Temporäre Entschärfung der erbschaftsteuerlichen Lohnsummenregel

Werden die rechnerisch erforderlichen Lohnsummen für die Betriebsvermögensverschonung pandemiebedingt unterschritten, eröffnen die obersten Finanzbehörden der Länder eine niedrigere Festsetzung oder den Erlass der resultierenden Nachversteuerung. Hierzu müssen besondere Kausalitätsanforderungen erfüllt werden.

Die Erbschaftsteuerbegünstigungen für Betriebsvermögen sind nach § 13a Abs. 3 bzw. Abs. 10 ErbStG an die Einhaltung von Mindestlohnsummen und Behaltensfristen über einen Zeitraum von fünf Jahren im Fall der Regelverschonung (85 Prozent) bzw. sieben Jahren im Fall der Optionsverschonung (100 Prozent) gebunden. Wird die jeweils definierte Mindestlohnsumme unterschritten, vermindert sich der zu gewährende Verschonungsabschlag rückwirkend in demselben prozentualen Umfang.

Sollte es coronabedingt zu einem Unterschreiten der Mindestlohnsumme kommen und „allein deshalb“ eine Nachversteuerung nach § 13a Abs. 3 Satz 5 ErbStG ggf. i.V.m. § 13a Abs. 10 oder § 13c Abs. 2 Satz 1 ErbStG ausgelöst werden oder ein Erlass gemäß § 28a Abs. 4 Satz 1 ErbStG rückwirkend wegfallen, kommt nach den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30.12.2021 eine sachliche Unbilligkeit in Betracht. Dies eröffnet im Einzelfall eine abweichende Festsetzung (§ 163 Abs. 1 AO) oder einen Erlass (§ 227 AO) der Erbschaftsteuer, wenn die erforderliche Kausalität mit der COVID-19-Pandemie nachgewiesen wird. Auf Antrag kommt zudem eine Weitergewährung der vorzeitig beendeten Stundung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) nach § 222 AO in Betracht.

Von der erforderlichen Kausalität kann nach den Ländererlassen in der Regel ausgegangen werden, wenn im Zeitraum 01.03.2020 bis 30.06.2022 die rechnerisch erforderliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde, in diesem Zeitraum Kurzarbeitergeldzahlungen erfolgten und der Betrieb einer Branche angehört, die von einer verordneten Schließung aufgrund der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen war. Zur Behandlung der Kurzarbeitergeldzahlungen hinsichtlich der Ermittlung der Lohnsumme äußern sich die gleichlautenden Ländererlasse vom 14.10.2020 (unter Bezug auf R E 13a.5 ErbStR).

Liegen die drei genannten Umstände nicht kumulativ vor, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dennoch von der erforderlichen Kausalität ausgegangen werden kann. Im Einzelfall können auch mittelbare Folgeauswirkungen der verordneten Schließungen zur erforderlichen Kausalitätsannahme führen. Wurde die rechnerisch erforderliche Lohnsumme auch schon vor dem definierten Pandemiezeitraum unterschritten, kommen die Billigkeitsmaßnahmen jedoch regelmäßig nicht in Betracht.

 

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