Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung

Der EuGH stufte die deutschen Regelungen zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Ist-Versteuerung bereits als unzutreffend ein. Nun hat der BFH darauf aufbauend im Sinne der Steuerpflichtigen ein Urteil veröffentlicht. Dieses Urteil lässt das geltende Recht zur Vorsteuerabzugsberechtigung jedoch unberührt.

Gemäß § 20 UStG kann das Finanzamt einem Unternehmer auf Antrag gestatten, die Steuer nach vereinnahmten, anstelle von vereinbarten Entgelten anzumelden (sog. Ist-Versteuerung). Der Leistungsempfänger ist jedoch weiterhin gemäß § 15 Abs. 1 UStG bereits bei Leistungserbringung und Erhalt der Rechnung zum Vorsteuerabzug berechtigt, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist. Liegen in dieser Konstellation die Leistungserbringung und die Zahlung zeitlich weit auseinander, droht die Gefahr eines Steuerausfalls. Darin könnte das zuständige Finanzamt eine missbräuchliche Steuergestaltung sehen und die Gestattung zur Ist-Besteuerung widerrufen. So auch im Urteilsfall (Urteil vom 12.07.2023, XI R 5/21)

Nun hat der BFH jedoch entschieden, dass der Umstand, dass der Leistungsempfänger bereits zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, obwohl noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen beruht. Deshalb darf nicht die Erlaubnis zur Ist-Versteuerung widerrufen werden. Vielmehr ist die Situation dem Umstand geschuldet, dass die unionsrechtliche Vorgabe des Art. 167 MwStSystRL unzutreffend in Deutschland in nationales Recht umgesetzt wurde. Dies hat bereits der EuGH (C-9/20, vgl. EY-Steuernachricht vom 17.02.2022) entschieden. Der EuGH urteilte, dass Fallkonstellationen, in denen der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet, aber der Leistungsempfänger weiterhin bereits bei Leistungserbringung vorsteuerabzugsberechtigt ist, gegen das Unionsrecht verstoßen.

Das Urteil des BFH schützt somit den Steuerpflichtigen vor dem Finanzamt, in solchen wie oben genannten Konstellationen eine missbräuchliche Gestaltung zu sehen und Erlaubnisse zu widerrufen. 

An der Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers ändert sich mithin zunächst nichts im Verhältnis zu der bisherigen Vorgehensweise. Insbesondere braucht der Leistungsempfänger für seinen Vorsteuerabzug (weiterhin) nicht danach zu unterscheiden, ob er die Leistung von einem sog. Soll- oder einem Ist-Versteuerer erhält. Auch nach diesem Urteilsfall bleibt es also offen, wie der Gesetzgeber mit der vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit umzugehen plant.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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