Kein Missbrauch i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG a.F. (2011) bei sog. Mäanderstrukturen

Bei einer sog. Mäanderstruktur impliziert die Möglichkeit der Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf Ebene der deutschen Muttergesellschaft, dass kein Missbrauch i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG a.F. (2011) vorliegt, falls nicht das BZSt begründete gegenläufige Indizien vorbringt. Auch für die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. AbzStEntModG können sich hieraus Rückschlüsse ergeben.

Der Urteilsfall betraf die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG a.F. (2011) bei Ausschüttungen in einer sog. Mäanderstruktur, d.h. bei Zwischenschaltung einer ausländischen Tochtergesellschaft (niederländische B.V.) zwischen eine inländische Mutter- und ihre inländische (ausschüttende) Enkelgesellschaft.

Die Vorinstanz (FG Köln, 2 K 140/18, vgl. eNewsletter Tax vom 29.10.2020) vertrat in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, dass § 50d Abs. 3 EStG gegen Primär- (Niederlassungsfreiheit) und Sekundärrecht (Mutter-Tochterrichtlinie) verstößt und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises einzuräumen ist, dass keine „künstliche Gestaltung" vorliegt.

Nach Auffassung des FG Köln lag bereits aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem mittelbaren Gesellschafter um eine deutsche Muttergesellschaft handelt und die „Zwischenschaltung" der niederländischen Gesellschaft somit zu keinem steuerlichen Vorteil führt, keine künstliche Gestaltung vor. Hiergegen hat das BZSt Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Der BFH hat mit Beschluss vom 09.06.2021 (I B 60/20, NV) die Nichtzulassungsbeschwerde des BZSt als unbegründet zurückgewiesen. Demnach fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, da spätestens seit Beschluss des EUGH zur Rs. GS geklärt sei, dass § 50d Abs. 3 EStG (2011) auch bei Vorliegen einer sog. Mäanderstruktur unionsrechtswidrig und deshalb in Form der Eröffnung der Möglichkeit des Gegenbeweises (über einen fehlenden Regelungsmissbrauch) im Einzelfall geltungserhaltend zu reduzieren ist.

Der BFH rekurriert für den Nachweis eines Rechtsmissbrauchs zunächst auf die im Urteil des EuGH (Urteil T Danmark vom 26.02.2019 – C-116/16, C-117/16) festgestellten Kriterien. Nach Ansicht des BFH ist es im Fall einer Mäanderstruktur jedoch bereits offensichtlich und nicht klärungsbedürftig, dass es für den Gegenbeweis zunächst ausreichend ist, wenn der Steuerpflichtige auf die hypothetische Anrechnungsmöglichkeit der inländischen Muttergesellschaft verweist. Denn durch die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft kann es im vorliegenden Fall zu keiner missbräuchlichen "Steuerreduktion" kommen, da der deutschen Muttergesellschaft bei Direktbezug der Einkünfte die Möglichkeit der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zugestanden hätte. Etwas anderes könnte sich dann ergeben, wenn das BZSt begründete gegenläufige Indizien vorträgt.

Auch der vom BZSt insoweit hervorgehobene "Steuerstundungseffekt" bezogen auf das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG führt nicht zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage, weil dieser temporäre Effekt unionsrechtlich dann hinzunehmen ist, wenn die gewählte Struktur sich nicht als rein künstlich darstellt, sondern wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe im Sinne der genannten EuGH-Rechtsprechung vorliegen.

Zwar betrifft der Beschluss des BFH § 50d Abs. 3 EStG a.F. (2011), gleichwohl sollte die Entscheidung auch Rückschlüsse auf die aktuelle, kürzlich überarbeitete Fassung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. AbzStEntModG zulassen. In der aktuellen Fassung des § 50d Abs. 3 EStG wurde die persönliche Entlastungsberechtigung erheblich eingeschränkt. Demnach muss sich für eine Entlastung der Kapitalertragsteuer der hypothetische Entlastungsanspruch aus „derselben“ Rechtsgrundlage ergeben. Ein solcher Anspruch soll u.a. in sog. Mäanderfällen nicht gegeben sein.

Zwar sieht die aktuelle Fassung nun die Möglichkeit des Gegenbeweises explizit vor, gleichwohl hat der Steuerpflichtige den Gegenbeweis zu erbringen (Beweislastumkehr). Der BFH stellt in seinem Beschluss klar, dass die Anrechnungsmöglichkeit beim deutschen Anteilseigner für Zwecke des Gegenbeweises zunächst ausreichend ist, falls nicht das BZSt begründete gegenläufige Indizien vorbringt.

Der Volltext des Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Beschluss kommen Sie hier.

 

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