Unionsrechtliche Bedenken bei Einlagenrückgewähr einer EU-Kapitalgesellschaft

Der BFH urteilt, dass Anteilszuteilungen durch eine EU-Kapitalgesellschaft im Einzelfall nicht mit einer Abspaltung vergleichbar sind und daher steuerpflichtige Kapitalerträge darstellen. Zudem äußert er unionsrechtliche Bedenken gegen die fehlende Möglichkeit für den Anteilseigner einer EU-Kapitalgesellschaft, den Nachweis einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr selbst zu führen. 

Der BFH hatte in zwei Urteilen darüber zu entscheiden, ob eine Zuteilung von Anteilen durch eine EU-Kapitalgesellschaft beim Anteilseigner einen steuerpflichtigen Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG darstellt oder steuerneutral nach § 20 Abs. 4a EStG zu behandeln ist.

In beiden Fällen bejahte der BFH jeweils eine steuerpflichtige Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (Urteile vom 04.05.2021, VIII R 14/20 und VIII R 17/18). Mangels Vergleichbarkeit der Anteilszuteilung mit einer Abspaltung, ist die Zuteilung der Anteile nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 EStG steuerneutral zu behandeln. Es fehlt an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenen Rechtsträgers. Auch verneinte der BFH im Streitjahr 2014 die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG (steuerneutrale Behandlung des Vorgangs), da in den konkreten Fällen die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags möglich war. Er widerspricht an der Stelle der Auffassung des BMF, wonach die Ermittlung der Höhe des zugeteilten Anteils bereits deshalb unmöglich sei, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt werden (BMF-Schreiben vom 18.01.2016, Rz. 111). Der Wortlaut unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Sachverhalten. Erst seit dem 01.01.2021 ist § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG auf Zuteilungen von Anteilen von einer Gesellschaft beschränkt, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat.

Auf Grundlage des konkreten Sachverhalts äußerte sich der BFH auch dahingehend, dass der Vorgang nicht als Veräußerung anzusehen sei, weil es an einer konkreten Gegenleistung auf Ebene der Steuerpflichtigen für die Kapitalmaßnahme gefehlt habe. Deshalb können auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999, § 20 Abs. 2 und § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG keine Anwendung finden und ggf. zur Steuerneutralität des Vorgangs führen.

Nicht abschließend geäußert hat sich der BFH zu der Frage, ob die steuerpflichtige Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG durch eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG „verdrängt“ wird. Voraussetzung für eine nicht steuerbare Einlagerückgewähr einer EU-Kapitalgesellschaft ist, dass die Leistungen gesondert festgestellt werden (§ 27 Abs. 8 KStG). Die gesonderte Feststellung erfolgt auf Antrag der EU-Kapitalgesellschaft (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG). Fehlt es an einer solchen Feststellung, ordnet § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG per Fiktion an, dass die Leistung beim Anteilseigner als steuerpflichtige Ausschüttung zu behandeln ist. Da in den zu entscheidenden Fällen keine gesonderten Feststellungen auf Antrag der EU-Kapitalgesellschaft getroffen wurden, kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Ausschüttung steuerpflichtig ist.

Fraglich war aber, ob die fehlende individuelle Nachweismöglichkeit des Anteilseigners, losgelöst vom Feststellungsverfahren der EU-Kapitalgesellschaft, verfassungswidrig und unionsrechtswidrig ist. Eine Verfassungswidrigkeit verneinte der BFH erneut (Urteil vom 27.10.2020, VIII R 18/17). Er äußerte aber Bedenken, dass die Fiktion gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit gegen Unionsrecht verstößt. Eine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ist aber nur entscheidungserheblich, wenn der Anteilseigner offensichtlich einen erfolgreichen Nachweis führen kann, so der BFH. Mangels ausreichender Feststellungen hat das FG nun in einem zweiten Rechtsgang Feststellungen zum individuellen Nachweis einer Einlagenrückgewähr nachzuholen. Der Nachweis ist laut BFH entsprechend des Nachweises für Ausschüttungen aus Drittstaatenkapitalgesellschaften zu führen, d.h. ausgehend von der Höhe des ausschüttbaren Gewinns der Gesellschaft auf Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts und unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge der ausgeschütteten Beträge nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion. Scheidet demnach eine Einlagenrückgewähr offensichtlich aus, liegt ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vor. Wenn nicht, wird das FG erwägen müssen, ob ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH einzuleiten ist.

Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil (VIII R 14/20) kommen Sie hier.

Direkt zum BFH-Urteil (VIII R 17/18) kommen Sie hier.

 

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