin das Aufgeld ausschließlich dem Neuanteil als Anschaffungskosten zu und machte einen entsprechend hohen Verlust nach § 17 Abs. 2 EStG geltend. Laut BFH zu Recht (BFH-Urteil vom 03.05.2023, IX R 12/22).
Zunächst bejahte der BFH die für die Berücksichtigung des Verlustes erforderliche Gewinnerzielungsabsicht. Diese ist laut BFH im Rahmen des § 17 EStG unabhängig von der rechtlichen Selbstständigkeit der Anteile nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zu prüfen. Bei der Beurteilung bezieht der BFH dabei neben Wertsteigerungen der Beteiligung auch die laufenden Erträge aus Ausschüttungen mit ein.
Hinsichtlich der für die Ermittlung des Veräußerungsverlustes relevanten Höhe der Anschaffungskosten rechnete der BFH das gezahlte Aufgeld nur den Anschaffungskosten des neuen Anteils zu, in dessen Zusammenhang das Aufgeld geleistet wurde. Die Vorschrift des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG war im Streitjahr noch nicht anwendbar. Nach § 17 Abs. 2a Satz EStG ist ein im Zuge der Kapitalerhöhung für den neu geschaffenen Anteil gezahltes Aufgeld verhältnismäßig auf sämtliche Geschäftsanteile zu verteilen. Dies gilt erstmals für Veräußerungen nach dem 31.07.2019 (§ 52 Abs. 25a Satz 1 EStG). Für den BFH ist die Neuregelung auch nicht (wie in der Gesetzesbegründung geschrieben, BT-Drs. 19/13436, S. 111) rein deklaratorischer Natur, sondern wirke konstitutiv.
Auch einen Rechtsmissbrauch nach § 42 AO sah der BFH nicht. Zum einen habe der Steuerpflichtige die Freiheit, die Gesellschaft in einer steuerlich vorteilhaften Weise mit Kapital auszustatten. Zudem könne er selbst entscheiden, welchen Geschäftsanteil seiner Beteiligung er veräußert. Hinzu komme, dass selbst ein gezielt herbeigeführter Verlust durch die Veräußerung von zu „überhöhten“ Anschaffungskosten erworbenen Geschäftsanteilen durch spätere Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen mit niedrigen Anschaffungskosten ausgeglichen werde.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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