Die Finanzbranche hat das EuGH-Verfahren C-250/21 zu Kreditunterbeteiligungen gespannt verfolgt, da es das Potenzial hatte, die Marktpraxis bei Kreditunterbeteiligungen nachhaltig zu beeinflussen. Nun hat der EuGH sein lang erwartetes Urteil veröffentlicht.
Anders als die Generalanwältin Medina kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass Unterbeteiligungen bei Krediten ebenso der Umsatzsteuerbefreiung für Kredite unterliegen (EuGH-Urteil vom 06.10.2022, Rs. C-250/21).
Eine Unterbeteiligungsvereinbarung ermöglicht einem Kreditgeber (Originator), das Risiko und den Ertrag eines von ihm gewährten Kredits ganz oder teilweise auf eine andere Partei, den Unterbeteiligten, zu übertragen. Je nachdem, wie die Unterbeteiligung ausgestaltet ist, muss der Unterbeteiligte unter Umständen eine Vorauszahlung an den Originator leisten. Die Höhe dieser Zahlung bemisst sich am Nennwert der Kreditforderung. Von dieser Forderung wird grundsätzlich ein Abschlag abgezogen. Der Originator gibt seinerseits die vom Kreditnehmer erhaltenen Beträge an den Unterbeteiligten weiter. Obwohl Risiko und Ertrag des Kredits ganz oder teilweise auf den Unterbeteiligten übergehen, bleibt der zugrunde liegende Kredit beim Originator bestehen. Es gibt keine Darlehensnovation (Umschreibung des Kreditvertrags auf den Unterbeteiligten) und der Kredit wird auch nicht zu einem Konsortialkredit, bei dem mehrere Darlehensgeber eine Tranche eines größeren Darlehens übernehmen. In der Praxis können Unterbeteiligungen aus einer Vielzahl von Gründen genutzt werden. Sie verringern einerseits das Risiko des Originators, werden aber andererseits auch eingesetzt, um Anlegern Investitionen in Kredite zu ermöglichen. So war der Unterbeteiligte im Urteilsfall ein in Polen ansässiger Investmentfonds, der sich am Kredit eines Finanzinstitutes mittels eines Unterbeteiligungsvertrags beteiligte.
In der Vorlagefrage wurde der EuGH gebeten, zu prüfen, ob Unterbeteiligungsverträge als umsatzsteuerbefreite "Umsätze im Zusammenhang mit der Gewährung und Vermittlung von Krediten und der Verwaltung von Krediten" gelten oder nicht. Die Vorlagefrage war eng gefasst. Es wurde nicht ausdrücklich darum gebeten, zu prüfen, welche alternativen Steuerbefreiungen gelten könnten.
Bevor sich der EuGH der Frage nach der Steuerbefreiung widmen konnte, wurde vorab geprüft, ob eine Unterbeteiligung eine Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellt. Dies hat der EuGH bejaht. Nach Ansicht des EuGHs hatten sich der Unterbeteiligte und der Originator (Kreditgeber) in einem Vertrag gegenseitig verpflichtet; der Unterbeteiligte zur Bereitstellung einer Finanzierung und der Originator zur Weiterleitung der Einnahmen aus den Kreditforderungen. Der Originator erhält folglich eine Dienstleistung gegen ein Entgelt. Entgelt sei hierbei der Unterschiedsbetrag zwischen Auszahlungsbetrag und den erwarteten Einnahmen aus der Forderung (Abschlag vom Nennwert).
Der EuGH stellt zudem klar, dass die Grundsätze seiner Entscheidung in der Rechtssache GFKL in diesem Fall keine Anwendung finden, da es sich im vorliegenden Fall nicht um zahlungsgestörte Forderungen handelte. Der EuGH hatte entschieden, dass der Ankauf von zahlungsgestörten Forderungen keine steuerbare Leistung sei, wenn der Kaufbetrag dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen entspricht (vgl. EuGH-Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL Financial Services).
Im Hinblick auf die Steuerbefreiung kam der EuGH zu dem Schluss, dass Unterbeteiligungen die Bedingungen eines klassischen Kredites nachbilden. Der Unterbeteiligte stellt eine Finanzierung bereit, indem er Kapital auszahlt und hierfür ein Entgelt verlangt, und er übernimmt das Risiko für die Kapitalüberlassung. Ob dieses Risiko aus dem Zahlungsausfall des Originators oder des Kreditnehmers resultiert, sei hierfür ebenso unbeachtlich wie das Fehlen von Garantien zugunsten des Unterbeteiligten. Die Einstufung als Kredit hängt nach Ansicht des EuGHs nur davon ab, ob Kapital gegen Entgelt überlassen wird. Diese Auslegung stehe auch mit dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer und dem Zweck der Steuerbefreiung, u.a. die Kosten für Verbraucherkredite nicht zu erhöhen, im Einklang.
Dieses Urteil ist eine willkommene Klarstellung für Finanzinstitute und Kreditgeber. Wäre der EuGH der Auffassung der Generalanwältin gefolgt, wäre Umsatzsteuer möglicherweise auf die gesamten Beträge angefallen, die vom Originator an den Unterbeteiligten gezahlt werden. Dies hätte die Attraktivität von Unterbeteiligungen erheblich beeinträchtigt, da die dem Originator in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wahrscheinlich ganz oder teilweise nicht abzugsfähig gewesen wäre.
Interessant ist zudem, dass der EuGH den Kreditbegriff für die Umsatzsteuer eher wirtschaftlich als rechtlich auslegt und auch in der Übernahme von Risiken durch Auszahlung von Kapital eine Kreditgewährung sieht. Sie könnte zukünftig dabei helfen, komplexe Finanzierungsvereinbarungen, welche die Merkmale eines Kredites aufweisen, einer umsatzsteuerlichen Würdigung zuzuführen oder die umsatzsteuerliche Würdigung gegenüber den Finanzämtern zu verteidigen. Ob und inwieweit sich diese Auffassung auch auf andere Fälle (wie z.B. Konsortialführerleistungen bei Konsortialkrediten) oder auf andere Finanzprodukte übertragen lässt, ist derzeit noch unklar.
Auch wenn die Entscheidung des EuGHs in diesem Fall nicht zu zusätzlichen Kosten führt, verdeutlicht das Urteil einmal mehr die Komplexität der Umsatzbesteuerung von Finanzprodukten im Investmentbankingbereich, die regelmäßig mehrere Zwecke verfolgen (Risikomanagement und Investment) und denen häufig komplexe rechtliche und wirtschaftliche Sachverhalte zugrunde liegen. Finanzinstitute sollte ihre (neuen) Produkte daher regelmäßig umsatzsteuerrechtlich im Detail prüfen.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGHs zur Verfügung.
Direkt zum EuGH-Urteil kommen Sie hier.
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