Russland/Ukraine: Neue Exportkontrollen und Sanktionen treffen Unternehmen

Aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Ukraine hat die EU am 23.02.2022 und an den darauf folgenden Tagen Sanktionspakete gegen Russland beschlossen. Unternehmen müssen das veränderte Sanktionsumfeld analysieren und interne Compliance-Vorkehrungen ergreifen, sofern sie betroffen sind. 

Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 12.04.2022.

Erstes Sanktionspaket

Aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Ukraine hatte die EU am 23.02.2022 ein erstes Paket von Sanktionen gegen Russland beschlossen.

Die in der ersten Stufe beschlossenen Sanktionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Sanktionslisten

Über 330 Mitglieder des russischen Parlaments, die an der Anerkennung der selbsternannten "Volksrepubliken Luhansk und Donezk" in der Ostukraine beteiligt waren, wurden in die EU-Sanktionsliste aufgenommen. Ebenso wurden 26 Personen und Organisationen aufgelistet, die dazu beitragen sollen, die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben. Dazu gehören neben hochrangigen Vertretern des russischen Militärs und des Rundfunks auch drei russische Banken und einige ihrer Vertreter. Solche Sanktionslisten führen u.a. zu einem absoluten Verbot von Geschäften mit den betroffenen Personen und Unternehmen und können sich auch auf die von ihnen gehaltenen Unternehmen auswirken.

Regionales Wirtschaftsembargo

Für die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete der Oblaste Donezk und Luhansk wurde ebenfalls ein Wirtschaftsembargo mit weitreichenden Handels-, Investitions- und Einfuhrbeschränkungen verhängt. Bestimmte Ausnahmen für laufende Geschäfte sind möglich, erfordern aber eine sorgfältige Einzelfallprüfung. Die Maßnahmen sind vergleichbar mit dem Embargo gegen die Region Krim und Sewastopol, das seit 2014 in Kraft ist.

Finanzierungsbeschränkung

Es wurde auch ein sektorales Verbot der Finanzierung der Russischen Föderation, ihrer Regierung und ihrer Zentralbank eingeführt. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Zugang des russischen Staates und der russischen Regierung zu den Kapital- und Finanzmärkten und den damit verbundenen Dienstleistungen in der EU zu beschränken.

Zweites Sanktionspaket

Am 25.02.2022 wurde von der EU ein zweites Sanktionspaket verabschiedet, das die folgenden Kernelemente enthält:

Verschärfung der Exportkontrollen

  • Die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (d.h. von Gütern, die auf der sog. EU-Ausfuhrliste aufgeführt sind) und damit verbundenen Dienstleistungen aus der EU nach Russland ist verboten. Enge Ausnahmen gelten für bestimmte humanitäre oder sicherheitsrelevante Transaktionen, bei denen bestimmte Informationen in die Ausfuhranmeldung aufgenommen werden müssen und eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Ausfuhrkontrollbehörde besteht. Ausnahmen, die sorgfältig auf ihre Voraussetzungen hin geprüft werden müssen, gelten auch für die Lieferung auf der Grundlage bereits geschlossener Verträge und für Ausfuhren an russische Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen. Ein detailliertes Informationsaustausch- und Konsultationsverfahren zwischen den Ausfuhrkontrollbehörden in der EU ist dabei vorgesehen.
  • Für den Handel mit Russland wurden spezifische zusätzliche Listen mit beschränkten Gütern und damit zusammenhängenden Dienstleistungen erstellt, die ebenfalls mit engen Ausnahmen versehen sind und nachfolgend kursorisch skizziert werden:
    • bestimmte Güter, die zur militärischen und technologischen Aufrüstung Russlands beitragen könnten (z.B. bestimmte Güter aus den Bereichen Elektronik, Computer, Telekommunikation, Informationssicherheit, Sensoren und Laser, Navigation und Luftfahrtelektronik, Marine, Luft- und Raumfahrt als auch Antrieben),
    • spezifische Güter zur Verwendung in der Ölraffination,
    • Flugzeuge, Raumfahrzeuge und Teile davon.

Beschränkungen bei der Finanzierung (kursorische Zusammenfassung ohne Angabe von Details)

