In zwei am Montag (31.05.2021) verkündeten Urteilen legt der BFH erstmals konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten fest. Danach dürften insbesondere spätere Rentnerjahrgänge von einer Doppelbesteuerung betroffen sein.
In den konkreten Fällen sah der BFH zwar keine Doppelbesteuerung. Jedoch definierte der BFH erstmals und teilweise abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten.
Dabei hält der BFH an seiner bisherigen, vom BVerfG bestätigten Rechtsprechung fest, nach der sowohl der mit dem Alterseinkünftegesetz eingeleitete Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen als auch die gesetzlichen Übergangsregelungen grundsätzlich verfassungskonform sind. Im konkreten Einzelfall dürfe es aber nicht zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen. Laut BFH kann daher einem Steuerpflichtigen, der nachweisen kann, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt, aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zustehen. Eine solche doppelte Besteuerung liege regelmäßig vor, wenn die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge höher ist als die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse (steuerfreier Rentenbezug).
Für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung legt der BFH erstmals konkrete Berechnungsparameter fest. Der BFH stellt auf das Nominalwertprinzip ab, sodass die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung nicht zu berücksichtigen sei. Der BFH rechnet zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Dagegen sind laut BFH aber etwa der Grundfreibetrag, der Werbungskostenpauschbetrag, der Sonderausgabenanzug für Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Sonderausgabenpauschbetrag nicht zu berücksichtigen. Bei Anwendung dieser Berechnungsgrundsätze lag im konkreten Fall (Bezug der Altersrente seit dem Jahr 2007) keine Doppelbesteuerung vor (BFH-Urteil vom 19.05.2021, X R 33/19). Jedoch dürften spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein, da der für jeden neuen Rentnerjahrgang jeweils geltende Rentenfreibetrag mit jedem Jahr kleiner wird.
In einem weiteren ebenfalls am 31.05.2021 verkündeten Urteil äußert sich der BFH insbesondere zur Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente, der Anwendung der sog. Öffnungsklausel, von regelmäßigen Rentenanpassungen sowie der „Rürup“-Rente. Bei den gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung könne es anders als bei gesetzlichen Altersrenten systembedingt keine Doppelbesteuerung geben (BFH-Urteil vom 19.05.2021, X R 20/19).
Die Regierungsfraktionen haben in Reaktion auf die Urteile bereits verlautbaren lassen, dass sie eine Anpassung der geltenden Rechtslage prüfen wollen. Damit ist angesichts der nahenden Bundestagswahl aber erst in der kommenden Legislaturperiode zu rechnen.
Die Volltexte der beiden Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil X R 33/19 kommen Sie hier.
Direkt zum BFH-Urteil X R 20/19 kommen Sie hier.