Erneut äußert sich der BFH zur Bestimmung fremdüblicher Zinssätze bei Konzerndarlehen. Der BFH nimmt dabei umfassend Stellung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Bezug auf nachrangige Darlehen und möglichen Auswirkungen der Nachrangigkeit auf die Höhe des Zinssatzes. Er verweist allerdings an die Vorinstanz zurück, welche in einem zweiten Rechtsgang die Besonderheiten der Nachrangigkeit und Unbesichertheit bei der Bestimmung des fremdüblichen Preises anhand der vom BFH aufgestellten Grundsätze zu prüfen hat.
Im konkreten Fall gewährte eine Alleingesellschafterin ihrer ebenfalls im Inland ansässigen Tochterkapitalgesellschaft ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen für den Erwerb einer Beteiligung. Der Zinssatz belief sich auf 8 Prozent. Daneben erhielt die Tochterkapitalgesellschaft ein besichertes Bankdarlehen, das mit durchschnittlich 4,78 Prozent verzinst wurde, sowie ein unbesichertes Verkäuferdarlehen mit einem Zinssatz von 10 Prozent. Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten, insbesondere gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten, nachrangig. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der vereinbarte Zinssatz des Gesellschafterdarlehens zu hoch sei. Der fremdübliche Zinssatz belaufe sich auf 5 Prozent, weshalb in Höhe der Differenz eine vGA vorliege. Dem stimmte die Vorinstanz zu (FG Köln vom 29.06.2017, 10 K 771/16).
Mit Urteil vom 18.05.2021 (I R 62/17) hob der BFH das FG Urteil auf und verwies zurück. Die tatsächlichen Feststellungen tragen laut BFH nicht die Annahme, dass allein wegen der vereinbarten Verzinsung in Höhe von 8 Prozent eine vGA vorliege.
Der BFH äußert sich im Folgenden umfassend zur Anwendung des Fremdvergleichs, welcher nur das Wegdenken der Nahestehensbeziehung verlangt. So stellt der BFH klar, dass der mit dem Bankenkonsortium vereinbarte Zinssatz von 4,78 Prozent nicht der Maßstab für das Gesellschafterdarlehen ist, da der gedachte und gewissenhafte Geschäftsleiter sich nicht ohne Weiteres daran orientieren würde. Denn das Bankdarlehen war besichert und vorrangig zu bedienen. Demgegenüber war das Gesellschafterdarlehen unbesichert und nachrangig. Fehlen – wie im konkreten Fall – gegenteilige Feststellungen, kann die Vorinstanz nicht ohne weiteres annehmen, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zum gleichen Zins gewährt hätte.
Auch ist laut BFH die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO für den Fremdvergleich hier unbeachtlich. Im vorliegenden Fall ist die Nachrangigkeit nicht durch das Nahestehen entstanden. Im vorliegenden Fall wäre im Insolvenzfall das Gesellschafterdarlehen auch ohne § 39 Abs 1 Nr. 5 InsO gegenüber dem Bank- und Verkäuferdarlehen nachrangig gewesen. Ein fremder Dritte würde im Rahmen einer Verhandlung den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers nur akzeptieren, wenn er vom Darlehensnehmer eine finanzielle Kompensation für die Hinnahme dieses Nachteils und größeren Risikos erhält, so der BFH. Dass laut Vorinstanz keine Notwendigkeit für eine Risikokompensation im Zinssatz bestanden habe, weil das Vermögen der Tochterkapitalgesellschaft über ausreichend Substanz verfügt und insofern die Darlehensrückzahlung gesichert sei, lehnte der BFH ab. Ein fremder Dritter würde bei der Bestimmung der Darlehensbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem auch auf dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung, da sein Ausfallrisiko davon abhängt. Da die wirtschaftliche Zukunft allenfalls prognostizierbar ist, liegt es für den BFH nahe, dass bei gegebener Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlende Sicherheiten) ein fremder Dritter einen höheren Preis für die Überlassung des Kapitals fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG anhand der vom BFH entwickelten Grundsätze zu prüfen haben, ob der Darlehensvertrag dem Grunde nach steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dabei ist laut BFH insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen (z.B. Abreden zur Frage der Verzinsung, der Sicherheitengestellung oder der Fälligkeit der Zinszahlungen) die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Kommt das FG zu dem Schluss, dass der Vertrag nicht anzuerkennen ist, ist der geltend gemachte Zinsaufwand von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Stellt das FG dagegen fest, der Vertrag ist dem Grunde nach anzuerkennen, liegt eine vGA nur vor, wenn der Preis über das Fremdübliche hinausgeht. Für die Bestimmung des fremdüblichen Preises kann das FG die im Einzelfall geeignetste Methode wählen. Entscheidet sich das FG für die Preisvergleichsmethode, muss der zu beurteilende Preis und der Vergleichspreis auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen. Wenn aber bei einem verbundenen Unternehmen spezielle Umstände gegeben sind, die zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen eine abweichende Preisgestaltung veranlassen würden, ist ein Preisvergleich für den BFH nicht oder nur mit Einschränkungen möglich. Im Falle eines internen Preisvergleichs, d.h. Vergleich des Gesellschafterdarlehens mit dem tatsächlich gewährten Bankdarlehen, dürfte laut BFH in der Nachrangigkeit und in der Unbesichertheit solche speziellen Umstände zu sehen sein, die sodann Anpassungen bei der Bestimmung des Preises erfordern. Auch das Verkäuferdarlehen ist im Rahmen eines Preisvergleichs mit einzubeziehen.
Sofern das FG darüber hinaus zu dem Schluss kommt, dass es einen Markt für nachrangige Darlehen gibt, ist anhand dessen ein externer Preisvergleich zu führen. Dem BFH scheint es nicht abwegig, dass auf einem solchen Markt auch fremde Dritte unbesicherte Nachrangdarlehen gegen Zahlung eines höheren Preises (Risikokompensation) gewähren würden. Solche Darlehen wären dann auch zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter anzuerkennen. An dieser Stelle hebt der BFH hervor, dass es sich bei den fremden Dritten nicht um „klassische Banken“ handeln muss. Daher ist auch auf das gedachte Verhalten dieser Dritten und nicht auf das Verhalten von Banken abzustellen. Im Ergebnis kommt es damit laut BFH nicht auf eine Bankenüblichkeit an.
Der BFH verweist hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung der Konzernrückhalt für den Preisvergleich zukommt, auf sein Urteil vom 18.05.2021 (I R 4/17, vgl. Steuernachricht vom 21.10.2021).
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.
Weitere Publikationen von EY
Nutzen Sie unser neues Email Preference Center, um sich für den Erhalt des eNewsletter Tax und anderen Medien zu registrieren oder diese anderen Kolleg:innen zu empfehlen.
Sind Sie schon registriert? Dann können Sie hier Ihre Präferenzen anpassen.