  • 3 russische Banken wurden am 23.02.2022 in die EU-Sanktionslisten aufgenommen, was zu einem umfassenden Verbot von Geschäften mit diesen Banken führt. Weitere natürliche Personen wurden in der Folgezeit ebenfalls in die EU-Sanktionsliste aufgenommen.
  • 9 russische Banken und 14 russische Unternehmen unterliegen nun Beschränkungen im Handel mit ihren Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und dem Zugang zu Krediten/Finanzierungen und damit verbundenen Dienstleistungen.
  • Verbot der Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit oder Investitionen in Russland (die deutsche Regierung hat Medienberichten zufolge die Übernahme von Bürgschaften für Exporte nach oder Investitionen in Russland ausgesetzt).
  • Verbot der Börsennotierung und der Erbringung von Dienstleistungen an Handelsplätzen in der EU für übertragbare Wertpapiere von Personen oder Einrichtungen mit Sitz in Russland, die zu mehr als 50 Prozent in öffentlicher Inhaberschaft sind.
  • Beschränkung der Annahme von Einlagen russischer Staatsangehöriger oder Personen oder Organisationen aus Russland, wenn der Gesamtwert der Einlagen der natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung pro Kreditinstitut 100 000 Euro übersteigt. Diese Beschränkung gilt nicht (1) für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates oder natürliche Personen, die eine befristete oder unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in einem EU-Mitgliedstaat haben, oder (2) für Einlagen, die für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und Russland erforderlich sind. Es gelten Meldepflichten für Finanzinstitute.
  • Beschränkung für Zentralverwahrer in der EU, Dienstleistungen für übertragbare Wertpapiere, die nach dem 12.04.2022 ausgegeben werden, für russische Staatsangehörige oder Personen/Einrichtungen in Russland zu erbringen, wiederum mit einigen der oben genannten Ausnahmen.
  • Beschränkung des Verkaufs von auf Euro lautenden Wertpapieren, die nach dem 12.04.2022 emittiert werden, oder von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen, die ein Engagement in solchen Wertpapieren bieten, an russische Staatsangehörige oder natürliche oder juristische Personen in Russland, ebenfalls mit einigen der oben genannten Ausnahmen.

Sonstige Beschränkungen

  • Verbot für von Russland betriebene Flugzeuge im EU-Gebiet.
  • Verbot von Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven sowie von Vermögenswerten der Zentralbank Russlands.
  • Visaerleichterungen für Personen aus Russland, unter anderem für geschäftliche Zwecke, wurden rückgängig gemacht.

Drittes Sanktionspaket

Am 01.03.2022 wurde sodann ein weiteres Sanktionspaket der EU mit den folgenden Elementen in Kraft gesetzt:

  • Ab dem 12.03.2022 Ausschluss von Swift von 7 russischen Banken einschließlich von ihnen kontrollierter Beteiligungen in Russland. 
  • Verbot von Investitionen oder Beteiligungen an Projekten, die aus dem Russian Direct Investment Fund kofinanziert werden mit bestimmten Ausnahmen für Altfälle.
  • Verbot des Verkaufs oder der Lieferung von auf Euro lautende Banknoten nach Russland oder zur Verwendung in Russland mit bestimmten, eng umgrenzten Ausnahmen.
  • Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank.
  • Verbot von zwei staatlichen russischen Medien, in der EU zu senden.
  • Bereits am 28.02.2022 wurde ein weiteres russisches Unternehmen und 26 Personen in die EU-Sanktionsliste aufgenommen.  

Weitere Sanktionen 

Am 09.03.2022 hat die EU die Sanktionen und Exportkontrollen gegen Russland erneut erweitert. Die für übertragbare Wertpapiere geltenden Beschränkungen gelten nunmehr auch für Kryptowerte. Diese Maßnahme zielt offenkundig darauf, eine Umgehung von Finanzsanktionen durch die Nutzung von Kryptowährungen zu vermeiden.

Ferner wurde ein neuer Anhang mit verbotenen Gütern und Technologien der Seeschifffahrt geschaffen. Mit diesen Gütern zusammenhängende Dienstleistungen sind ebenfalls untersagt. Enge Ausnahmen bestehen für humanitäre Zwecke oder für die maritime Sicherheit.  Darüber hinaus wurden 160 Personen auf die EU-Sanktionsliste aufgenommen.

Ebenfalls am 09.03.2022 hat die EU die Finanzsanktionen gegen Belarus verschärft und weiter an die gegen Russland verhängten Sanktionen angepasst. Dabei wurden u.a. drei Banken aus Belarus von SWIFT ausgeschlossen.

Zudem gab es zwischenzeitlich diverse Berichtigungen in den bis dato erlassenen Sanktionsverordnungen.

Andere Länder wie beispielsweise USA, UK und Schweiz haben ebenfalls umfassende Exportkontroll- und Sanktionsbeschränkungen erlassen, welche bei entsprechendem Nexus auch für international agierende Unternehmen relevant werden.

Medienberichten zufolge plant Russland die „Nationalisierung“ von Unternehmen, die sich vom russischen Markt zurückziehen wollen, aus festgelegten „unfreundlich Staaten“. Dies würde im Ergebnis auf eine Enteignung ausländischer Unternehmen aus bestimmten Ländern hinauslaufen.

