Verrechnungspreise: FG verneint erneut den Ansatz (fiktiver) Aufschlagssätze

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16 November 2023

Wie bereits das FG Nürnberg, verneint nun auch das FG München mangels einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte den Ansatz fiktiver Aufschlagssätze. Im Gegensatz zum Urteil des Nürnberger Finanzgerichts fällt die Begründung des FG Münchens umfangreicher aus. Zudem stellt das FG München klar, dass es sich bei der Norm des § 1 Abs. 5 AStG nicht um eine Betriebsstättengewinnermittlungsvorschrift, sondern um eine Korrekturnorm handelt. Die Revision ist beim BFH anhängig und für vergleichbare Verrechnungspreisfälle von besonderer Relevanz.

Gemäß § 1 Abs. 5 AStG soll eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln sein (sog. Selbstständigkeitsfiktion). Auch für die Beurteilung der Angemessenheit anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sogenannte „Dealings“) ist somit der Fremdvergleichsgrundsatz maßgebend.

Strittig ist, was unter einer „anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung“ zu verstehen ist. Bereits Anfang dieses Jahres hatte das FG Nürnberg (Urteil v. 27.09.2022, 1 K 1595/20, Revision anhängig unter I R 45/22) in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Beziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG gesehen und in der Folge entgegen der Verwaltungsauffassung den Ansatz fiktiver Aufschlagssätze verneint (vgl. EY-Steuernachrichten vom 23.03.2023). Das FG München hat sich nun in einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation mit Urteil vom 10.07.2023 (7 K 1938/22) dem FG Nürnberg im Grundsatz angeschlossen.

In Abgrenzung zum Urteil des FG Nürnberg äußert sich das FG München recht umfassend zum Begriff Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG. Von dem Begriff sind laut den Finanzrichtern neben den anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen auch gesellschaftsrechtliche Beziehungen umfasst. Für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind ausschließlich „tatsächliche Handlungen“ relevant. Das bedeutet, es muss grundsätzlich ein wirtschaftlicher Vorgang, also ein tatsächliches identifizierbares Ereignis vorliegen. Zwar können schuldrechtliche Beziehungen jeder Art auch fingiert werden. Jedoch muss der Geschäftsvorfall dann ein gewisses Maß an Signifikanz, also eine ökonomische Relevanz aufweisen, aufgrund derer fremde Dritte eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten oder eine Rechtsposition geltend machen würden. Für die Zuordnung einer solchen anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bedarf es jedoch einer Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken und Geschäftsvorfällen zur Betriebsstätte bzw. dem übrigen Unternehmen. Hierfür sind laut FG München der wesentliche Anknüpfungspunkt die sogenannten Personalfunktionen. Eine Zuordnung der wesentlichen Personalfunktionen zur Betriebsstätte lehnte das FG im konkreten Fall jedoch ab. Die Tätigkeit der Betriebsstätte, die durch Fremddienstleister erbracht wurde, konnte der Betriebsstätte nicht zugerechnet werden. Zum einen handelte es sich bei den Fremddienstleistern nicht um eigenes Personal des Unternehmens. Zum anderen wurden die Tätigkeiten durch die Fremddienstleister auf Basis eines Dienstleistungs- bzw. Werkvertrags und nicht auf Grundlage einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsrechtlichen Vereinbarung erbracht.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Vorschrift des § 1 Abs. 5 AStG laut den Richtern des FG München um eine Einkünftekorrekturnorm, die keine Ausstrahlwirkung auf die Einkünfteermittlung habe. Die Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG steht in unmittelbarem Kontext zu § 1 Abs. 1 AStG. Damit knüpft § 1 Abs. 5 AStG tatbestandlich an eine Einkünfteminderung an, die durch eine Vereinbarung nicht fremdvergleichskonformer Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht. Dass die Norm außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und (insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4ff. EStG) eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Entsprechend kann dies wegen der systematischen Stellung auch nicht in die Vorschrift hineingelesen werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 24.11.2021, I B 44/21, AdV). § 1 Abs. 5 AStG stellt somit eine reine Korrekturnorm und keine eigenständige Regelung zur Betriebsstättengewinnermittlung dar. Daher ist § 1 Abs. 5 AStG – mangels Einkünfteermittlungscharakter der Norm – für die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen aus Außentransaktionen bedeutungslos.

Die Revision zum BFH wurde zugelassen und ist unter I R 49/23 anhängig. Steuerpflichtige sollten in vergleichbaren Fällen die Verfahren offenhalten.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des FG München zur Verfügung.

Direkt zum FG-Urteil kommen Sie hier.

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