In ihrem „Manual on the Handling of Multilateral Mutual Agreement Procedures and Advanced Pricing Agreements” äußert sich die OECD zur Durchführung von Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren. Der Leitfaden enthält neben Grundlagen und verfahrensrechtlichen Aspekten auch Beispielfälle sowie einen Muster-Zeitplan für Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren.
Für die Lösung von Besteuerungskonflikten zwischen Staaten sehen Doppelbesteuerungsabkommen bi- und multilaterale Verständigungsverfahren (sog. Mutual Agreement Procedures (MAPs)) als Instrument zur Konfliktlösung und Vermeidung von Doppelbesteuerung vor. Durch Vorabverständigungsverfahren (sog. Advance (Pricing) Agreements (APAs)) können international agierende Steuerpflichtige, insbesondere multinationale Unternehmensgruppen, sogar bereits im Vorhinein Sicherheit über die gegenseitige Anerkennung von Verrechnungspreismethoden durch die beteiligten Finanzbehörden erhalten. Sofern zwischen den beteiligten Staaten Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, können sich Steuerpflichtige auf den Art. 25 OECD-Musterabkommen jeweils entsprechenden Artikel berufen, der die bilaterale Rechtsgrundlage für Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren darstellt. Im nationalen Recht wurde mit dem AbzStEntModG in § 89a AO erstmalig eine eigenständige nationale Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren geschaffen.
Zur Schaffung von mehr Transparenz und Rechtssicherheit zwischen den Staaten hat nun das Forum on Tax Administration der OECD am 01.02.2023 eine Art Leitfaden zur Durchführung von Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren – das sog. „Manual on the Handling of Multilateral Mutual Agreement Procedures and Advanced Pricing Agreements (MoMA)” - veröffentlicht.
Im MoMA äußert sich die OECD zum einen zu den rechtlichen Grundlagen für die Durchführung bi- bzw. multilateraler MAP- und APA-Fälle, z.B. zur Definition eines Verständigungsfalls, den Rechtsgrundlagen zur Durchführung von Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren sowie zu den Voraussetzungen des Antrags auf Einleitung solcher Verfahren. Zum andern widmet sich die OECD auch praktischen Aspekten dieser Verfahren. Sie erläutert hierbei u.a. geeignete Vorgehensweisen für Behörden zur gegenseitigen Abstimmung und zur Durchführung von Beratungen sowie zum Einbezug der Steuerpflichtigen in die Verfahren. Auch nimmt sie Stellung zum Zusammenspiel von innerstaatlichen Rechtsmitteln und Verständigungsverfahren. In diesem Zusammenhang weist sie noch einmal darauf hin, dass z.B. nationale Verjährungsregelungen nicht dazu führen sollten, Steuerpflichtigen den Zugang zu Verständigungsverfahren zu versperren. Gerade für deutsche Unternehmen können solche Verjährungsfristen in anderen Staaten erfahrungsgemäß aufgrund der oft sehr langen Dauer der Betriebsprüfungen zum Problem werden.
Darüber hinaus enthält das MoMA einige Beispielfälle zu Verrechnungspreissachverhalten und Fällen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Die OECD nimmt auch Stellung zur Frage des Zugangs zu MAP und APAs in Fällen hybrider Gesellschaften und in Fällen der Doppel,- bzw. Mehrfachansässigkeit. Praktisch bedeutsam ist auch der zur Verfügung gestellte Muster-Zeitplan für Verständigungs- bzw. Vorabverständigungsverfahren. Während es zwischen den großen westlichen Industrienationen bereits etablierte Wege der Abarbeitung von MAPs und APAs gibt, wird ein solcher Ablaufplan besonders hilfreich sein für die zunehmenden Verfahren mit anderen Staaten. Diese werden im Rahmen der aktuellen Entwicklungen im internationalen Steuerrecht zunehmend mit solchen Verfahren konfrontiert werden. Es ist zu begrüßen, dass die OECD versucht, hier durch das MoMA praktische Hilfestellung zu leisten, um die oft sehr langwierigen Verfahren zu beschleunigen bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang der Leitfaden von den Steuerverwaltungen bzw. den Steuergesetzgebern angenommen wird.
Für Deutschland gilt, dass das MoMA als sog. Soft Law keine unmittelbare Rechtsgrundlage begründet. Es wird lediglich als Auslegungshilfe zur Durchführung von Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren für Berater, Steuerpflichtige und Finanzverwaltung heranzuziehen sein. Für die Durchführung von MAPs hat sich die deutsche Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 27.08.2021 feste, für sie bindende Regeln gegeben. Dem Vernehmen nach ist auch ein BMF-Schreiben zur Durchführung von APAs auf der Grundlage von § 89a AO in Vorbereitung.
Weiterführende Informationen in Englisch können Sie unserem EY Global Tax Alert entnehmen.
Das Manual on the Handling of Multilateral Mutual Agreement Procedures and Advanced Pricing Agreements steht Ihnen auf der Internetseite der OECD zur Verfügung.
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