Viertes Sanktionspaket   

Weitere Sanktionen und Exportkontrollen wurden von der EU am 15.03.2022 erlassen, so etwa ein Exportverbot für Luxusgüter nach Russland, ein Investitionsverbot für den Bereich Erdölexploration und Erdölförderung sowie ein Einfuhrverbot für russische Schlüsselgüter des Eisen- und Stahlsektors. Zusätzlich wurden Geschäfte mit 12 russischen Unternehmen und ihren Beteiligungen außerhalb der EU untersagt. Es handelt sich um Unternehmen aus den Bereichen Energie, Schifffahrt, Aviation sowie Mischunternehmen, die sowohl im zivilen als auch militärischen Bereich tätig sind. Diese Sanktionsmaßnahmen sind innerhalb der G7-Staaten abgestimmt.

Betroffene Unternehmen müssen handeln  

Um die Einhaltung der neuen Ausfuhrkontroll- und Sanktionsvorschriften zu gewährleisten, sollten Unternehmen kurzfristig die folgenden Maßnahmen ergreifen:

  • Identifizierung der Güter, Technologien und Dienstleistungen, die den neuen Beschränkungen unterliegen.
  • Anpassung der internen Prozesse zur Einhaltung der Exportkontroll- und Sanktionsvorschriften (z.B. Stoppen von Transaktionen mit Russlandbezug und Veranlassung einer detaillierten Prüfung anhand der neuen Anforderungen).
  • Bei Rückzug aus Russland-Engagement: Sicherstellung der Compliance auch im Rahmen der Abwicklung von Geschäften.
  • Sicherstellung der Abläufe im Hinblick auf weiterhin legitime Geschäfte (d.h. Geschäfte, die nicht von den Sanktionen betroffen sind), insbesondere in Bezug auf Zahlungswege, Logistik und Versicherungen.

Fünftes Sanktionspaket  

Weitere Sanktionen sind am 8. April erlassen worden.

Ab August 2022 gilt das Verbot des Ankaufs, der Einfuhr oder der Verbringung von Kohle und anderen festen fossilen Brennstoffen in die EU, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden.

Schiffen, die unter russischer Flagge registriert sind, wird der Zugang zu EU-Häfen verwehrt. Ausnahmen bestehen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel, humanitäre Hilfe und Energie.

Verbot für alle russischen und belarussischen Kraftverkehrsunternehmen, in der EU Güter auf der Straße zu befördern (gilt auch für die Durchfuhr). Ausnahmen bestehen für eine Reihe von Erzeugnissen (z. B. pharmazeutische, medizinische und landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel – einschließlich Weizen, Kraftverkehr zu humanitären Zwecken).

Weitere Ausfuhrverbote für Flugturbinenkraftstoffe und andere Güter wie Quantencomputer und fortgeschrittene Halbleiter, hochwertige Elektronikerzeugnisse, Software, sensible Maschinen und Fahrzeuge sowie neue Einfuhrverbote für Erzeugnisse wie Holz, Zement, Düngemittel, Meeresfrüchte und Spirituosen. 

Zu o.g. eine Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen, mit denen bestehende Maßnahmen verstärkt werden sollen, wie etwa ein allgemeines EU-weites Verbot der Teilnahme russischer Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen in den Mitgliedstaaten, der Ausschluss jeglicher finanzieller Unterstützung für öffentliche Stellen Russlands, ein erweitertes Verbot von Einlagen in Kryptowallets und des Verkaufs von Banknoten und übertragbaren Wertpapieren, die auf amtliche Währungen der EU-Mitgliedstaaten lauten, an Russland und Belarus oder an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland und Belarus.

Darüber hinaus hat der Rat Sanktionen gegen Unternehmen und Personen und deren Familien beschlossen, deren Produkte oder Technologien eine Rolle bei den Konflikthandlungen gespielt haben.

Sofern Ihr Unternehmen von den neuen Exportkontrollen oder Sanktionen betroffen sein sollte, wenden Sie sich gerne mit Fragen an unsere Kompetenz-Gruppe um Rafik Ahmad (Rafik.Ahmad@de.ey.com).

Hören Sie auch unsere am 4. März 2022 aufgenommene Folge unseres Tax & Law Hörfunks dazu (Spotify / Apple Podcast).

Die Verordnungen sind in allen EU-Landessprachen auf der Webseite der EU veröffentlicht. Direkt zu den deutschen Fassungen der Verordnungen gelangen Sie hier:

Verordnung 2022/428 vom 09.03.2022

Verordnung 2022/398 vom 09.03.2022

Verordnung 2022/396 vom 09.03.2022

Verordnung 2022/394 vom 09.03.2022

Verordnung 2022/355 vom 02.03.2022

Verordnung 2022/345 vom 02.03.2022

Verordnung 2022/335 vom 28.02.2022

Verordnung 2022/334 vom 28.02.2022

Verordnung 2022/328 vom 25.02.2022

Verordnung 2022/266 vom 23.02.2022

Verordnung 2022/260 vom 23.02.2022

Verordnung 833/2014 vom 31.07.2014

Verordnung 2022/576 vom 08.04.2022

Verordnung 2022/577 vom 08.04.2022

Verordnung 2022/578 vom 08.04.2022

Verordnung 2022/579 vom 08.04.2022

 

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